11/09/2011
11/09/2011

Buchdeckel

Es ist noch nicht allzu lange her, da war das Anfertigen von Skizzen, das Zeichnen von Portraits oder abstraktes Gekritzel in der einen oder anderen Form noch selbstverständliche Notwendigkeit. Inzwischen haben sich unsere Arbeit und auch ein guter Teil unserer Freizeit auf den Bildschirm verlagert. So lautet auch die zentrale Frage, die Béatrice Gysin, Dozentin an der Hochschule der Künste Bern, im Rahmen eines Forschungsprojektes stellt: „Wozu zeichnen?“ Im Niggli Verlag ist dazu 2010 unter dem gleichlautenden Titel eine Publikation erschienen, mit der Gysin die Abhandlung zu einer Fragestellung liefert, die mehr als berechtigt ist.

Auf 230 Seiten wird eine reiche Sammlung von Zeichnungen und Skizzen mit Aufsätzen, Statements von Künstlern und Interviews ergänzt und unter anderem der Frage nachgegangen, welche Anforderungen an die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte zu stellen sind. In wissenschaftlichen Anregungen und Diskussionen wird auf den Sinn und Wert des Zeichnens mit der Hand auf verschiedenen Ebenen eingegangen..

Gysin strukturiert die Arbeit mittels stetiger Abwechslung zwischen sachbezogener Themenbehandlung und der Auseinandersetzung mit durchaus abstrakten Fragen. So folgt das Resultat einer Befragung zum Thema Zeichnen etwa direkt einer Abhandlung über die Herausforderungen, mit denen sich der Zeichnende am Beginn des Zeichenprozesses vor einem leeren Blatt Papier konfrontiert sieht. Dadurch erhält der Leser nie das Gefühl, lediglich den Bericht über ein Forschungsprojekt in Händen zu halten. Auch wenn man sich strikt an die vorgegebene Reihenfolge hält, entsteht der Eindruck, als ließe man die Gedanken schweifen, ohne dabei den Fokus des zentralen Themas zu verlieren.

Das folgende Zitat in den Schlussworten von Gysin macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, dass Momente, in denen man sich mit der Hand zeichnerisch betätigt, nicht immer mehr verloren gehen: „Die Zeichnung ist wie ein Echoraum: Was die Zeichnenden hineingeben, wird für die Betrachtenden spürbar, die sich auf die Intimität dieser besonderen Art von Zwiesprache einlassen. Die Zeichnung verlangt, dass man in ihren Zeitraum eintritt und darin einen Moment verweilt.“

Wozu zeichnen? Qualität und Wirkung der materialisierten Geste durch die Hand
Béatrice Gysin (Herausgeberin)

2010, Niggli Verlag
Deutsch, broschiert: 232 Seiten
ISBN-10: 3721207696
ISBN-13: 978-3721207699

Verfasser/in:
Stephan E. Fasch, Lisbeth Schneider; Rezension
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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