27/02/2011
27/02/2011

Buchdeckel

„Sein ganzes Leben lang wartet er auf rote Teppiche, die nie kommen. Aber er bewegt sich so, als würde er schon auf ihnen gehen.“ Günter Eichberger liest aus: Halber Flügel. Gemischter Satz. (Foto wm)

Günter Eichbergers neuer Prosaband „Halber Flügel. Gemischter Satz“

Wie oder worin Zaha Hadid wohnt, ist vielleicht für Betreiber von Klatschspalterei interessant, was uns solche Art von Home Stories über das wirkliche Leben Hadids eröffnen könnte, sei schlicht dahin gestellt. Auch den Schriftsteller Günter Eichberger berührt die Person Zaha Hadids nur wenig respektive genügt ihm ein ihr zugeschriebenes Zitat, um das herum er einen namensgleichen Charakter konstruiert, dem er, als handelte es sich um Outfit, die passende Architektur zuschreibt. Eichberger baut nämlich Fiktionen – auch um Architekten wie Daniel Libeskind und Rem Koolhaas, die er im vorliegenden Band „Halber Flügel. Gemischter Satz“ „allein zu Hause“ denkt.
Analog der Anarchitektur eines Gordon Matta-Clark unterstellt der Autor diesem einen Monolog, der die Architektur in analytischer Dekonstruktion um ihr Material bringt und dann in die Immaterialität purer Sprachkunst. Vielleicht ein weiteres Indiz dafür, dass seit jenem mythologischen Turmbau die Disziplinen in Eins gefallen sind? Wenn Eichberger Sprache beim Wort nimmt, wird diese Sicht über die hier versammelten „Architekturphantasiestücke“ nahezu plausibel und nochmals unterstrichen durch Koolhaas’ Bekenntnis: „Mein Beruf ist Schriftsteller“. Er sei nämlich heute weniger an Architektur interessiert, als manche glauben.
Seitens des Verlags als „Prosaband“ vorgestellt, ist „Halber Flügel“ jedenfalls so einfach nicht zu kategorisieren, weil im Ganzen komponiert in einem Wechsel von erzählenden Phantasiestücken und „einzelnen Sätzen, die so etwas wie, aber nicht Aphorismen sind“ (Eichberger). Letztere verleiten immerhin zu einer Ahnung dessen, was der Autor in Übersetzung alltäglicher und so genannter Lebensumstände witzig, ironisch, schlau und versiert zu verdichteter Wirklichkeit als Literatur, von Sichtweisen im Sprachspiel entwickelt wie: „Geträumtes Wort: Niederhubfeuchte. (Es verfolgte mich im Halbschlaf, es quälte mich, es klingt fachsprachlich.)“
Was mit einer Festrede auf Österreich beginnt – in deren Verlauf der Laudator allerdings mit einem Fettklumpen im Hals zu kämpfen hat –, schließt mit reimfreien Gedichten an Freunde (und an sich selbst). Zuvor steht da aber noch die albtraumatische Erzählung „Blindwütige Nacht“, Auswurf eines Mörders, der sich infolge seiner Tat selbst entwirft.

Günter Eichberger
Halber Flügel. Gemischter Satz.
Klagenfurt (Ritter Verlag) 2010.
120 Seiten, broschiert, € 13,90

Der Prosaband enthält u. a. sechs Architekturphantasiestücke, die erstmalig in der wöchentlichen Reihe sonnTAG auf www.gat.st erschienen sind. (Anm. d. Red.)

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Rezension
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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