10/12/2024

Wenzel Mracek in der Dezember-Ausgabe seiner Kolumne über die Ausstellung Ahorn im Salz. Zur Poetik der Kunst, Salz zu gewinnen von Wolfgang Buchner. Zu sehen bis 9. Februar 2025, Neue Galerie Graz, studio, im Joanneumsviertel Graz.

10/12/2024

„Bohrwerk“, Wolfgang Buchner

©: Wenzel Mraček

„Ahorn 7“, Wolfgang Buchner, 2024

©: Wenzel Mraček

„Die Saline des Falken“, Wolfgang Buchner, 2002

©: Wenzel Mraček

„Rotmoos“, Wolfgang Buchner, 31. Juli 1992

©: Wenzel Mraček

„Gradierwerk, 19. Jhd.“, Wolfgang Buchner mit Reinhard Metzenrath, 1980

©: Wenzel Mraček

Unter anderem sind es Modelle von Vorrichtungen und Maschinen, die einst zur Salzgewinnung verwendet wurden. „Poetische Modelle“ nennt sie der 1946 in Mürzzuschlag geborene und in Graz lebende Künstler Wolfgang Buchner, weil es sich zum Teil um Nachbildungen historischer Anlagen handelt beziehungsweise sind es fiktive Konstruktionen, die auf literarischen Motiven beruhen. „Die Saline des Falken“ beispielsweise, ein poetisches Modell, das erstmals im steirischen herbst 2002 zu sehen war, ist eine Art Konglomerat aus in Beziehung gesetzten Proportionen des Jerusalemer Felsendoms und dem ebenfalls oktogonal angelegten Castel del Monte des Stauferkaisers Friedrich II. in Apulien. Zudem besteht in Buchners Modell eine Korrespondenz zur kubischen Form der Natriumchlorid-Struktur, die wiederum nach achteckigen Gittern aufgebaut ist. Zwar wird bis heute in Apuliens Meeressalinen Salz gewonnen, das Modell inklusive Salinenareal aber zeigt eine architektonisch technische Fiktion, deren Errichtung im 13. Jahrhundert nach Buchners Recherchen möglich gewesen sein könnte. Wenn der Kaiser im Titel der Arbeit als „Falke“ bezeichnet wird, ist das wiederum ein Verweis auf das Falkenbuch (De arte venandi cum avibus; Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen), ein Lehrbuch über Beizjagd und Vogelkunde, das zwischen 1241 und 1248 von Friedrich II. verfasst wurde.

Nach Studien der Philosophie, Ethnologie und Naturwissenschaften an der Universität Graz zeugt die Werkgeschichte Wolfgang Buchner seit den frühen 1970er-Jahren vom durchwegs poetischen Zugang zu Prozessen in der Natur, die untersucht und in subjektive Kontexte gesetzt werden. „Schneewerke“ etwa entstanden zu Anfang der 1980er-Jahre. Papierskulpturen in fragilem Gerüst „deklinieren“ Zustandsformen des Wassers. Mit den „Schneekästen“ nimmt Buchner, ebenfalls in den 80er-Jahren, Bezug zur Kristallografie des Schnees und zugleich zu Leben und Werk von Wilson A. Bentley, der 1885 die ersten Fotografien von Schneekristallen machte.

In der rezenten Ausstellung im studio der Neuen Galerie Graz befasst sich der Künstler einmal mehr mit Geschichte, Technologie und Phänomenen der Salzgewinnung, teils dokumentarisch und teils mit neuen (2024) abstrakten Skulpturen in Vitrinen mit dem Titel Ahorn. Die in den Skulpturen zu erkennenden Ahornblätter stehen für die Assoziation zum Ahornberg-Stollen des Bergwerks Aussee, in dem im 12. Jahrhundert ein Salzlager entdeckt wurde. Damit verbunden ist auch der Titel der Ausstellung, Ahorn im Salz.

Historische Kartenwerke leiten den Gang durch die Schau ein. Die Originale, zur Verfügung gestellt vom Landesarchiv Graz, zeigen beispielsweise die „Mappa der Bergwerksanlagen im Bereich des Ischler und Ausseer Sandlings“, eine geografische Karte, die 1723 von Georg Steyer angelegt wurde und nach darauf zu lesender Bildlegende wiederum nach einer 60 Jahre älteren Vorlage gezeichnet worden war. Diesen stellt Buchner eigene, fragil anmutende Bleistiftzeichnungen gegenüber, wie die von Rotmoos (1992, Mariazell) oder Hallstadt (1991), als wollte er die heutigen Landschaften mit denen der Kartenwerke vergleichen. Surreal fantastisch und kubistisch, mit kristallin erscheinenden Formen wirken dagegen seine Malereien wie Erzberg (1985) oder Rotsalz im Herbstberg (2006). Diese wieder korrespondieren mit einem gefundenen Stück Rotsalz aus dem Salzbergwerk Altaussee.

Das Modell eines Gradierwerks, 1980 gemeinsam mit Reinhard Metzenrath ausgeführt, widmet Buchner dem Dichter Novalis, Friedrich von Hardenberg (1772 – 1801). Novalis war ab 1796 Akzessist in der Salinendirektion von Sachsen-Anhalt. In seinen „Schriften und Dokumenten zur Berufstätigkeit“ beschrieb Novalis 1799 die „Gradirung“ (sic.) beziehungsweise die dafür nötigen Verdunstungsanlagen, wie sie dem Modell Buchners entsprechen und nannte sie „Kunstzeug“. „Sole aus Salzquellen rinnt über 10 Meter hohe Wände aus Reisig. Durch Wind verdunstet Wasser. Unten sammelt sich hoch konzentrierte Sole, die weiter zu Sudpfannen geleitet wird“ (Buchner, Legende am Modell).

Und wieder gibt es einen Bezug zum Stauferkaiser Friedrich II. Das Modell Bohrwerk ist ein „poetisches“, wenn Buchner daran eine „fiktive Erzählung vom Stauferkaiser“ nennt. Solches Bohrwerk – vier Windräder treiben über Getriebe einen zentralen Gesteinsbohrer – habe der Kaiser im 13. Jahrhundert bauen lassen.

 

Ausstellung Wolfgang Buchner. Ahorn im Salz. Zur Poetik der Kunst, Salz zu gewinnen. Kuratiert von Günther Holler-Schuster, bis 9. Februar 2025, Neue Galerie Graz, studio, Joanneumsviertel, Graz.

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