Offener Brief:
Die Unabhängigkeit der Ziviltechniker:innen
– Ein Fundament der Demokratie in unruhigen Zeiten
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,
Österreich erlebt derzeit eine Phase politischer Volatilität, in der gesellschaftliche und wirtschaftliche Unsicherheiten die Entscheidungsprozesse prägen. Gerade in solchen Zeiten kommt den Ziviltechniker:innen eine besondere Rolle zu. Unsere Funktion als unabhängige Fachleute und Sachverständige ist nicht nur technischer oder planerischer Natur, sondern auch eine institutionelle: Als Urkundspersonen stehen wir für Unabhängigkeit, Verantwortung und Qualität und gewährleisten – gleichsam als „technische Notar:innen“ –, dass wesentliche Entscheidungsgrundlagen frei von parteipolitischer Einflussnahme entstehen.
Unsere Tradition reicht 165 Jahre zurück, bis ins Jahr 1860, als die gesetzlich verankerte Funktion der Ziviltechniker:innen eine Schnittstelle zwischen Verwaltung und Technik schuf. Von Beginn an war es das Ziel, eine unabhängige Instanz zu etablieren, die komplexe technische Sachverhalte neutral bewertet und nachvollziehbare, gesellschaftlich tragfähige Lösungen anbietet. Als erweiterte Instanz der öffentlichen Hand nehmen wir eine Sonderstellung ein: Wir sind weder Bedienstete der Behörde noch rein privatwirtschaftlich agierende Akteur:innen. Wir bewegen uns zwischen Markt und Staat und sind einzig unserer fachlichen Kompetenz sowie dem Gemeinwohl verpflichtet. Diese Neutralität stellt sicher, dass Entscheidungen auf Grundlage von Fakten und nicht kurzfristiger Interessen getroffen werden – frei von Liefer- oder Einzelinteressen.
Jede:r von uns hat einen Eid auf die Unabhängigkeit geleistet. Diese Verpflichtung ist weit mehr als ein symbolischer Akt – sie bildet das Fundament unserer Glaubwürdigkeit als Berufsstand. In einer Zeit, in der politische Polarisierung und wirtschaftliche Interessen sachliche Entscheidungsprozesse oft überlagern, bleibt dieser Eid eine essenzielle Sicherung gegen Einflussnahme und Manipulation.
Unsere Ziviltechniker:innenkammer als Körperschaft öffentlichen Rechts ist weder eine politische Interessensvertretung noch ein Wirtschaftsverband, sondern eine Institution, die die Unabhängigkeit unserer gesamten Berufsgruppe sichert. Anders als in vielen anderen Standesvertretungen erfolgt unser Engagement auf Funktionär:innenebene ehrenamtlich – aus Überzeugung für unseren Berufsstand und die Werte, für die wir stehen.