27/08/2011
27/08/2011

Zeitschrift „Zuschnitt 42“ (Obendrauf, Juni 2011; Seite 18f) - zur Vergrößerung auf das Bild klicken. Zu diesem Artikel gelangen Sie auch über den Link am Ende dieser Seite.

Nach der Lektüre eines Artikels in der Zeitschrift „Zuschnitt 42“ (Obendrauf, Juni 2011; Seite 18f) über eine Nachverdichtung in Graz finde ich es notwendig, als Grazer Architekt darauf zu reagieren. DI.in Ida Pirstinger, Assistentin am Institut für Gebäudelehre der TU Graz, beschreibt die Möglichkeiten einer innerstädtischen Verdichtung anhand von zweigeschoßigen Aufstockungen von Gründerzeitblöcken.

Auch wenn Ida Pirstinger von gesamtheitlicher Gestaltung von Blöcken spricht (was organisatorisch erst zu bewältigen sein wird), bezweifle ich die Erreichung einer qualitativen Gesamterscheinung. Vor allem stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit dieser Aktion:
- Über „Reininghaus“ mit prognostizierten 10.000 Wohneinheiten wird nun seit 10 Jahren spekuliert.
- Innerhalb der Stadtgrenzen steht Bauland in der Größe von 1000 ha zur Verfügung, was lt. Baulandbilanz 2002 ca. 2200 Ein- und Zweifamilienwohnhäusern und 26.000 Wohneinheiten entspricht.
Jedoch ist es überhaupt nicht sinnvoll, die Stadt Graz nur innerhalb der bestehenden Stadtgrenzen zu diskutieren.

Einer notwendigen Verdichtung im städtischen Bereich steht eine unüberschaubare Einfamilienhauswüste im Umland gegenüber. Als Staatsbürger subventionieren wir jährlich diese Zersiedelung durch Förderung von Einfamilienhäusern, tausende Kilometer an Erschließung (Straßen, Kanal, Wasser, Strom etc.), die Pendlerpauschale und die mobilen Dienste, die wir den vereinsamten Siedlern hinter den Thujenhecken nachschicken.
Sollten wir nicht einer dezentralen Konzentration den Vorzug geben und unser ganzes Augenmerk auf eine vorbildhafte öffentliche Verbindung zwischen den „Knotenpunkten“ legen?

Eine Stadt Graz – Maribor, schon sehr oft andiskutiert, doch noch nie in Angriff genommen, könnte so ein Ansatz sein: Zwei Altstädte mit funktionierenden kulturellen Schwerpunktsetzungen, an den Endpunkten eine große Ebene dazwischen, der Wildoner Berg mit seiner 5000- jährigen Geschichte in der Mitte. Diese Stadt hätte eine Seitenlänge von ca. 60 Kilometern und das Potential einer Dreimillionenstadt. Mit einer zeitgerechten Hochleistungsstrecke ist die Distanz Graz – Maribor spielend in 25 Minuten bewältigbar.

Dies nur als Beispiel dafür, dass wir in Graz in nicht zu engen Dimensionen denken sollten. In einer Zeit, wo über Gemeindezusammenlegungen gesprochen werden darf, sollte endlich auch über Utopien nachgedacht werden. Ich möchte in einer Stadt leben, in der ich mich am Nachmittag entscheiden kann, ob ich beim „Lendwirbel“ in Graz mitmache oder zum „Festival Lent“ nach Maribor fahre, ohne an ein Auto denken zu müssen. Ich möchte in einer Stadt leben, wo anstatt kleinlicher Verdichtungsideen, wie diese Aufstockung von Gründerzeithäusern, größere Entwicklungsszenarien angedacht werden.
Ein Appell an den Respekt vor Bestand und Mut zu neuen Ufern – von der Mur zur Drau.

Ich befürchte, dass bei einer „Freigabe der Dachlandschaft“ vorwiegend merkantile Interessen verfolgt werden. Ich misstraue hierbei auch den Entscheidungsträgern im Wohnbau Graz, dass eine derartige Chance gestalterisch positiv umgesetzt werden kann.

Graz, am 25.07.2011
Arch. Werner Nussmüller

Kontakt: buero@nussmueller.at

Verfasser/in:
Arch. DI Werner Nüssmüller, Leserkommentar
Arch. Elisabeth Lechner

Klare Absage an die Idee von Aufstockungen und Hofeinbauten bei Gründerzeitverbauungen! Der Kritik von Werner Nussmüller kann ich nur zustimmen. Architekten sollten nicht Handlanger von reinem Verwertungsinteresse werden. Die Grazer Gründerzeitbebauungen gehören zu den schönsten dieser Epoche, daher sollten sie in ihrer Qualität bewahrt werden und nicht einer Verdichtung zum Opfer fallen.

Fr. 26/08/2011 1:49 Permalink
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