12/10/2009
12/10/2009

Foto: Emil Gruber

Glosse zur Forderung des Grazer Bürgermeisters Siegfried Nagl, die Ordnungswache solle nicht nur ermahnen, sondern mehr strafen.

Gehören Sie zu den zittrigen Rauchern, denen manchmal Zigarettenkippen auf der Straße aus den Fingern gleiten? Haben Sie einen Hund, der an Inkontinenz leidet? Empfinden Sie das Absteigen vom Fahrrad in Parks als Bewegungsrhythmusstörung? Haben Sie manchmal Lust, auf dem Hauptplatz Ihren Flachmann herauszuziehen und unserem Schutzpatron, dem Erzherzog Johann, ein „Vergelts Gott!“ zuzuprosten?
Ja ?
Dann gehören Sie ab sofort zu einer Risikogruppe, die öffentliche Plätze in Graz meiden oder mit dem Sparen beginnen sollte. Es könnten Mehrausgaben ins Haus stehen. Unser Bürgermeister hat nämlich endlich reagiert und das lasche Vorgehen der von ihm installierten Ordnungswache satt.
Ermahnungen? Bitte sind wir hier in einer Kirche? Vorbeugung? Das ist nur etwas für die, die zuviel Alkohol in sich haben und denen dann schlecht wird. Das Ergebnis ist ekelig, wie wir wissen. Geredet wurde lange genug. Daten anstatt vieler Worte. Daten der Entordneten, denen, die Graz so unsicher machen.
Euch Hells Angels auf Waffenrädern, die ihr hinterrücks in den Parks den ahnungslos spazierenden Flaneur attackiert, ihr Kampfhundstaffeln, die ihr die Wege zukackt und euch hämisch mit Herrchen und Frauchen eins hinterm Busch abbellt, wenn das Manolo Blahnik Stiefelettchen im Unrat einsinkt – eure Zeit ist vorbei! Raucher, die ihr im Freien das Feuerzeug zückt, Parkbankbesetzer, die ihr am Ring einer Bierdose spielt, wir sehen euch, seid auf der Hut!

Wirkliche Bürgernähe entsteht, wenn ein Uniformierter einem Nichtuniformierten ein Strafmandat in die Hand drückt. Das ist Kontakt zum Volk und hinterlässt eine haptische Erinnerung an Graz, fast wie ein echtes Autogramm vom Stadtchef. Jeder so Geläuterte kann nach Bezahlung das Souvenir als Mahnung an die nächste Generation fein säuberlich zuhause einrahmen, um später noch seinen Enkeln erzählen zu können, wie sich Sittenwidrigkeit in einen neuen Pflasterstein der Herrengasse verwandelte.

Neue Zeiten werden kommen, glaubt mir. Freundliche Menschen werden mit geschulterten Rädern durch die Innenstadt wandern und Hundebesitzern, die ihrem angeleinten Liebling gerade Windeln anlegen, ein Lächeln zuwerfen. Nur vereinzelt wird man noch Gestalten in ein von der Stadt errichtetes Rauchereck in eine Seitengasse huschen sehen. Die UNESCO wird erstmalig Graz zur „City of Mineralwater“ (without gas) ernennen. Und im Lokal „Zum beschäftigungslosen Ordnungshüter“ werden sich Veteranen bei einem Glas Tee an ihre Heldentaten erinnern.

Und sollten dann einmal die Einnahmen aus der jetzigen Übergangszeit zur ewigen Sauberkeit fehlen, stehe ich bereit zum Opfergang. Ich werde mein eingemottetes Fahrrad vom Rost befreien und damit Kreise auf dem Hauptplatz ziehen. Wie im Fasching Konfettis werde ich Zigarettenstummel auf den Asphalt regnen lassen und dabei mit einem Sixpack-Bier jonglieren. Vollgefressene Hunde werden mich umrunden und mein Ghettoblaster wird „This town ain’t big enough for both of us“ ins Rathaus dröhnen lassen. Ach ja, ein Hut wird dann auch herumgereicht, mit dem Foto eines notleidenden Politikers. Spenden werden nur zweckgebunden verwendet, versprochen.

Verfasser/in:
Emil Gruber, Glosse
tacuisses

... müssen die Subventionen für unser aller Kulturgut (http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/2165617/stadt-poliert-a...) auch finanziert werden. Für jene unter Euch, die sich nicht zur Schihüttengaudi in den finsteren und gefährlichen Stadtpark trauen, könnten wir einen Stadtbudget-fördernden Punschstand (der Arbeitstitel "Blau für Graz" fand keine Mehrheitszustimmung...) in der Herrengasse (gendermode=0) organisieren und so die Tourismusabgabe direkt bei der Stadt abliefern....

Mi. 14/10/2009 8:39 Permalink
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