03/07/2023

Stopp beim Bebauungsplan 12.25.0 (Andritzer Reichsstrasse)!

Der Bebauungsplan soll trotz vieler Einwendungen nahezu unverändert vom Gemeinderat am 6.7. beschlossen werden. Trotz rechtlich fragwürdiger Handlungen und gravierender Mängel bei Inhalten und Verfahren. Der Widerstand würde jedoch auf rechtlicher Ebene weitergehen. Daher ein Appell für eine Aussetzung des Beschlusses samt Nachdenkpause. 

03/07/2023

BBPL 12.25.0_3D Neu,
Visualisierung der geplanten Verbauung – sie wurde übrigens trotz Nachfrage nicht bei der Informationsveranstaltung gezeigt! -
©: Stadtplanungsamt

Areal des Architekturwettbewerbs (mit Altbestand)

©: DI Richard Hummelbrunner

Villenbebauung Andritzer Reichsstrasse - gegenüber käme eine 55 m lange Gebäudefront mit Lochblechfassade!

©: DI Richard Hummelbrunner

Die älteste noch bestehende Villa im Andritzer Zentrum - direkt daneben ist ein fünfstöckiger Wohnbau vorgesehen

©: DI Richard Hummelbrunner

Bestehende Villenbebauung – diese soll durch einen ebenfalls fünfstöckigen Wohnblock ersetzt werden.

©: DI Richard Hummelbrunner

Andritzer Reichsstraße heute – auf der rechten Seite würde eine 97 m lange, geschlossene Straßenfront entstehen (nur unterbrochen durch die Tiefgaragenzufahrt).

©: DI Richard Hummelbrunner

Groß war die Aufregung im vergangenen Herbst, als die Stadtplanung ihren Entwurf des Bebauungsplans für die Andritzer Reichsstraße vorgestellt hat. Dass der Widerstand gegen diesen Entwurf groß war, zeigt schon allein die ungewöhnlich hohe Zahl an Einwendungen. Die Stadtplanung war neun Monate damit beschäftigt, diese Einsprüche zu bearbeiten – oder besser gesagt, abzulehnen. Denn offenbar soll dieser Plan jetzt ohne große Änderungen noch vor der Sommerpause am 6.7. vom Gemeinderat beschlossen werden.

Fragwürdige Erhöhung der Bebauungsdichte

Auslöser für diesen Bebauungsplan war der Wunsch der Immobilienfirma NHD nach einer Verbauung des Areals einer ehemaligen Tankstelle im Andritzer Zentrum. Der Bauplatz liegt in einem Gebiet, für das ein Bebauungsplan erforderlich ist. Der Flächenwidmungsplan erlaubt an diesem Standort eine Bebauungsdichte von 0,6 – 1,2., Innenhöfe sind laut STEK von Verbauung freizuhalten. In den Ausschreibungsunterlagen des im Vorfeld durchgeführten Architekturwettbewerbs findet man aber folgenden Passus: „Eine Überschreitung der Bebauungsdichte (auf 1,4) wurde mit der Stadtplanung akkordiert...um diese zu erreichen, ist auch eine Innenhofbebauung zulässig“.

Bis heute ist nicht klar, wer im Jahr 2021 mit dem Investor eine dichtere Bebauung ‚akkordiert’ hat. Nur soviel ist klar: Der zuständige Gemeinderat war es nicht. Daher besteht der Verdacht, dass der nach dem ‚Grazer Modell’ durchgeführte Architekturwettbewerb dazu missbraucht wurde, die geltenden Vorschriften auszuhebeln und den Gemeinderat im Vorfeld zu umgehen. Damit wäre aber nicht nur der Architekturwettbewerb rechtlich fragwürdig gewesen, sondern auch der darauf beruhende Bebauungsplan. Diese (und andere) Vorgänge sollten unbedingt vor einer Beschlussfassung aufgeklärt werden!

Für den Investor hat diese Vorgangsweise allerdings enorme Vorteile. Auf diesem Bauplatz könnten so wesentlich mehr Wohnungen errichtet werden, was sich letztlich in einem satten Zugewinn niederschlagen dürfte. Die der Stadt dafür angebotene Gegenleistung in Form eines 5m breiten Abtretungsstreifens für die Errichtung eines Gehsteiges nimmt sich da vergleichsweise gering aus. Noch dazu wäre das der Stadt auch ohne Gegengeschäft und Kosten zugestanden. Zudem wurde der Abtretungsstreifen für eine nochmalige Erhöhung der Bebauungsdichte herangezogen - was gegen die Bebauungsdichteverordnung verstossen dürfte.

