24/03/2025

Ausbildung und Praxis führten die Architektin Trude Krisch (geb. Matl), die noch während des Zweiten Weltkriegs ihr Architekturstudium an der Technischen Hochschule Graz begonnen hatte, in die USA und nach Deutschland. Im gemeinsam mit ihrem Mann geführten Büro in Tübingen war sie für Entwurf und Ausführung von Wohnbauten und Einfamilienhäusern verantwortlich. In den 1970er Jahren bezog sie in Tübingen ein Wohnhaus in der von ihr geplanten Bungalow-Wohnanlage Falkenweg. 

24/03/2025

Trude Krisch, Kettenhäuser “Viehweide” in Tübingen, 1969, © Rüdiger Krisch

Architektin Trude Krisch (1926–2024), © Rüdiger Krisch

Trude Krisch, Wohnhäuser am Falkenweg in Tübingen, 1972/73, Luftbild, © Rüdiger Krisch

Trude Krisch, Wohnhaus Falkenweg, Innenraum im Gartengeschoss, 1973, © Rüdiger Krisch

Trude Krisch, Wohnhaus Falkenweg, Innenraum mit Blick Richtung Spielbereich mit offenen Regalen, 1973, © Rüdiger Krisch

Trude Krisch, Kettenhäuser “Viehweide” in Tübingen, 1969, © Rüdiger Krisch

Trude Krisch, Wohnhäuser Ahornweg in Tübingen, Entwurf, Isometrie, 1970er Jahre, © Rüdiger Krisch

Über ihre Art zu planen sprach die Architektin, 97-jährig, in einem Interview im Frühjahr 2024: „Form follows function. Mir war am wichtigsten, dass die Dinge funktionieren. Wenn sie dann auch noch schön sind, prima! Ich habe es einfach nicht über mich gebracht, irgendetwas vorzuschlagen, von dem ich wusste, dass es eigentlich nicht funktioniert und Schönheitsfehler im Betrieb hat. Das war für mich immer wichtig. Mit dem Bedarf einer Familie an Wohnen war ich vertraut. Und das [Planen] ist mir nicht schwer gefallen, der Wohnbau war mein Thema. Ich war nicht an größeren Sachen interessiert, da bin ich gar nicht dazu gekommen, hab es aber auch nicht vermisst. Ich war so zufrieden mit den Dingen, die ich entworfen habe!“ 

Das Projekt Falkenweg umfasst sechs Wohnhäuser sowie eine Garage für mehrere Autos. Trude Krisch gestaltete die Grundrisse der Wohnungen offen und luftig, mit großem Augenmerk auf Funktionalität und gute, natürliche Belichtung. Kinderzimmer, Spielbereich, eine halboffene Küche mit Essbereich und Balkon, sowie ein weiteres Kinder- oder Gästezimmer befinden sich im Eingangsgeschoss. Daneben: ein Arbeitsbereich auf der Galerie. Dort gibt es auch einen zum Garten hin orientierten Balkon. Das Gartengeschoss wird durch einen großen, offenen Wohnbereich mit Galerie als Eingangsgeschoss definiert. Das Hauptschlafzimmer, ein Hobbyraum, Bad, Ankleide und ein Kellerraum sind ebenfalls im Gartengeschoss untergebracht. 

Der Weg zur Architektur

1926 als Gertrude Matl in Graz geboren, legte sie zu Beginn des Jahres 1944 die Matura ab. Kriegsbedingt fanden die Prüfungen bereits im Februar statt, mit einem geringeren Prüfungsumfang. Eine Bekannte der Familie, deren Freundin Architektin war, brachte sie auf die Idee, sich nach dem  Schulabschluss für ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Graz zu entscheiden. Im Sommer 1944, bevor die Hochschule wieder öffnete, sah sie sich im Gebäude der Alten Technik um und fand den Zeichensaal Nr. 91, wie sie im Interview erzählte. „In aller Unschuld“ eignete sie sich dort einen unbesetzten Tisch an. Später stellte sich heraus, dass dieser Zeichensaal der „super Zeichensaal nur für Begabte“ war. Die von den Ferien zurückgekehrten männlichen Studenten nahmen sie, schließlich besänftigt, auf, zumal bereits zwei weitere Frauen (Constanze Wickenburg [verh. Bulfon] und Dietlind Erschen) im Zeichensaal waren. 1952 schloss sie ihr Studium ab. In den darauffolgenden Jahren war sie als wissenschaftliche Hilfskraft bei Prof. Friedrich Zotter und Prof. Karl Raimund Lorenz an der Hochschule tätig. 

