13/05/2025

Autor Wenzel Mraček macht sich dieses Mal ins Kunsthaus Graz auf und reflektiert seine Erwartungen an die bis 25. Mai laufende Ausstellung Poetics of Power.

13/05/2025
©: Zita Oberwalder

Vajiko Chachkhiani, „Lower than the Sky“, 2021, Filmstill, Foto:

©: Wenzel Mraček

Lukas Marxt, „Fat Man 1:1“, 2023, Foto: 

©: Wenzel Mraček

Goshka Macuga, „The Nature of the Beast“, 2009, Detail, Foto:

©: Wenzel Mraček

Yael Bartana, „Two Minutes to Midnight“, 2021, Filmstill, Foto:

©: Wenzel Mraček

Hannes Priesch, „How to March“, 2024, Filmstill, Foto:

©: Wenzel Mraček

Die leidige Frage, ob die Welt durch Kunst verbessert werden kann, lassen wir hier einfach unbeantwortet. Man käme vom Hundertsten ins Tausendste. Alles, was Welt sein könnte, kann aber die Kunst verändern und vice versa, indem Kunstwerke aufzeigen, aufmerksam machen, persönliche Haltungen infrage stellen, etwa Bilder des im weitesten Sinn Unzureichenden verbreiten …

Im Sinn der Semiotik bildete (Konjunktiv) die Kunst Zeichen, über die kommuniziert wird, die Rezipienten also etwas vermitteln und infolgedessen zur Disposition gestellt werden.

Im rezenten Fall der Ausstellung Poetics of Power vermitteln Kunstwerke Wissen um Sachverhalte und Ereignisse, die von Machtverhältnissen handeln, dabei aber keinesfalls Anleitung sind, die Welt in irgendeiner Weise in etwas Besseres zu führen. Oder gar, weil dem Wolkenschaufler die Sentenz eines Grazer Kulturstadtrates nicht aus dem Kopf gehen will, der bald auch für lange Jahre den Bürgermeister geben sollte, um schließlich seine „schützende Hand“ von der Stadt zu nehmen, … – … all so (sic.) bestimmte jener anlässlich einer Ausstellungseröffnung: „Die Kunst hat die Aufgabe, das Leben schöner zu machen!“

Benützen Sie bitte für wenige Augenblicke die folgende Leerstelle, solchem Diktum hinterher zu denken: … – …

Jetzt aber medias in res. Auf einem Video sind zwei schon ziemlich ramponierte Schiffe im Meer zu sehen, die sich langsam, langsam der Kamera nähern. Dann sind auf beiden Schiffen viele Menschen zu erkennen, die auf die Kamera blicken. Ein vermeintliches Ziel aber erreichen die alten Fischerboote in dieser Sequenz nicht. Sie drehen ab und entfernen sich wieder. Wo dieses Ereignis stattgefunden hat, erfahren wir nicht. Der georgische Künstler Vajiko Chachkhiani zeigt nur, was an Bootsflüchtlinge, Flüchtlinge – irgendwo auf der Welt – erinnert.

„Die Ausstellung Poetics of Power“, schreiben die Kuratorinnen Andreja Hribernik und Nini Palavandishvili im Begleitheft, „zielt darauf ab, Machtmanifestationen aufzudecken, die in Symbolen, Gesten und bestehenden unhinterfragten Beziehungen oder Systemen verborgen sind.“

Zwei Minuten vor Mitternacht zeigt eine Uhr im Hintergrund eines von Yael Bartana inszenierten Videos, in dem sich eine weiblich besetzte Regierung am runden Tisch vom bevorstehenden Atomschlag einer feindlichen Nation bedroht sieht. Es sind Darstellerinnen und wirkliche Politikerinnen, die in einer Kulisse wie in Kubricks Dr. Strangelove: Oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964) darüber debattieren, ob man eine Politik des Abrüstens weiterführen kann, wenn man der akuten Bedrohung ausgesetzt ist.

Bedrohung wodurch zeigt eine Installation des Steirers Lukas Marxt. Fat Man 1:1 ist ein in Styropor und Glasfasern nachgebildetes Modell der am 9. August 1945 auf Nagasaki abgeworfenen Bombe. Sieben Jahre lang hat Lukas Marxt den Salton Sea und dessen Umgebung in Kalifornien erforscht, das Gebiet, in dem während des 2. Weltkrieges Atombomben getestet wurden. Daraus gingen Videomaterial, Objekte und Archivdokumente hervor.

Die Arbeiten der Ausstellung stammen von 18 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, wobei sich meine Befürchtung gegenüber Themenausstellungen, in denen Kunstwerke anstatt ihres ursprünglichen in einen neuen, oft kuratorisch willkürlichen Kontext gezwungen erscheinen, hier als völlig unbegründet erweist. Etwa thematisiert die Polin Goshka Makuba die Instrumentalisierung von Kunst im Kontext politischer Machtverhältnisse in ihrer Installation The Nature of the Beast: In Reaktion auf den deutsch-italienischen Luftangriff auf die baskische Stadt Guernica 1937 malte Pablo Picasso im selben Jahr das gleichnamige Tafelbild. Nach Ausstellung des Gemäldes, 1939 in der Whitechapel Gallery, wurde es bald als künstlerisch-politisches Statement gegen Krieg und Faschismus interpretiert. Nelson Rockefeller ließ 1955 eine Reproduktion als Teppich anfertigen, der seit 1985 im Eingangsbereich des UNO-Sicherheitsrats in New York angebracht ist. Als der damalige US-Außenminister Colin Powell 2003 eine Rede zum bevorstehenden Angriff auf den Irak hielt, wurde der Bildteppich mit einem blauen Vorhang verhüllt. Die Künstlerin Goshka Makuga wiederum fertigte eine Tapisserie nach einem Foto, dass sie 2009 während eigener Ausstellung in der Whitechapel Gallery aufgenommen hatte. Foto wie Tapisserie zeigen nun Prinz William, der dort – und vor der Rockefeller-Replik von Guernica – eine Pressekonferenz gab, dabei Guernica sichtbarer Hintergrund einer abermals politischen Stellungnahme war.

Von Gleichschritt und Auflösung des Individuums im gleichgerichteten Verband schließlich handelt eine Videocollage des aus den USA in die Steiermark zurückgekehrten Hannes Priesch in der Needle des Grazer Kunsthauses. Patriotische Einheit, Stärke und Kontrolle politischer Systeme werden durch die Bilder von Militärparaden und Aufmärschen vermittelt.

Poetics of Power, bis 25.5. im Kunsthaus Graz.

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