Mit „Suburbia“ zeichnet das Architekturzentrum Wien die Geschichte eines Lebensideals nach, das ausgehend von den US-amerikanischen Vorstädten weltweite Beliebtheit erlangte. Die Ausstellung widmet sich auch den Widersprüchen dieses Modells sowie den sozialen und ökologischen Folgen wie Flächenverbrauch, Versiegelung und Leerstand und stellt die Frage: Wie kann es weitergehen?
Würde man den aktuellen Einfamilienhausbestand Österreichs adaptieren, könnte dieser alle Personen aufnehmen, die sich diese Wohnform wünschen. Diese Feststellung ließ bei der Eröffnung der aktuellen Ausstellung Suburbia aufhorchen, die sich mit dem Phänomen der Vorstadt und des Speckgürtels beschäftigt und somit ganz klar mit dem Thema Zersiedelung und Bodenversiegelung. Wenn man diese Feststellung ernst nimmt, erübrigt sich das immer noch starke Narrativ vom Häuslbauer, der sich den Wohntraum mitten auf der grünen Wiese erfüllt. Immer mehr Gemeinden schreiben Klima-, Boden- und Umweltschutzziele in Entwicklungskonzepten nieder. Dabei können die Nutzung von Leerständen, Sanierung und Umbau des Gebäudebestands eine wichtige Rolle im Sinne von Ressourcenschonung und effizientem Einsatz von Energie übernehmen.
Mit der Einsicht, dass der Bodenverbrauch endlich gestoppt werden muss, verbindet man oft eine willkürliche Einschränkung, denn bisher „durften“ ja viele diesen Traum realisieren, sofern die finanziellen Mittel vorhanden und die Genehmigungen erteilt waren. Mit einer kleinen Perspektivveränderung kann man die Situation jedoch auch als Chance und positive Herausforderung verstehe. Kreativität und Innovationsgeist sind seitens der Architekt:innen und Bauherr:innen gefragt, wenn mit den vorhandenen Gebäuden gearbeitet werden soll. Es ist außerdem eine gute Nachricht für die schwächelnde Baubranche. Erfolgreiche Beispiele zeigen, welche Konzepte greifen können und wie ein Weiterbauen oder eine Umnutzung möglich sind.
Wie kommt es überhaupt dazu, dass Häuser für entsprechende bauliche Adaptierungen verfügbar werden? Viele Einfamilienhäuser dienen tatsächlich einige Zeit ihrem ursprünglichen Ziel als Wohnraum der Familie. Man freut sich über die Freiheit eines Gartens und kann die Vorteile von Natur und Stadtnähe gleichermaßen nutzen. Häufig schrumpft aber mit der Zeit die Zahl der Menschen, die das Haus bewohnen, entweder ziehen die Kinder aus, sobald sie erwachsen werden oder die die Familie such zeitgerecht bereits eine neue Wohnumgebung, fern des Speckgürtels, in dem aus der Sicht der Heranwachsenden häufig zu wenig los ist. Übrig bleiben zu große Häuser für wenige Bewohner:innen oder leerstehende Immobilien.
Neue Nutzungsformen
Wie man mit dieser Situation konstruktiv umgehen kann, zeigt ein Beispiel in Linz. Hier hat das Architekturbüro Schneider Lengauer Pühringer ein Einfamilienhaus der ehemaligen Arbeitersiedlung Hanuschstraße / Reuchlingstraße umgebaut und 2021 fertiggestellt. Die Häuser der Siedlung aus den 1970er Jahren folgen einem Typus mit Erd- und Obergeschoß auf annähernd quadratischem Grundriss. Einige Häuser wurden im Laufe der Zeit bereits umgebaut, so auch das hier vorgestellte „Haus B“, dessen Obergeschoß abgebrochen worden war. Der Bestand wurde größtmöglich beibehalten und verbessert. Im Zuge des Umbaus erfolgte eine neuerliche Aufstockung, die mittels Holz-Riegelbauweise, eine neue Wohneinheit ermöglichte. Ein Balkon wurde hinzugefügt und es entstand zudem ein Dachraum, der nunmehr als Bibliothek und Home-Office dient.
Die Adaptierung eines Einfamilienhauses aus den 1950er Jahren realisierte die Vorarlberger Architektin Julia Kick mit dem „Haus Fink“ bereits 2013. Die Initiative ging damals von der alleine im Haus lebenden älteren Besitzerin aus. Sie schlug ihrer Enkelin vor, mit der neu gegründeten Familie zu ihr zu ziehen. Wohnraum gab es genug. Mit dem Umbau wurde die zweite Enkelin beauftragt: Julia Kick hatte gerade ihr Architekturstudium abgeschlossen und gestaltete nun das Einfamilienhaus der Großeltern um.