Widerstand auch nach dem Beschluss

Das sind nur einige der Ungereimtheiten, bei denen Kritiker jetzt ansetzen wollen. Unter diesen befinden sich Anwälte, die gewillt und in der Lage sind, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Selbst bei einem Beschluss im Gemeinderat wäre es also noch ein weiter Weg bis zu einem rechtsgültigen Bebauungsplan. Bei den Bauverfahren für die zu errichtenden Gebäude haben die Anwälte als Anrainer ebenfalls Parteienstellung. Der Stadt drohen also langwierige rechtliche Auseinandersetzungen mit ungewissem Ausgang. Der Bebauungsplan könnte auch zur Gänze gekippt werden und somit das ganze Verfahren von vorne beginnen (müssen).

Schlechte Perspektiven für das Andritzer Zentrum

Das Areal des Bebauungsplans umfasst die wichtigsten noch verbliebenen zentrumsnahen Bauplätze und ist für die zukünftige Gestaltung des Andritzer Zentrums von besonderer Bedeutung. Ein Bebauungsplan hätte durchaus die Möglichkeit geboten, positive Weichen für die Entwicklung zu stellen. In der jetzigen Form ist er dafür jedoch völlig ungeeignet. Die ‚Initiative Lebenswertes Andritz’ hat in ihrer Einwendung auf eine Vielzahl fachlicher Fehler und Mängel hingewiesen. Daher verlangt sie auch eine Neuaufnahme des Verfahrens.

Die Initiative befürwortet durchaus eine dichte Bebauung an diesem gut erschlossenen Standort, allerdings im Rahmen der gültigen Raumordnungsinstrumente und der darin enthaltenen Festlegungen. Änderungen sollten nur auf Basis eines fachlich gut begründeten städtebaulichen Konzepts sowie unter Einbindung der Bürger*innen in Betracht gezogen werden – und nicht auf Wunsch eines einzelnen Investors!

Eine Nachverdichtung sollte auch im Einklang mit den Anforderungen einer klimagerechten Stadtplanung und der geplanten Mobilitätswende erfolgen. Auf diesem zentralen Areal nur an die Wohnfunktion zu denken ist eine eindimensionale Herangehensweise, die diesen Anforderungen in keinster Weise gerecht wird. Die vorgesehene Verbauung wäre ob ihrer Dimension und Gestaltung keine Verdichtung, sondern eine Vernichtung: von Wohn- und Lebensqualität der Bewohner*innen, von Aufenthaltsqualität im Andritzer Zentrum, von dessen bauhistorischen Resten und Entwicklungsperspektiven. Es droht zudem die aus anderen Grazer Bezirkszentren bekannte ‚Schluchtenbebauung’!

Stopptaste drücken und Nachdenkpause einlegen!

Aber noch ist es möglich, die Beschlussfassung des Bebauungsplans zu verhindern. Der aktuelle Zeitdruck kommt zum einen vom Investor, der die für ihn sehr lukrativen Zusagen unter der vorigen Stadtregierung gefährdet sieht – zu deren Durchsetzung droht er auch mit einer Klage wegen Fristüberschreitung. Zum anderen von der Verwaltung, die sich durch den Gemeinderatsbeschluss eine nachträgliche Legitimierung der im Vorfeld des Wettbewerbs getätigten Zusagen erhofft – ohne Klärung der Vorgänge dahinter!

Die Stadtregierung, insbesondere die Rathauskoalition, wäre aus Gründen der Rechtssicherheit und der politischen Optik gut beraten, eine Nachdenkpause einzulegen. Sie könnte dazu genutzt werden, die Vorgangsweise noch einmal zu überdenken, den Kontakt mit den Kritiker*innen zu suchen, rechtliche Fragen zu klären und die Risiken einer Beschlussfassung abzuwägen.

In Anbetracht dieser Umstände warnt die ‚Initiative Lebenswertes Andritz’ davor, diese mit Fehlern der Vergangenheit behaftete ‚Altlast’ unter Zeitdruck und gegen die Interessen der Bevölkerung durchzusetzen. Und sie appelliert an die Stadtregierung, den Bebauungsplan wieder von der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung zu nehmen oder den Beschluss auszusetzen.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+