14/01/2025

Wenzel Mraček widmet sich mit seinem neuesten Wolkenschaufler den Arbeiten Barbara Höllers und beschreibt, wie diese in ihrer prozesshaften Machart nach und nach entstehen – auch eine Geschichte über Zeit und deren Sichtbarkeit. 

Barbara Höller: „generated by repetition“. 
Bis 15. Februar 2025 in der Galerie Marenzi, Bahnhofstraße 14, Leibnitz

14/01/2025

Barbara Höller, Ausstellungsansicht (Foto: Marenzi)

©: Galerie Marenzi

FLOW DOWN (2017) (Foto: Mraček)

©: Wenzel Mraček

Axes of Chance (2024) (Foto: Mraček)

©: Wenzel Mraček

Paperscan (2014) (Foto: Mraček)

©: Wenzel Mraček

NORMFALTUNG A0 (2013) (Foto: Mraček)

©: Wenzel Mraček

Rolling Test Tube (2014) (Foto: B. Höller)

Ein wie mit Lineal gezogenes Netz weißer Linien ist in der Serie FLOW DOWN (2017) rasterartig vor karminrotem Grund aufgebracht. Auf der zweidimensionalen Fläche des Bildes scheint es, als trete eine Gitterstruktur in gewissen Bereichen plastisch vor den Malgrund. Eine Demonstration von Schein und Sein, die sich aus speziellen Methoden der Erstellung eines malerischen Bildes ergibt. Durchwegs nämlich entwickelt Barbara Höller ihre Kunstwerke nach zuvor festgelegten Verfahren. Die schließlich entstandene Form der jeweiligen Arbeit ist dabei immer dem Prozess geschuldet, dem zunächst keine Vorstellung des Bildes oder der Plastik zugrunde liegt.

Für die derzeit laufende Ausstellung in der Leibnitzer Galerie Marenzi haben die 1959 geborene Wiener Künstlerin und Kurator Klaus-Dieter Hartl malerische, plastische und fotografische Werke aus dem Zeitraum 2013 bis 2024 ausgewählt, die deutlich konzeptueller Kunst zugeordnet werden können, nachdem die Ausfertigung immer nach spezifischen „Handlungsanweisungen“ erfolgt.

So geht der Serie FLOW DOWN die Suche nach den adäquaten Materialien voraus: Polyestergewebe von bestimmter Konsistenz ist der Malgrund, auf den Acrylfarbe aufgebracht wird, die so angemischt wurde, dass sie zugleich gut fließt und deckt, also eine bestimmte Viskosität aufweist. In regelmäßigen Abständen werden am Rand des Keilrahmens mit einer Spritze Farbmengen aufgebracht, die nun über die senkrecht positionierte Tafel fließen. Aufgrund der Schwerkraft freilich und, wie es Barbara Höller erklärt, „in Richtung des Erdmittelpunktes“, fließt eine schnurgerade Farblinie. Der Vorgang wird mehrfach wiederholt, wobei der Bildträger für jede Linie gedreht und wieder senkrechtes Fließen an andere Stelle ausgelöst wird. Aufgrund der Materialkonstellation, des Flüssigkeitsgrades der Acrylfarbe, ergibt sich ein weiterer Effekt, nach dem die gerade fließende Linie die schon vorhandenen aufgrund Adhäsion nicht einfach schneidet, sondern in gewissen Bereichen an diesen entlang, sich löst und wieder in die Senkrechte fließt. Aus etlichen Wiederholungen des Vorgangs ergibt sich die Bildstruktur, der keine Komposition vorausgeht.

Im Sinn erweiterter oder konzeptbasierter Malerei kann auch eine andere Serie von Tafelbildern beschrieben werden. Auf den ersten Blick erscheinen Beispiele aus dem Zyklus Axes of Chance (2024) den oben genannten sehr ähnlich. Wieder ist es eine lineare Struktur vor monochromem Grund. Für deren Entstehen aber hat Barbara Höller mehrere Personen gebeten, ein Lineal auf eine auf dem Boden liegende Leinwand hinter deren Rücken zu werfen. Aus der Position des geworfenen Lineals wird jeweils eine Gerade – nun wirklich mit Lineal – über die gesamte Fläche des Malgrunds gezogen. Abermals wird der Vorgang mehrmals wiederholt und führt schließlich in das finalisierte Bild, dem Wiederholung eines vereinbarten Vorgangs und Teilnahme mehrerer Personen vorangehen. Die Autorschaft des Bildes ist damit eigentlich aus dem Entwurf des Verfahrens gegeben.

Einem Feld der Fotografie – oder wiederum erweiterte – könnte man Arbeiten wie Paperscan (2014) zuordnen. Barbara Höller „fotografiert“ mit dem Flachbettscanner. Ein Blatt Papier wird mehrfach gefaltet und eingescannt. Durch die Faltungen ergeben sich während des Scans verschiedene Schärfentiefen, das gedruckte Ergebnis, das Blatt, wird abermals gefaltet, wieder gescannt und so fort. Aus der Folge von solchen Zustandsdrucken entsteht schließlich ein stark abstrahiertes und gewissermaßen vom Motiv (gefaltetes 1. Blatt) weit entferntes, gleichwohl zweidimensionales Bild, in dem – der Logik folgend – dreidimensionale Strukturen ab-gebildet sind.

Ein anderes Beispiel, in dem Proportionen auf ähnliche Weise – und wieder mittels Wiederholungen von Vorgängen – wie dekliniert erscheinen, heißt NORMFALTUNG A0 (2013)Zunächst wurde ein weißes Blatt Papier im Format DIN A4 viermal gefaltet, dann wieder geöffnet und gescannt. Durch die sichtbaren Falze im Ausdruck sind nun 16 etwa gleich große Flächen im Format A8 zu erkennen. Das Bild des Scans wurde nun digital auf das Format DIN A0 vergrößert und auf Polyester-Stoff gedruckt. Die Flächen auf der Vergrößerung entsprechen hier jeweils wieder dem Format A4. Die NORMFALTUNG A0 ist ein Spiel um Wirklichkeit und das Bild von Wirklichkeit, wenn sich nun – im Vergleich zum Motiv des A4-Blattes und den sich darauf abzeichnenden 16 Flächen – auf dem finalen Werk der Dimension A0 16 Flächen im Format A4 abzeichnen.

Und schließlich noch zur Reihe Rolling Test Tube (2014) für die Eprouvetten mit grünem, rotem und blauem Waschmittel gefüllt wurden. Die Glasröhrchen wurden auf den Scanner gelegt. Während der Leuchtbalken über die Fläche fährt, wurde der Scanner bewegt. Während eines Scanvorgangs (Belichtungszeit) werden mehrere Bilder desselben Objekts aus verschiedener Perspektive aufgenommen und es ergeben sich mehrere Ansichten der einen Eprouvette. Im letztlich selben Bild wirken die Aufnahmen nun wie von verschiedenen Objekten. Wirklichkeit, könnte man gegenüber diesen Bildern im Sinn des philosophischen Konstruktivismus so erfahren, ist eine Frage des Standpunktes.

Barbara Höller: „generated by repetition“. Bis 15. Februar 2025 in der Galerie Marenzi, Bahnhofstraße 14, Leibnitz

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