05/08/2024

Leichtigkeit der Konstruktion, Transparenz und Eleganz prägen die Projekte von Dietmar Feichtinger Architects. Das Büro baut in Österreich, Frankreich und stellt nun in Portugal aus. Die Ausstellung „construir“ in der Casa da Arquitectura in Porto zeigt Werk und Philosphie. „construir“ ist bis zum 8. September 2024 zu sehen, bei freiem Eintritt. 

05/08/2024

Brückentragwerk Mont Saint Michel

©: David Boureau

Schule Gloggnitz Dietmar Feichtinger

©: David Boureau

Casa da Arquitectura Porto

©: Isabella Marboe

Ausstellungsplakat, Dietmar Feichtinger Architects

Dietmar Feichtinger Architects Ausstellung "construir", Porto, PRT, 2024

©: Isabella Marboe

Das Plakat zeigt den Beginn einer Brücke, die am Ufer aufsetzt, dahinter Wasser und die Weite einer Landschaft. „construir“ steht darüber. Ohne Bauen keine Architektur, für Dietmar Feichtinger Architects ist beides essenziell: das Bauen und die Brücken zwischen Ufern und Ländern. Vor über 30 Jahren verließen Dietmar Feichtinger und seine Frau Barbara das beschauliche Graz, um Frankreich zu erobern. 1994 gründeten sie in Paris ihr Büro, die Passarelle Simone-de-Beauvoir brachte ihnen den internationalen Durchbruch. Dietmar Feichtinger architects planten das ikonische Brückenbauwerk zum Mont-Saint-Michel, einen Promenadenweg entlang der Felsen von Bastia über dem Meer, das Kunsthaus im steirischen Weiz und die Donau-Uni in Krems. Sie schufen der Infrastruktur des Bahnhofs in Ostende ein flirrendes, transluzentes Dach aus blaugrüngelben Polycarbonatstegplatten, erweiterten das Lycée francais in Wien um einen eleganten Zubau und schenkten dem steirischen Gloggnitz ein neues Schulzentrum. 

Die Ausstellung „construir“ in der Casa da Arquitectura in Porto zeigt insgesamt 38 Projekte, 13 originale Modelle, Pläne, Zeichnungen und Filmprojektionen. „Unsere Arbeit umfasst Krankenhäuser, Universitäten, Schulen, Bürogebäude, öffentliche Schwimmbäder, Wohnhäuser“, sagt Dietmar Feichtinger. An die 40 Menschen arbeiten derzeit in seinem Büro in Paris und Wien. Je anspruchsvoller die Architektur und optimierter die Konstruktion, umso größer die Herausforderung am Bau. Bauen ist ein komplexer, dynamischer Prozess mit vielen Beteiligten. Dietmar Feichtinger Architects loten immer die Grenzen des Möglichen aus, viele ihrer konstruktiven Lösungen sind prototypisch entwickelt. Alle Projekte entstehen aus dem Kontext im ständigen Dialog zwischen Architekt, Statikern, Bauingenieuren, Firmen und nicht zuletzt den Arbeitern, die sie errichten. Ihre Form folgt der Konstruktion, die möglichst schlank, sicht- und ablesbar bleibt. Die Transparenz dieser Architektur ist unerbittlich, sie erfordert höchste Präzision beim Bau.

Leichtigkeit des Tragwerks

„Unsere Architektur beruht stark auf der Leichtigkeit des Tragwerks. Die Konstruktion ist in unserer Arbeit sehr präsent“, sagt Dietmar Feichtinger. „Von der Konzeption bis zum fertigen Projekt ist das Bauen ein wesentlicher Bestandteil unserer Architektur, der uns begeistert.“ Diese Begeisterung trägt ein Projekt durch alle Phasen der Umsetzung. Besonders deutlich wird das bei den Brücken, die Feichtinger Architects auf ein neues Niveau gehoben haben. Ihre Brücken sind weit mehr als Orte des Transits, es sind Orte der Begegnung und des Verweilens, Ingenieurbauwerke, die ihre Umgebung prägen, aufwerten und verändern. Dieses Verständnis des Bautyps ist eine konstruktive Herausforderung, für jede Brücke ist sie anders. „Der Moment, in dem eine Brücke eingehoben wird, ist wirklich euphorisch.“ Diese Empfindung teilen alle, die den Weg dahin mitgegangen sind. „Wir sind mit den Menschen am Bau verbunden.“

Das Brückenbauwerk zum Mont-Saint-Michel nähert sich in einem sachten Bogen dem Klosterberg in der Normandie an. Es inszeniert den Weg und lenkt den Blick. 134 filigrane Stützen, die in einer Pfahlgründung 30 Meter tief in den Boden ragen, tragen diese Verbindung zwischen Festland und Berg. Diese intelligente Lösung vereint Statik mit Durchlässigkeit, sie verteilt die Lasten, lässt das Meer frei fließen und hält damit die Verlandung auf. Ebbe und Flut, die einzigartige Besonderheit des Weges, wird so ganz unmittelbar erlebbar. Das Projekt verrät viel über Philosophie und Arbeitsweise des Büros. Ausgangspunkt ist immer der Ort, die Konstruktion ist elementarer Bestandteil der Lösung und oft prototypisch entwickelt.

Ein Modell dieses Projekts stand am Anfang der Beziehung zwischen Feichtinger Architects und der Casa da Arquitectura. Es war Bestandteil der Eröffnungsausstellung. Seit November 2017 befindet sich die Architekturinstitution im großen, denkmalgeschützten Industriekomples Real Vinícola, der zwischen 1897 und 1901 errichtet und von Architekt Licínio Guimarães für die Casa de Arquitectura adaptiert wurde. „Construir“ wird in einem fast quadratischen Raum mit einem alten Holzdachstuhl in einem Seitentrakt gezeigt. Die Tische auf den dünnen Schraubenbeinen sind präzise arretiert und ausbalanciert, sie stützen einander, die Modelle darauf präzise ausgeleuchtet, in großen Büchern kann man durch Pläne und Details blättern. Dahinter werden auf zwei Wänden die Filme der Projekte und Baustellen projiziert. Der dicke, historische Putz an den Wänden ließ die geradlinigen Bauten wellig erscheinen. Zwei Tage brauchten die Architekten, um pünktlich vor der Ausstellungseröffnung eine plane Projektionsfläche aufzutreiben und formschön von den Holzbalken abzuhängen, ohne die denkmalgeschützte Konstruktion anzutasten. Diese Lösung ist so überzeugend, dass die Casa sie übernehmen wird.

Das Plakatsujet bildet auch die Titelseite des neuen Buchs mit den Projekten des Büros, das in der Ausstellung aufliegt. Beim Durchblättern lüftet es sein Geheimnis: Es zeigt den Beginn des Brückenbauwerks zum Mont-Saint-Michel und damit den Beginn eines Weges über das Meer, über Ebbe und Flut.

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