Durch einen Anbau im Erdgeschoß wurde eine Einliegerwohnung geschaffen, in der die ältere Dame nunmehr mit einer Pflegekraft eingezogen ist. Julia Kicks Konzept hat berücksichtigt, dass eine ältere Person vielleicht Hilfe von außen brauchen könnte und zeigt, wie es möglich wird, durch einen Umbau auch familienferne Personen in ein Haus zu integrieren. An diesem Beispiel wird deutlich, wie einerseits durch kluge Umbaumaßnahmen adäquate Wohnsituationen entstehen können und andererseits die Wohndichte erhöht werden kann.
Beispielhaft für Bestandshäuser aus den 1950er bis 1970er Jahren lässt sich hier nachvollziehen, wie durch ein kluges Abwägen von Erhalt bzw. Transformation eine neue Harmonie entstehen kann. In der Objektbeschriftung wird im AzW auf diese Überlegungen hingewiesen: „Gestaltung in einem vorhandenen Raum kann neben einer radikalen Transformation auch bedeuten, die Dinge so zu belassen, wie sie sind.“ So wurden etwa Raumstrukturen erhalten, Fenster, Türstöcke und Stiegenelemente im Bestandsgebäude belassen.
Gegen Immobilienspekulation
Das „Sauriassl-Syndikat“ in Bayern ist aus dem Mietshäuser-Syndikat hervorgegangen, einer Initiative, die Häuser aufkauft und vergesellschaftet. Bekannt geworden ist das Syndikat vor allem in urbanen Räumen. In Österreich heißt die Initiative HabiTAT, deren Ziel es ist, Eigentum in gemeinschaftliche Güter zu verwandeln. Das Pionierprojekt "Willy Fred" des HabiTat auf Basis des Syndikatsmodells befindet sich in der Linzer Innenstadt. In Salzburg konnte die „Autonome Wohnfabrik“ realisiert werden, in Wien wird gerade am Projekt „Living for Future“ in der Hütteldorfer Straße gearbeitet. Die Architektin Lisa Schmidt-Colinet verweist auf die Langlebigkeit und unterschiedliche Zeithorizonte in der Planung – und darauf, welche Aspekte in welchem Betrachtungszeitraum wichtig sind. So nennt sie beispielsweise den Einfluss der Jahreszeiten, die Erfahrungen des Zusammenlebens und die Veränderungen im Bedarf an Wohnraum. Auch die Begrünung der Fassade ist zentral für einen positiven Einfluss auf das Stadtklima. In der Planung beinhaltet: eine Solidaritätswohnung für Personen in Notlagen.
In der deutschen Gemeinde Altötting wurde das Konzept auf Gemeindeebene umgesetzt, unter anderem mit Einfamilienhäusern, die umgebaut und nachverdichtet werden. Aus einer einzigen werden zwei bis drei Wohneinheiten. Dazu kommen Angebote für lokale Energieerzeugung, „Mieterstrom“- und Mobilitätskonzepte. So werden die typischen, problematischen Nebenwirkungen eines Einfamilienhauses alternativ gelöst. Durch den Aufkauf dieser Häuser in ein Syndikat ergibt sich die Möglichkeit, anders, nämlich gemeinwohlorientiert zu wirtschaften. Dadurch können Wohnräume für acht Euro pro Quadratmeter wieder vermietet werden.
In Burghausen an der Salzach plant man, in einem Haus aus dem 16. Jahrhundert bestehende Leerstände im Dach- und Erdgeschoß nutzbar zu machen. Das im Haus bereits früher geführte gemeinschaftliche Leben soll fortgesetzt werden. Energetische Sanierung und eine Photovoltaik-Mieterstrom-Anlage werden die Nebenkostenbelastung und den ökologischen Fußabdruck verringern.
Eine mögliche Zukunft
In diesen Vorhaben zeichnet sich ein grundlegendes Umdenken im Themenbereich Wohnen ab. Wie wichtig eine grundsätzliche Information über Möglichkeiten ist, zeigte eine Studie zur nachhaltigen Sanierung und Wohnraumaktivierung einer Einfamilienhaussiedlung in Mistelbach des österreichischen Ökologie-Instituts von 2022. Mit der Kommunikation waren die Forschenden zufrieden, stellten jedoch fest, dass Ideen zu gemeinschaftlichen Anliegen über „das übliche Maß“, wie gegenseitige Hilfe, schwierig waren. Ein Ergebnis war die Erkenntnis: „Bei innovativen Ansätzen wie gemeinschaftlicher Energieversorgung oder car-sharing etc. braucht es noch mehr Zeit, um in den Denk- und Möglichkeitsraum der Menschen zu gelangen. Praktische Beispiele, um die vielfältigen Vorteile besser demonstrieren zu können, wären hier sehr hilfreich.“
Eine nachhaltige Transformation von Einfamilien- und Mehrparteienhäusern benötigt also nicht nur bauliche Konzepte, sondern vor allem Offenheit für neue gemeinschaftliche Lebens- und Nutzungsformen. Die positiven Ansätze und das wachsende Interesse zeigen jedoch, dass ein Wandel möglich ist – mit Überzeugungsarbeit, guten Beispielen und gemeinschaftlichem Engagement kann eine zukunftsfähige Nutzung von Wohnraum gelingen.