Masterstudium in Kalifornien

Für ihre Generation ungewöhnlich war ihr weiterer Berufsweg. Ein Stipendium des renommierten amerikanischen Architekturbüros SOM (Skidmore, Owings and Merrill) ermöglichte ihr, 1954/55 in den USA eine weitere Ausbildung zu absolvieren, die Graduate Studies in Architecture an der University of California, Berkeley, abgeschlossen mit dem akademischen Grad eines Masters. In der Folge arbeitete sie bis 1960 in der SOM-Niederlassung in San Francisco. Nach dieser wichtigen Erfahrung und ihrer Rückkehr nach Österreich war sie im Architekturbüro des befreundeten Ehepaares Bulfon-Wickenburg in Velden am Wörthersee tätig, bis sie wenige Monate später beruflich bedingt nach Deutschland weiterzog.

Deutscher Werkbund, öffentlicher Dienst und eigenes Büro

In Mannheim übernahm Trude Matl die Leitung der Wohnberatung des Deutschen Werkbundes Baden-Württemberg. Ihre Aufgabe war es, platzsparende, alltagstaugliche und moderne Lösungen zur Einrichtung kleiner Nachkriegswohnungen zu entwickeln. Diesem Thema blieb sie bis an ihr Lebensende treu. Durch ihre hervorragende Leistung in der Werkbund-Wohnberatung wurde ihr eine Stelle in der Bauabteilung des Finanzministeriums Baden-Württemberg in Stuttgart angeboten. Und sie war beteiligt an der Planung des Naturwissenschaftlichen Hochschul-Campus in Tübingen. Bald darauf lernte sie ihren späteren Ehemann, den Architekten Helmut Krisch kennen, und schloss sich dessen Architekturbüro an. Sie heirateten und wurden Eltern von zwei Kindern. In dieser Zeit arbeitete Trude Krisch oft nachts an Wettbewerben, um sich tagsüber um die Kinder kümmern zu können.

Die Architektin zeichnete im Büro vor allem für Entwurf und Ausführung von Wohnbauten und Einfamilienhäusern verantwortlich. Neben dem bereits erwähnten Projekt Falkenweg plante und realisierte sie einige weitere Wohnprojekte, wie die Kettenhäuser “Viehweide”, eine Wohnhausgruppe am Ahornweg, ein Pfarrheim sowie den Umbau einer Schutzhütte in den Alpen. Das Büro führt ihr Sohn Rüdiger als Büro KRISCHPARTNER weiter. Trude Krisch verstarb im Juli 2024 im 98. Lebensjahr in ihrer Wahlheimat Tübingen. 

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Dieses Architektinnenportrait erscheint in der Reihe Architektinnen in/aus Graz – Ins Licht gerückt, 20. Jahrhundert (Projektleitung: Antje Senarclens de Grancy). Weitere Portraits lesen Sie >>> hier

Bea

Ein herausragender Bericht über eine beeindruckende Frau, die nicht sich selbst in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellte sondern die Nutzerinnnen und Nutzer der Projekte. Eine Bescheidenheit von der man sich eine Scheibe abschneiden kann. Und eine Geschichte die zeigt wie ungleich die Möglichkeiten zwischen Mann und Frau waren und immer noch sind.

Di. 01/04/2025 11:41 Permalink
wolfgang

danke - ein schöner Erzählbogen. Interessant auch die Dynamik des Zeichensaals, woher kommt die Nummer 91? Das weckt jedenfalls das Interesse mehr zu Lesen über das Selbstverständnis (in der Entstehung) der Architekturfakultät. Kann mich vage an eine Erzählung der "Wärmestuben" in der TU erinnern, also dass es nur wenig beheizte Räume in der Nachkriegszeit gab und die Beheizung die Attraktivität der Zeichensäle erhöhte? Oder auch das nicht immer einfache Aufeinandertreffen mit den Kriegsheimkehrern..

Mo. 24/03/2025 14:26 Permalink
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