29/04/2024

Stadtökologie betrachtet Städte als komplexe Ökosysteme, in denen eine Vielzahl von Lebensformen, wie Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen, existieren. Diese Disziplin untersucht, wie städtische Strukturen und Prozesse die Ökosysteme beeinflussen und umgekehrt, wie Ökosysteme das städtische Leben prägen.

Dazu zählt die Betrachtung der Vielfalt an Lebensformen in städtischen Gebieten, von natürlichen Lebensräumen wie Parks und Grünanlagen bis hin zu künstlichen Umgebungen wie Dächern, Straßenrändern und Gebäuden. Ein zentraler Fokus liegt auf der Analyse, wie städtische Entwicklungen die Umwelt beeinflussen, einschließlich Themen wie Luftverschmutzung, Bodenversiegelung, Wasserverbrauch, Energieverbrauch und Abfallmanagement.

29/04/2024

Grünen Gemeinderätin Alexander Würz-Stalder, Wilfried Krammer von der Stadt Graz, ZT Steiermark und Kärnten Sektionsvorsitzender Burkhard Schelischansky und Beate Engelhorn, Leiterin des HDA-Graz, begrüßen zum StadtDialog #7 mit dem Thema Stadtökologie, 4.4.2024

©: The Schubidu Quartet

Im Gespräch, StadtDialog #7, 4.4.2024

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HDA-Graz Geschäftsführerin Beate Engelhorn, GAT-Autorin Elisabeth Kabelis-Lechner, StadtDialog #7, 4.4.2024

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Andreas Kipar, Keynote, StadtDialog #07, 4.4.2024

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Der siebte StadtDialog in Graz widmete sich den vielfältigen Aspekten der Stadtökologie und lud Expert*innen, Forscher*innen und Interessierte ein, gemeinsam über die Förderung des Gleichgewichts zwischen der Entwicklung von Städten und dem Schutz der Umwelt nachzudenken. Die Veranstalter – die Stadt Graz, die Kammer der Ziviltechniker:innen für Steiermark und Kärnten und das HDA - Haus der Architektur Graz – eröffneten die Veranstaltung im Auditorium des Joanneum mit einer klaren These: Es wurde betont, dass naturbasierte Lösungen, die über politische und wirtschaftliche Ideologien hinausgehen, in der gegenwärtigen Energie- und Klimakrise der Schlüssel zur Wiederherstellung von Ökosystemen sind.

DI Robert Wiener, Leiter der Abteilung Grünraum und Gewässer der Stadt Graz, startete mit einem Impulsvortrag über Stadtökologie aus städtischer Perspektive. Anhand von Fallstudien in Stockholm, die zum Ziel haben, die schwedische Hauptstadt bis 2040 klimaneutral zu gestalten, analysierte er den aktuellen Zustand in Graz und diskutierte Maßnahmen zur Implementierung für eine nachhaltigere Stadtentwicklung. Seine Worte verdeutlichten, dass ökologische Erkenntnisse die Grundlage für Strategien bilden können, um die Lebensqualität für Menschen und Natur in städtischen Gebieten zu verbessern. Dies beinhaltet den Schutz und die Erweiterung von Grünflächen sowie die Entwicklung von Freiräumen für ein Grünes Netz, das sich nahtlos zwischen öffentlichem und privatem Raum ausbreiten soll.

Landschaft als Kapital

Anschließend folgte ein Impulsvortrag über „Stadtökologie in Europa: Einblick und Perspektiven von und nach außen” von Landschaftsarchitekt und Stadtplaner Andreas Kipar von LANDsrl. Ein zentraler Aspekt war die Betrachtung der Umweltauswirkungen der Stadtentwicklung. Es wurde hervorgehoben, dass städtische Hitzeentwicklungen aufgrund von Bodenversiegelung und einem erhöhten Wasserverbrauch auftreten. Kipar präsentierte seine Gedanken energisch, humorvoll und doch auch nachdenklich. Er schlug vor, Landschaft als Kapital zu betrachten und sprach von einer städtischen "Sehnsucht nach dem Ursprünglichen". So ermutigte er das Publikum, die Stadt als dynamischen Raum zu betrachten, der bereits Antworten auf ökologische Herausforderungen bietet. Sein Vorschlag: die Ikonen einer Stadt zu besuchen und die Wege als Anreiz für mögliche gestalterische Erweiterungen in Betracht zu ziehen. Indem man durch diese Räume geht, könne man die Vielschichtigkeit, die in der Entwicklung von Landschaft grundlegend ist, entdecken und sie architektonisch aufgreifen. Kipar traf damit einen Nerv im Publikum und regte an, über nachhaltige Stadtplanung nachzudenken.

Für eine abschließende Diskussionsrunde nahmen Christine Radl, Referatsleiterin für Grünraum der Stadt Graz, Johanna Gunczy, Biologin im Bereich Entomologie am Universalmuseum Joanneum/Naturkunde, Markus Frewein, Geschäftsführer von Verkehrplus, Andreas Kipar und der Moderator Wolf-Timo Köhler, Leiter des Referats für Bürger:innenbeteiligung Graz, gemeinsam Platz auf der Bühne. Die Diskussion begann mit einer praktischen Frage zur Umsetzbarkeit der bisher gewonnenen Erkenntnisse in der Planung. Dazu warf Markus Frewein einen kritischen Blick auf die gegenwärtige Situation, die er als „Diktatur der Autos" beschrieb, und betonte die Verantwortung einer Gesellschaft, die für ihre Enkelkinder planen sollte. Seine Worte forderten eine Geisteshaltung, die sich vom „klein-klein" Denken abwendet und Raum für einen zukünftigen, nachhaltigen Lebensstil schafft. Frewein beklagte die mangelnde Vorstellungskraft bezüglich einer autofreien und nachhaltigen Gesellschaft und wies darauf hin, dass Maßnahmen zur strukturierten Vorbereitung auf stadtökologische Transformationen oft nur zögerlich umgesetzt werden.

