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Graz

"Methods of social resistance on Russian examples", 2012 zu <strong>Truth is concrete</strong>

©: Anna Jermolaewa

<strong>Festivalzentrum</strong> und Ort diverser Veranstaltungen im steirischen herbst 2012

©: raumlabor berlin

Ein 7-Tage/24-Stunden Marathon-Camp zu künstlerischen Strategien in der Politik und politischen Strategien in der Kunst.
Kunst ist ein linkes Hobby (Geert Wilders)

Die Welt ändert sich schneller, als wir folgen können: Der Aufstieg der populistischen Rechten, finanzielle Kahlschläge, die das gesamte europäische Projekt bedrohen, strukturelle Zerstörung von Bildung und Kultur, demokratische Aufstände, islamischer und christlicher Fundamentalismus, Umweltkatastrophen – wo anfangen, wo aufhören? Welche Rolle aber spielt Kunst in diesem Rausch von Ereignissen, dem wir kaum folgen und den wir noch weniger verstehen können?

Wir haben gelernt, dass es keine einfachen Antworten mehr gibt. Wir trauen keinen Ideologien, folgen aber der Ideologie des Kapitalismus. Wir wissen, dass alles kontingent und relativ ist. Wir ersetzen Kritik durch Kritikalität, Politik durch das Postpolitische, die Moderne durch die Postmoderne und Kapitalismus durch Mehrwert. Wenn aber die Antworten zu kompliziert werden, dann wächst das Bedürfnis nach einfachen Lösungen. Und wir – vielleicht tatsächlich linke Hobbyisten – haben, wie es scheint, den Kontakt mit einer breiteren Basis verloren.
Was also tun? Muss Kunst dazu beitragen, jene Probleme zu lösen, die Politik und Gesellschaft so lange ignoriert haben? Soll Kunst ein soziales oder politisches Werkzeug, kann sie nützlich sein?

„Die Wahrheit ist konkret“ stand in großen Buchstaben über Bertolt Brechts Schreibtisch im dänischen Exil – Lenin zitierend, Hegel zitierend, Augustinus zitierend. Wir nutzen die Möglichkeit konkreter Wahrheit als Arbeitshypothese und suchen nach direktem Handeln, konkretem Wandel und Wissen. Nach einer Kunst, die sich in spezifische politische und soziale Kontexte einmischt, und nach einem Aktivismus, der nach intelligenten, kreativen Mitteln der Selbstermächtigung sucht.

„Truth is concrete“ ist ein 7-Tage/24-Stunden Marathon-Camp: Rund 250 Künstlerinnen und Künstler, Aktivistinnen und Aktivisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tragen vor, performen, spielen, produzieren, debattieren, sammeln künstlerische Strategien in der Politik und politische Strategien in der Kunst. Tag und Nacht. Im Rahmen eines Stipendienprogrammes werden zudem 100 junge Studierende, Künstler, Aktivisten und Theoretiker aus aller Welt eingeladen. „Truth is concrete“ ist eine Plattform, eine Werkzeugkiste ebenso wie ein performatives Statement; eine extreme Anstrengung in einer Zeit, die extreme Anstrengungen zu erfordern scheint.
Das Camp ist ein Lebensraum auf Zeit: hier die Schlafräume, da die herbst-Ausstellung, dort die Küche, daneben die Bibliothek. Die Videothek neben dem Friseur. Camp-Radio, Reden-Karaoke, Plenum. Jederzeit und für alle offen, Tag und Nacht. Manche bleiben ununterbrochen, aber jeder ist eingeladen, jederzeit zu kommen: für einen Vortrag, ein Stündchen, noch ein Stündchen, für eine Diskussion, eine Performance, ein Konzert, einen Film – die Türen sind immer offen, solange Platz ist.

Veranstaltungsort
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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