Hot town, summer in the city
Back of my neck gettin' dirty and gritty
Been down, isn't it a pity?
Doesn't seem to be a shadow in the city
All around, people lookin' half dead
Walkin' on the sidewalk, hotter than a match head
(Lovin’ Spoonful, Summer in the City, 1966)
Datiert mit 25. April 2024 haben knapp 400 Proponenten einen offenen Brief „zur Erhaltung des Michaelerplatzes“ an den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig unterschrieben.
Die Arbeiten zur Adaptierung haben inzwischen begonnen. Laut Beschreibung der Stadt Wien soll eine „Klimafitte Umgestaltung“ vorgenommen werden. Neun Bäume sollen gepflanzt, Gräserbeete angelegt werden, vor dem Looshaus wird ein „großes Wasserspiel mit 52 Bodendüsen“ installiert, dazu fünf Trinkhydranten. Fiakerstandplätze werden von bisher 13 auf vier reduziert, eine helle Natursteinpflasterung soll nun Niederschlagswasser versickern lassen, zudem wird das neue Pflaster rollstuhlgerecht sein, ergänzt durch ein taktiles Leitsystem für blinde und sehbehinderte Personen. Alles, so Stadträtin Ulli Sima in einer Presseaussendung, um das Mikroklima im Bereich des historischen Platzes angesichts des Klimawandels zu verbessern. Mit Jahresende soll der Umbau abgeschlossen sein, wobei hinsichtlich des Denkmalschutzes besonders auf die Platzgestaltung von Hans Hollein (1991/92, betreffend den Bereich der Ausgrabungen des römischen Lagerdorfes) Rücksicht genommen wird beziehungsweise auf die Blickachse vom Kohlmarkt auf die Michaelerkuppel der Hofburg.
Glauben wir nun einem Rendering der Stadt Wien, das die Situation nach diesen Eingriffen avisiert, wirken die fraglos aufwendigen Maßnahmen hinsichtlich des Erscheinungsbildes doch einigermaßen moderat. Nichtsdestotrotz wird im offenen Brief moniert, dass die „Bestrebungen der Stadt Wien“ zwar grundsätzlich zu begrüßen seien, diese aber die Wirkung des historischen Ensembles – Michaelertrakt der Hofburg von Fischer von Erlach, das Looshaus, Gestaltung von Hans Hollein – „zerstören“.
„Der Michaelerplatz ist ein urbaner Raum, dessen Wirkung wesentlich vom Zusammenspiel der ihn umstehenden Bauten ausgeht. Stellt man Bäume und Wasserspiele davor und dazwischen, so wird mit dem räumlichen Bezugssystem der Bauten auch deren Lesbarkeit schwer beeinträchtigt, der Platz verliert seinen urbanen Charakter als großzügige ‘Leerfläche’ im dichten Stadtgefüge.“ Eine Leerfläche, auf der seit Gestaltung 1889 bis 1893 Pflaster und Beton dominieren – freilich durchaus „urban“. Was aus Sicht der Proponenten heute das „historische Ensemble“ beeinträchtigt, müsste vergleichsweise schon 1909 bis 1911 mit dem von Adolf Loos für die Firma Goldman & Salatsch entworfenen Haus eingetreten sein oder mit Holleins Eingriff um die Ausgrabungen zwischen Hofburg und Looshaus 1991/92. Nun sollen, wohl in Pflanztrögen, ein paar Bäume in der Absicht wesen oder (hoffentlich) wachsen, die bisher erfahrene Sommerhitze zu mildern.
Eine „katastrophale Beeinträchtigung“ des ohnehin „risikogefährdeten ‘Weltkulturerbe-Status’“ befürchtete der renommierte Kunsthistoriker Richard Bösel in einem Kommentar (Der Standard, 19. Juli 2023). Bösel war unter anderem Kurator der Architekturabteilung der Graphischen Sammlung Albertina und ist Mitglied des Österreichischen Denkmalbeirats. Das „freizeitfreundliche Umgestaltungsvorhaben“ am Michaelerplatz, meint Bösel, könnte man als „pseudoökologischen Gewaltakt gegen die Urbanität einer Metropole“ bezeichnen. Der Platz lebe von verschiedenen Blickachsen, jeder „Eingriff in seine Raumgestalt, jeder vor die Fassade eines umstehenden Gebäudes gepflanzte Baum, vor allem aber jegliche Art von Freizeitmöblierung, Wasserspielen und Pflanzentrögen würden ihn in seinem innersten Wesen pervertieren und seinen historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Stellenwert zutiefst missachten“. Mehr noch, „Touristinnen und Touristen aus aller Welt“, die sich „imperiale Größe und Würde erwarten“ wären „von der Peinlichkeit eines offensichtlichen stadtplanerischen Missverständnisses gewiss ‘nachhaltig’ irritiert“. Wie Bösel verweisen auch die UnterzeichnerInnen des offenen Briefes an den Wiener Bürgermeister auf andere Orte respektive Plätze in der Stadt, an denen man solche Klimakompensation vornehmen könnte und der Tenor klingt deutlich nach dem Floriani-Prinzip: andernorts freilich, hier aber nicht.
Nach dem stets präferierten Äpfel-mit-Birnen-Prinzip denkt der Wolkenschaufler an eine nun gut vor zwei Jahren eingetretene Situation in Graz. Neueste Einträge dazu stammen immerhin aus dem Februar 2023. Demnach soll der Baustart einmal im Jahr 2023, dann im vierten Quartal 2024 erfolgen. Aktuelleres konnte nicht wahrgenommen werden, weshalb hier der Stand vom Februar des Vorjahres folgt.
