06/02/2014

Angelika Schimunek und Werner Fauland - zwei Grazer Guerilleros

Bücherstube und CD-Laden
Prokopigasse 16, 8010 Graz
Tel. +43 (0)316 825 026

06/02/2014

Bücherstube, Prokopigasse 16, Graz, am 30.01.2014

©: Werner Fauland

Angelika Schimuneks / Werner Faulands CD-Laden

©: Werner Fauland

Angelika Schimuneks / Werner Faulands CD-Laden

©: Werner Fauland

Angelika Schimuneks Bücherstube

©: Werner Fauland

Angelika Schimuneks Bücherstube

©: Werner Fauland

Es ist schon merkwürdig: Die sogenannte Dienstleistungsgesellschaft hat dazu geführt, dass immer weniger Dienstleistungen immer teurer und immer weniger verfügbar sind. Dafür machen die Warteschleifen unter den sogenannten Servicenummern den Begriff der Unendlichkeit endlich für jedermann erlebbar. Selbstredend wird das Verschwinden von Greißlereien, Kaffeehäusern, Eisenwarengeschäften, Textil- oder Buchhandlungen und anderen Nahversorgern als sozialer und kultureller Verlust beklagt. Die betriebswirtschaftliche Logik bringt es einerseits mit sich, dass sie nicht überlebensfähig sind, andererseits fallen sie als Gewerbetriebe aus jeder kulturellen Förderung heraus. Glücklicherweise gibt`s Ausnahmen.

Leser, die bereits Kunden in der Bücherstube von Angelika Schimunek sind, oder Werner Fauland, den neuen, alten Intendanten des angeschlossenen CD-Ladens kennen, dürfen hier die Lektüre abbrechen. Den anderen wird dringend empfohlen, weiterzulesen …

Am 29. Jänner 2014 hat der CD-Laden neben der Bücherstube in der Prokopigasse nach dreijähriger Pause wieder aufgesperrt. Nahversorger wie Angelika Schimunek machen die Lebensqualität einer Stadt aus und konterkarieren damit die Auswüchse der Globalisierung. Keiner liebt Amazon, trotzdem kaufen die meisten ihre Bücher dort oder zumindest beim Moser. Wo aber die Bücherstube liegt, wissen selbst sogar viele Grazer nicht. Und der dazugehörige, von 1991 bis 2011 geöffnete CD-Laden gehört samt "Geschäftsführer" Werner Fauland zur Legende.

Am Anfang der Legende stand ein Italien gewidmeter Literaturladen, den Angelika Schimunek dem großen Franz Innerhofer einrichtete. Wer den italophilen Autor von Schöne Tage kannte, ahnte allerdings, dass dieser Versuch, Lebens- und ökonomische Interessen zu verschmelzen, nicht gut gehen konnte. Anstelle des 2002 verstorbenen Schriftstellers trat 1991 der Taxifahrer Werner Fauland, den Angelika Schimunek als Fahrgast kennengelernt hatte. Heute staunt Fauland über seine Blauäugigkeit von damals. Als gelernter Industriekaufmann, der seinen Beruf herzlich hasste, hatte er zwar mit 23 begonnen, Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit zu lesen, konnte aber kein Wort Italienisch. Sooft Italienisch palavernde Professoren dynamisch zur Tür hereinplatzten, war er einigermaßen verwirrt. Dafür boomte damals das Geschäft mit CDs. Und obwohl er noch keineswegs ein Musikexperte war, kam ihm sein unbestechliches Gefühl – soll man sagen, die Sehnsucht nach Qualität? - zu Hilfe.

Zugang zur Neuen Musik fand er schließlich durch Bernhard Lang, der bald zu seinen Kunden zählte. Der mittlerweile berühmte Komponist  empfahl Fauland, das 1. Streichquartett von Helmut Lachenmann, mit dem er lange nicht klarkam, immer wieder leise und nebenher zu spielen. Nach 14 Tagen ging Fauland „der Knopf auf", und von da weg entwickelte er sich immer mehr zu einem kompetenten Berater, nicht nur für Neue Musik, sondern für Musik überhaupt, sofern sie Qualität hat. Nach Bernhard Lang kamen als Kunden später auch Beat Furrer oder Peter Oswald, Chef des Musikprotokolls und ehemaliger herbst-Intendant. Der winzige Raum wurde zu einem informellen Treff für Musikliebhaber, Musiker und für so unterschiedliche Schriftsteller wie Günter Eichberger oder Herms Fritz. Und vor allem für Kunden auf der Suche nach neuen Erfahrungen.

Aber irgendwann wurden die CDs zum Verkehrsopfer auf der digitalen Rennbahn, waren kein Geschäft mehr. Selbst Kastner & Öhler in bester Lage musste seine Musikabteilung zusperren. Der hinter der Herzl-Weinstube verborgene CD-Laden von Schimunek/Fauland hielt länger durch, musste aber schließlich mangels fehlender Laufkundschaft ebenfalls schließen.

Das neue Jahr fängt erfreulich damit an, dass Angelika Schimunek und Werner Fauland am 29. Jänner ihr musikalisches, garantiert koffeinfreies Stehcafée neu eröffnen. Das neue Geschäftskonzept, nur zu empfehlen und zu verkaufen, was man auch selbst mag, ist im Großen und Ganzen das alte. Hinzugekommen sind die unvermeidliche Erfahrung und eine Ausweitung des Angebotes auf DVDs – handverlesene Filme natürlich.

Angelika Schimunek und Werner Fauland sind Guerilleros, die einen freundlichen Kampf darum führen, dass ihre kleinen Geschäfte sich ihrem eigenen Leben und dem ihrer Kunden und nicht umgekehrt anpassen. Ihre Läden sind sozusagen Widerstandsnester in einem von Großmannssucht und Grundrente einigermaßen beschädigten Stadtbild.

So gesehen ist der neu eröffnete CD-Laden neben der Bücherstube schon wieder ein großes, unbedingt empfehlenswertes Geschäft.
 

steps

Das ist wohl die schönste Nachricht seit langem ! Merci Angelika Schimunek, auf ein ungeduldig erwartetes Wiedersehen Werner Fauland !

Fr. 07/02/2014 6:11 Permalink
Martin Halder

Lieber Werner, hab mir seit du dein Geschäft geschlossen hast max. 5 CDs gekauft - werde morgen bei dir einfallen und freu mich sehr darauf!!!!

Fr. 07/02/2014 10:49 Permalink
Klaus Feichtenberger

Eine ganze Generation österreichischer und britischer Filmkomponisten wurde aus Werner Faulands CD-Laden systematisch mit Inspirationen versorgt: Sarah Class, Barnaby Taylor, Kurt Adametz, David Poore und viele andere haben sich stapelweise CDs mit Musikbeispielen angehört, die Fauland empfahl. Nicht nur deshalb galt der Laden unter Musikprofis in Österreich, Deutschland und Grossbritannien als Geheimtipp. Als das kleine musikalische Stehcafé schließen musste, wurde es von vielen schmerzlich vermisst. Vergessen hätte man es wohl nie. Aber jetzt ist Fauland wieder da, und es ist alles gut -- und bleibt hoffentlich lange so.

Fr. 21/02/2014 8:29 Permalink
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