14/02/2025

Die Kammer der Ziviltechniker:innen Steiermark und Kärnten hebt in einem Offenen Brief die Rolle der Kammer und der Ziviltechniker:innen als „Fundament der Demokratie“ hervor. Betont werden Unabhängigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Auf die Ursprünge der Kammer wird ebenso hingewiesen, wie auf die grundlegende „Verpflichtung zu Fachlichkeit und Sachlichkeit", die laut Schreiben, „nicht nur eine Frage der Berufsethik, sondern auch ein Beitrag zur Demokratie“ ist. Hingewiesen wird zudem auf die Gestaltung von Lebensräumen und Lebensumwelt, die durch Kammermitglieder und deren Expertise „angesichts sich wandelnder Rahmenbedingungen und politischer Unsicherheiten“ in dem Offenen Brief explizit thematisiert wird.

14/02/2025

Präsidium ZT-Kammer Steiermark und Kärnten, 2025: Frediani-Gassner, Speyer, Wührer, Schelischansky, Eichholzer, Wackenreuther (v.l.n.r)  © Helga Rader

©: Helga Rader
©: ZT Kammer Steiermark und Kärnten

Offener Brief: 
Die Unabhängigkeit der Ziviltechniker:innen
 – Ein Fundament der Demokratie in unruhigen Zeiten

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

Österreich erlebt derzeit eine Phase politischer Volatilität, in der gesellschaftliche und wirtschaftliche Unsicherheiten die Entscheidungsprozesse prägen. Gerade in solchen Zeiten kommt den Ziviltechniker:innen eine besondere Rolle zu. Unsere Funktion als unabhängige Fachleute und Sachverständige ist nicht nur technischer oder planerischer Natur, sondern auch eine institutionelle: Als Urkundspersonen stehen wir für Unabhängigkeit, Verantwortung und Qualität und gewährleisten – gleichsam als „technische Notar:innen“ –, dass wesentliche Entscheidungsgrundlagen frei von parteipolitischer Einflussnahme entstehen.

Unsere Tradition reicht 165 Jahre zurück, bis ins Jahr 1860, als die gesetzlich verankerte Funktion der Ziviltechniker:innen eine Schnittstelle zwischen Verwaltung und Technik schuf. Von Beginn an war es das Ziel, eine unabhängige Instanz zu etablieren, die komplexe technische Sachverhalte neutral bewertet und nachvollziehbare, gesellschaftlich tragfähige Lösungen anbietet. Als erweiterte Instanz der öffentlichen Hand nehmen wir eine Sonderstellung ein: Wir sind weder Bedienstete der Behörde noch rein privatwirtschaftlich agierende Akteur:innen. Wir bewegen uns zwischen Markt und Staat und sind einzig unserer fachlichen Kompetenz sowie dem Gemeinwohl verpflichtet. Diese Neutralität stellt sicher, dass Entscheidungen auf Grundlage von Fakten und nicht kurzfristiger Interessen getroffen werden – frei von Liefer- oder Einzelinteressen.

Jede:r von uns hat einen Eid auf die Unabhängigkeit geleistet. Diese Verpflichtung ist weit mehr als ein symbolischer Akt – sie bildet das Fundament unserer Glaubwürdigkeit als Berufsstand. In einer Zeit, in der politische Polarisierung und wirtschaftliche Interessen sachliche Entscheidungsprozesse oft überlagern, bleibt dieser Eid eine essenzielle Sicherung gegen Einflussnahme und Manipulation.

Unsere Ziviltechniker:innenkammer als Körperschaft öffentlichen Rechts ist weder eine politische Interessensvertretung noch ein Wirtschaftsverband, sondern eine Institution, die die Unabhängigkeit unserer gesamten Berufsgruppe sichert. Anders als in vielen anderen Standesvertretungen erfolgt unser Engagement auf Funktionär:innenebene ehrenamtlich – aus Überzeugung für unseren Berufsstand und die Werte, für die wir stehen.

Unser Berufsstand umfasst Expert:innen aus den Bereichen Architektur, Städtebau, Hochbau und Raumplanung sowie mehr als 70 ingenieur- und naturwissenschaftliche Disziplinen, darunter Bauwesen, Elektrotechnik, Geologie, Maschinenbau, Vermessungswesen oder IT-Technik. Doch unser Wirkungsbereich erstreckt sich weit über die eigene ZT-Kanzlei oder die ZT Kammer hinaus. Viele von uns leisten wertvolle Arbeit in entscheidenden Fachgremien wie Gestaltungs- oder Bildungsbeiräten, Normungsausschüssen, Sachverständigenkommissionen und Kulturgremien oder fungieren als fachkundige Laienrichter:innen. Unser Engagement in diesen Institutionen stellt sicher, dass technische und gestalterische Entscheidungen nicht durch parteipolitische Interessen, sondern durch fachliche Argumente und anerkannte Standards geprägt werden. Unsere Mitwirkung erfolgt allein aufgrund unserer fachlichen Qualifikation – frei von politischer Einflussnahme.

Angesichts sich wandelnder Rahmenbedingungen und politischer Unsicherheiten wird unsere Unabhängigkeit zunehmend zu einem stabilisierenden Faktor in der Gestaltung unserer Lebensräume. Diese Unabhängigkeit ist jedoch keine Selbstverständlichkeit – sie muss verteidigt und aktiv gelebt werden. Unsere Verpflichtung zu Fachlichkeit und Sachlichkeit ist nicht nur eine Frage der Berufsethik, sondern auch ein Beitrag zur Demokratie. Denn eine Gesellschaft, die auf neutralen, nachvollziehbaren und qualifizierten Entscheidungen basiert, ist widerstandsfähiger gegenüber Krisen und populistischen Strömungen.

Es liegt an uns allen, dieses Fundament zu bewahren – für eine Gesellschaft, die auf Verantwortung, Unabhängigkeit und Qualität setzt.

Im Namen des Präsidiums:
Dipl.-Ing. Gustav Spener Präsident
Dipl.-Ing. Thomas Eichholzer Vorsitzender Sektion Zivilingenieur:innen
Dipl.-Ing. Helmut Wackenreuther, Stv. Vorsitzender Sektion Zivilingenieur:innen
Architektin DI Barbara Frediani-Gasser Vizepräsidentin
Architekt DI Burkhard Schelischansky Vorsitzender Sektion Architekt:innen
Architekt DI Rainer Wührer, Stv. Vorsitzender Sektion Architekt:innen

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