Nach Erstellung des Gesamtkonzepts „Masterplan Grazer Burg“ durch Abteilungen des Landes Steiermark beschloss die Landesregierung in der Sitzung am 12. August 2021 die Planungsvorbereitungen zur Revitalisierung der „historischen Zonen“ der Grazer Burg. Nach dem Ziel des Masterplans, den Gebäudebestand, die Höfe und Fassaden entsprechend ihrer geschichtlichen Bedeutung aufzuwerten respektive zu attraktivieren, wurde im Frühjahr 2022 ein EU-weit offener Realisierungswettbewerb ausgelobt. Bisher nicht zugängliche Räume sollen geöffnet und die drei bisher gepflasterten Burghöfe entsiegelt und neu gestaltet werden. Dabei soll auch ein neues Verkehrs- und Stellplatzkonzept erarbeitet werden, während frühe Überlegungen zum Bau einer Tiefgarage für bis zu 140 Fahrzeuge schon im Herbst 2021 ad acta gelegt wurden. Die Kosten des Bauvorhabens werden mit rund 30 Mio. Euro veranschlagt, 50 Prozent davon übernimmt der Bund, versicherte LH Hermann Schützenhöfer 2021 bei der Präsentation des Masterplans.
Zum Wettbewerb hatten 20 Planungsteams ihre Konzepte eingereicht. Nach Entscheidung der Jury unter Vorsitz von Walter Angonese und Simona Malvezzi wurden die Entwürfe des Architekturkollektivs von Valentin Spiegel-Scheinost und Tobias Brown (EXPEDIT Studio für Architektur, Graz) und der auf Landschaftsarchitektur spezialisierten Bernhard König und Lisa Enzenhofer (Green4Cities, Wien) mit dem ersten Preis bedacht.
Am 7. Februar 2023 dann präsentierten LH Christopher Drexler und LH-Stv. Anton Lang die Ergebnisse des Wettbewerbs in der gotischen „Einsäulenhalle“ des Friedrichtrakts der Burg, einem der Räume, die seit Jahrzehnten als Lager genutzt wurden und der Öffentlichkeit bislang nicht zugänglich waren. Die Ausstellung der Preisträger-Projekte sowie der nach gereihten lief dagegen bis zum 16. Februar im nördlichen Teil des Registraturtraktes und das in doch recht merkwürdiger Form: Die Konzepte, zusammengefasst auf geplotteten Papierbahnen, waren inhaltlich derart schwierig zu erfassen und zu vergleichen, dass neben der – euphemistisch formuliert – pragmatischen Art der Präsentation eigentlich schon ein Kalkül vermutet werden müsste.
Soweit sich also entschlüsseln ließ, soll nach Entwürfen des Siegerprojekts der Hauptzugang, von der Hofgasse her, mit den zwei bestehenden Bauminseln zu einem grünen Portal erweitert und durch ein Leitsystem mit Fahnenmasten im Ersten Hof gekennzeichnet werden. Die Rampensituation an der Zufahrt wird durch gleichmäßige Neigung am gesamten Durchgang entschärft. Die bisher gepflasterten Areale der Innenhöfe werden mit recycelten Stainzer Platten belegt.
Der Burghof 2, in dem sich die Büsten der Ehrengalerie befinden, wird als „dichte Waldlandschaft“ gestaltet und soll als „gemeinsamer Freiraum“ auch für das westlich angrenzende Schauspielhaus nutzbar sein. Der nördlich des Registraturtraktes gelegene Dritte Burghof wird ebenfalls mit Bäumen bepflanzt, während bisherige Fahrzeug-Stellplätze auf ein unbedingt notwendiges Maß reduziert werden. Damit wird auch ein adäquater Übergang zum Burggarten geschaffen.
Ein „Entdeckungspfad Burg“ (Tobias Brown) startet in der ebenerdigen Renaissancehalle des Karlstrakts mit zu errichtendem Infopoint. Die ehemalige Stadtmauer an der Ostwand wird freigelegt. Wie hier sind die Böden der neu gestalteten Innenbereiche mit geschliffenem Terrazzo ausgelegt. Im weiter nördlich gelegenen Friedrichstrakt bezeichnet eine Erschließungsachse entlang der hier ebenfalls freigelegten Stadtmauer den räumlichen Zusammenhang von Burgkapelle, Drei- und Einsäulenhalle (was hier als Säulen bezeichnet wird, sind eigentlich gotische Achteckpfeiler). Die Säulen (sic.) werden von nachträglichen Mauereinbauten befreit, um deren historische Raumwirkung und den Übergang in die Gewölbebögen wieder sichtbar zu machen. Die gotischen Außenfenster der Burgkapelle werden in ihrer ursprünglichen Höhe wieder hergestellt. Drei- und Einsäulenhalle werden damit zu Ausstellungsräumen adaptiert, wobei offenbar noch überlegt wird, was ausgestellt werden soll.
Der Wettbewerb ist gewonnen, Konzept und Entwürfe bestehen, über einen Baubeginn ist nichts zu erfahren. Hat hier jemand eine „dichte Waldlandschaft“ auf dem Areal der Grazer Burg geträumt?
Warum ärgert sich niemand…
Warum ärgert sich niemand über die scheußliche Bodenversiegelung bei der Karlskirche?
Da ging die Stadt Wien erstaunlicherweise genau den "verkehrten" Weg.