29/05/2011
29/05/2011

Ökostrom vs. "Energiemonopolitik"
Politik wider die Natur hat Tradition und verheerende Auswirkungen. Das krasseste Beispiel ist der Atomstrom. Als er in Deutschland in den 1950er-Jahren eingeführt werden sollte, waren die Elektrizitätskonzerne vehement dagegen – weil offensichtlich war, dass er sich nicht rechnet. Er kam trotzdem, nämlich auf politischem Druck. Heute wissen wir, dass statistisch ca. alle 25 Jahre mit einem Super-GAU zu rechnen ist: 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima.

Solarstrom ist Spitzenstrom
Seit 2000 schien es, als würde die geläuterte Politik der BRD alles wieder gutmachen. Ein ambitioniertes Ökostromgesetz sorgte bis heute für mehr als eine Verdopplung des Ökostromanteils in unserem Nachbarland. Die Absicht des Gesetzgebers, die Produktionskosten für Ökostrom mit seiner Förderung zu senken, zeigte hervorragende Wirkung. Dazu trägt der Solarstrom, auch Photovoltaik genannt, einen wesentlichen Beitrag. Aus dem einfachen Grund, dass zu Mittag am meisten Solarstrom anfällt, wenn sowohl die Stromnachfrage als auch die Strompreise an den Börsen am höchsten (auf der Spitze) sind. Der bereits durch die Förderung bezahlte Ökostrom kommt ins Netz und verdrängt den noch teureren Strom der Erdgas-Spitzenkraftwerke. Solarstrom ist „Spitzenstrom“ – ökonomisch echt Spitze.
Nun ist der Vorteil der Photovoltaik zu einem riesigen Dorn im Auge der fossil-atomaren Stromindustrie angewachsen. Denn die satten Gewinne, gerade aus Spitzenstrom, schmelzen dahin. Zweitens haben sich die PV-Anlagenkosten hauptsächlich wegen der Massenfertigung der Module in den vergangenen zehn Jahren mehr als halbiert. Und drittens sind die Strompreise wegen wachsendem Bedarf an Kohle, Gas, Öl und Uran im selben Zeitraum weiter gestiegen. Alles in allem rechnet die EPIA (Verband der Europäischen Photovoltaikindustrie) in Süditalien heuer mit der vollen Wettbewerbs­fähigkeit von Solarstrom, also ohne einen Cent Fördergeld, in Mitteleuropa 2013–2015.

Keine Energiewende in Österreich
In Österreich tut sich sowohl beim Ökostromausbau als auch speziell beim Solarstrom herzlich wenig. Das neue Ökostromgesetz, das Wirtschaftsminister Mitterlehner Ende März 2011 vorgelegt hat, wird zu Recht heftig kritisiert. Energiewende beim Strom kann daraus keine werden. Was nicht weiter verwundert, weil die Energiekonzerne bei uns den Wirtschaftszweig bilden, der am engsten mit der Politik verwoben ist. 50 % der Verbund AG gehören dem Staat, ebenso 31,5 % der OMV. Die Wien Energie AG und die T­IWAG stehen zu 100 % im Landeseigentum, 75 % der Energie Steiermark usw. Sobald die Dividenden dieser Großkonzerne, die das jeweilge Bundes- bzw. Länderbudget kräftig auffetten, in Gefahr geraten, wird die gesetzliche Notbremse gezogen. Dann sind Energiewende-Aufrufe aus politischen Sonntagsreden schnell vergessen. Ich nenne d­iese Front gegen die Energiewende seit Jahren „Energiemonopolitik“. Wer ausschert, indem er/sie Strom selbst erzeugt und verbraucht, vermindert Umsatz und Gewinn der etablierten Energiemonopolitik.
Wie subtil, ganz bewusst und umso härter etwa gegen die Photovoltaik vorgegangen wird, macht ein kleines Beispiel sonnenklar, das stellvertretend für viele andere steht. Die Richtlinie der Stadt Wien für die Photovoltaikförderung verhindert Anlagen in Fassaden, welche gerade für Bürotürme ideal wären; das geht so: 900 Kilowattstunden (kWh) Jahresstromertrag pro installiertem KW Anlagenleistung sind vorgeschrieben. Sobald Photovoltaikmodule senkrecht, selbst nach Süden, stehen, können sie bestenfalls 700 bis 800 kWh Strom pro kW liefern. Und weil dieser Trick so effizient die Stromautonomie verzögert, hat mittlerweile auch das Land Steiermark die 900 kWh-Bedingung in ihre Förderrichtlinie übernommen.

Unverhältnismäßig
PV wird zwar staatlicherseits gefördert. Nur das Ausmaß aller Bundesförderungen entspricht einer zusätzlichen Leistung von jährlich lächerlichen 30 bis 35 Megawatt (MW). Das in Bau befindliche Erdgaskraftwerk M­ellach bei Graz wird 800 MW haben. Die PV-Förderung gemäß Ökostromgesetz soll anstatt jährlich 2,1 Mio. € für die nächsten fünf Jahre jeweils 3 Mio. € ausmachen. Das wäre so, als ob man jemand mit einem Bärenhunger zum Essen einlädt und ihm anstatt zwei Gummibärchen drei auf den Teller legt.
Wohlgemerkt: Solarstrom rechnet sich – aber nicht für die Energiemonopolitik. Sonnenschein nutzt folglich wenig, wenn seine lebens-und stromspendende Strahlkraft politisch behindert wird. Was zwangsläufig mitten in der AKW-Katastrophe in Japan zwei Fragen provoziert: Welche Volksvertreter/Lobbyisten haben wir und warum lassen wir uns das gefallen?
Kontakt:
FRITZ BINDER-KRIEGLSTEIN
Energie Consulting Mödling
office@renewable.at

Verfasser/in:
Fritz Binder-Krieglstein, Kommentar; erstmalig erschienen in www.energie-bau.at, Portal für energieeffizientes Bauen & Sanieren
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