26/09/2024

Architekturpreise sind Signale, heben Realisierungen als Vorbilder hervor und drücken doch auch immer einen Trend aus. Im besten Falle setzen sie Maßstäbe. Die Verantwortung liegt bei den Jurorinnen und Juroren, die eine Auswahl treffen. Von was lassen sie sich leiten? Welche Kriterien werden berücksichtig und welche beiseitegelassen? 

Der Architekturpreis des Landes Salzburg prämiert in diesem Jahr mit dem Handelszentrum 16 (Bergheim) von smartvoll Architekten ein Beispiel der Adaptierung und des Re-Use. Anerkennungen gehen an den Kindergarten Mattsee von dunkelschwarz und an das Mozarteum Foyers (Stadt Salzburg) von Maria Flöckner und Hermann Schnöll sowie eine Special Mention an das Austrian House (Zell am See) von Rem Koolhaas.

Ein Förderstipendium erhält Özgül Coban-Nagels für das Architekturvermittlungsprojekt NATUR : RAUM : SCHAFEN, das an Schulen aktives Beobachten und Erforschen der Natur zur Auseinandersetzung mit Material, Form und Raum anregen möchte. 

26/09/2024

HZ16 smartvoll Architekten, © Dimitar Gamizov

Kindergarten Mattsee, dunkelschwarz, © Markus Rohrbacher

Foyer des Mozarteum, Salzburg, Architektur Maria Flöckner und Hermann Schnöll

©: Andrew Phelps

Jurytag Architekturpreis Land Salzburg im Austrian House, Rem Koolhaas, Zell am See © Eva Zangerle

Architekturvermittlungsprojekt Natur : Raum : Schaffen, © Özgül Coban-Nagels

Der Architekturpreis des Landes Salzburg ist eine bedeutende Auszeichnung, die seit 1976 zur Förderung und Anerkennung beispielgebender Leistungen in der Architektur verliehen wird. Zu Beginn wurde die Auszeichnung im Fünfjahreszyklus verliehen, es folgte ein Dreijahreszyklus. Zusätzlich gibt es seit 1981 ein Förderstipendium für Architektur. Seit 2000 wird der Preis und das Förderstipendium für Architektur alle zwei Jahre vergeben und die Bauwerke der Preisträgerinnen und Preisträger sowie ausgewählte Einreichungen werden in einem Katalog dokumentiert. Seit 2016 ist der Salzburger Architekturpreis mit Euro 10.000 dotiert. Der Stipendiat/die Stipendiatin erhält Euro 5.000 und die Möglichkeit einer Werkpräsentation im Architekturhaus Salzburg. Die Abwicklung der Preisvergabe erfolgt durch die Initiative Architektur.

56 Einreichungen gab es 2024 für Preis und Stipendium. Die Jury, bestehend aus Architektin Marianne Durig (Burtscher-Durig ZT GmbH, Wien), Architektin Iris Reiter (ir, Innsbruck) und Architekturtheoretikerin Bettina Siegele (Künstler*innen-Vereinigung Tirol, Innsbruck), hat aus diesen für den Architekturpreis und für das Förderstipendium die Sieger*innen ausgewählt. 17 qualitätvolle Bauten wurden in die Engere Wahl aufgenommen. Drei Projekte erhielten schließlich, neben dem*der Preisträger*in, eine Auszeichnung.

Bettina Siegele formuliert als Jurymitglied zur Wahl des Siegerprojekts:

"Mitten im Gewerbestandort Bergheim, in den ehemaligen Hallen des Versandriesen Universal, verwandelten smartvoll Architekten ein sperriges Industrieerbe ohne jeglichen historischen Charme und gewaltigen Leerstand mit einer Nutzfläche von 65.000 m2, in ein modernes und zukunftsfittes Areal für Produktionsstätten, Labors, Büros und Gastronomie.

Während an der Außenhülle nur minimale Eingriffe vorgenommen wurden, liegt der Fokus auf der Adaptierung des Innenraumes. In den beiden fertiggestellten Hallen 2 und 4 zogen smartvoll Architekten Ebenen ein und verdichteten auf diese Weise die Innenräume des ehemaligen Hochregallagers und schufen durch die geschickte und durchdachte Anordnung der Plattformen räumlich ansprechende Gefüge. Dabei machten sie sich auch die vorhandenen Qualitäten der Hallen, wie die Raumhöhe, die rohen Materialien und großen Stützenraster zunutze. Der Verzicht auf klassische Geschosse und das Einziehen von Atrien sorgt für eine offene Atmosphäre und maximale Tageslichtnutzung in den gegebenen Strukturen der beiden Hallen.

Räumliche Diversität im massiven Komplex: Für beide Hallen wurde jeweils ein individuelles Erscheinungsbild entworfen und somit eine räumliche Diversität innerhalb des massiven Komplexes erreicht. Trotz der enormen Nutzfläche ist es gelungen, einen Innenraum zu kreieren, der den menschlichen Maßstab spürbar berücksichtigt. Die zuerst fertiggestellte und bereits bezogene Halle 4 öffnet sich an der hinteren Fassade über eine große Glasfläche dem dicht bewachsenen Wald des Plainberges. Die nach innen versetzten Betondecken geben den Blick frei auf die schwarzen Stahlträger, lassen Tageslicht in das Gebäude hinein und vermitteln ein lockeres Raumgefüge. Das zwischen Bodenplatte und Wand gespannte Netz dient nicht nur als Absturzsicherung, sondern trägt zudem zu einer entspannten und unkonventionellen Atmosphäre bei. Die sichtbar verlegte Haustechnik, schwarze Stützen und Träger sowie die zahlreichen Details, die mit einer industriellen Ästhetik spielen, sorgen für einen modernen Look, der sich weder aufdrängt noch aufgesetzt wirkt.

Adaptiver Re-Use Gedanke konsequent verfolgt: Handelszentrum 16 ist nicht die erste erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Bauherrn Marco Sillaber und smartvoll Architekten, bei der der adaptive Re-Use-Gedanke konsequent verfolgt wurde. Als Jury waren wir beeindruckt vom Mut dieses Projektes, sich dieser augenscheinlich unattraktiven Industriebrache anzunehmen, ihrer enormen Größe zu trotzen, sich darin einzunisten und eine ansprechende Architektur mit gesellschaftlichem Mehrwert zu schaffen. Vielerorts werden solche Strukturen dem Verfall überlassen oder abgerissen. Das Handelszentrum 16 zeigt, wie es besser geht: ein smartes Re-Use-Projekt und ein herausragendes Beispiel für nachhaltige Architektur auf hohem Niveau.“

Zur Vergabe des Förderstipendiums an Özgül Coban-Nagels heißt es: "Die Vermittlung von Architektur, einschließlich ihrer künstlerischen, technischen und ethischen Aspekte, ist entscheidend für das Verständnis unserer gebauten Umwelt. Besonders junge Menschen sollten aktiv ihre Umgebung erkunden, um Baukultur zu begreifen und sich zu verantwortungsbewussten Individuen zu entwickeln."

Am 26.9.2024 fanden in Salzburg die Preisverleihung und die Präsentation der Publikation statt. Die 64-seitige Publikation kann über das Büro der Initiative Architektur, office@initiativearchitektur.at, Tel. +43-622-87 98 67, erworben werden. 

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