Radikal denken, moderat handeln

Johanna Gunczy plädierte dafür, Städte als integrierte Teile eines größeren Ökosystems zu betrachten, in dem auch kleinere Tierchen und Insekten Schutz finden sollten. Diese Lebewesen seien entscheidend für ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Stadtentwicklung und Umweltschutz.

Christine Radl, Referatsleiterin Grünraum der Stadt Graz, sprach die Bedeutung der Nutzungsanforderungen des Freiraums an und betonte damit die Unterstützung sämtlicher Alltagsrealitäten der Stadtbewohnerinnen und -bewohner.

Landschaftsarchitekt Andreas Kipar, betonte die Wichtigkeit von Aushandlungsprozessen und wie man radikale Forderungen in den städtischen Raum einbringen kann. Er ermutigte auch in der Diskussion noch einmal dazu, den urbanen Raum für jüngere Generationen zu kultivieren und hob die Kunst als wichtiges Mittel zur Entwicklung einer (selbst-)kritischen Geisteshaltung hervor.

Besonders spannend war die Frage von Aglaée Degros, Leiterin des Instituts für Städtebau der TU Graz,  an Andreas Kipar, welche städtische „Ikone“ in Graz das Potenzial hätte, eine visionäre Bedeutung zu erlangen. Kipar nannte die Mur als eine potenzielle Ikone für eine fluide Landschaft, was zu einer lebhaften Diskussion über das 2022 errichtete Murkraftwerk führte, welches schon während der Planungsphasen stark von der Bevölkerung kritisiert wurde. (1) Gunczy ergänzte daraufhin, dass zu warme Flussgebiete zur Erwärmung der Stadt beitragen und den ökologischen Wert der Stadt senken können.

Andreas Kipar wollte den StadtDialog als eine ideale Möglichkeit verstanden wissen, kritischen Stimmen aus dem Publikum Raum zu geben, um letztlich einen Grundkonsens zu finden. Und obwohl das Thema Ideologie und ein rein akademischer Diskurs über Stadtökologie zu Beginn der Veranstaltung ausgeschlossen wurden, um auf praktischer Ebene zu diskutieren, kamen diese Punkte im Laufe der Diskussion stark hervor:

Die Vorgehensweise und die Mittel zur erfolgreichen Umsetzung von ökologischen Bauprojekten wurden nicht im Detail ausgeführt, das Publikum zeigte dennoch starkes Interesse an einer Erläuterung eines Budgetrahmens, das solche Vorhaben unter dem Vorsatz „Landschaft als Kapital für wirtschaftliche Verbesserung“ benötigt. Andreas Kipar erklärte anhand seines Projektes in Mailand, dass ein solches Vorhaben von ausländischen Investoren finanziert wurde, da der Stadt das Budget dafür schlichtweg fehlte.

Der StadtDialog #07 bot eine breite Diskussionsplattform über die Zukunft von Stadtökologie und nachhaltiger Stadtentwicklung. Von der Betrachtung städtischer Ökosysteme bis zur Debatte über den öffentlichen Raum zeigte die Veranstaltung, wie wichtig es ist, die Wechselwirkungen zwischen Stadt und Umwelt zu verstehen.

Die Impulse von Markus Frewein, Johanna Gunczy und Christine Radl verdeutlichten die Vielfalt der Herausforderungen und Chancen, denen Städte gegenüberstehen. Andreas Kipars Lesart der Landschaft als wirtschaftliches Kapital versucht die Stadtplanung nicht nur als technisches, sondern auch gesellschaftliches Unterfangen zu verdeutlichen und brachte das Publikum dazu, kritische Fragen an die Vertreter*innen der Stadt Graz zu stellen.

So äußerte auch Architektin und GAT-Autorin Elisabeth Lechner ihre Bedenken bezüglich eines Bewältigens der örtlichen Hitzeprobleme und kritisierte das Paradoxon des städtischen Versiegelungsgrades und dem peniblen Abmähen von Grünstreifen sowie dem Pflanzen von Bäumen in Bereichen mit niedriger Wurzeltiefe. Johanna Gunczy stimmte dieser Beobachtung zu und empfahl grüne Flächen durchaus wuchern zu lassen. So könnte eine Win-win-Situation aussehen: Gerade an Orten, wo Grünstreifen und -Inseln nicht zwingend gemäht werden müssen, könnte darauf verzichtet und dadurch eine unterstützende Maßnahme zur Bewältigung von Hitzeproblemen geboten werden, welche gleichzeitig eine ideale Umgebung für Insekten im urbanen Raum schaffen würde.

Ein Erfolg des StadtDialogs war sicherlich, dass sie weit über die geplante Zeit hinausging und sich viel Diskussionsbedarf zeigte. Der Austausch hörte deshalb nicht mit dem Ende der offiziellen Diskussion auf, sondern wurde bei einem Getränk im Foyer des Universalmuseums Joanneum fortgesetzt.

 

_____Quellen

(1) https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5101335/Murkraftwerk-Graz_Knapp-geschafft_10242-Unterschriften-fuer-die (zuletzt aufgerufen am 10.04.2024)

Tipp: Sie möchten die Impulsvorträge und die Diskussion des StadtDialogs #7 im Detail verfolgen und sich ein eigenes Bild machen von dem Thema Stadtökologie? Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und steht zeitnah auf der Homepage des HDA zum Nachhören bereit. Link folgt …

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