25/10/2006
25/10/2006

Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Der überarbeitete Entwurf fand das Wohlgefallen der UNESCO (GAT berichtete): Irene Wiese von Ofen im Gespräch mit Bgm. Siegfried Nagl und den sichtlich erleichterten Kastner-Vorständen Martin Wäg (ganz li.) und Thomas Böck (ganz re.). Foto: Josef Schiffer

Die Unesco hat den Dachaufbau von Kastner & Öhler nun doch akzeptiert. (GAT berichtete)Eine Bauchentscheidung? Unesco-Vertreterin Wiese von Ofen im Gespräch. FABIAN WALLMÜLLER

Allgemeine Erleichterung am Freitag Nachmittag im Grazer Rathaus: Die Unesco hat nach Verhandlungen mit Kastner & Öhler und der Stadt Graz die mittlerweile vierte Überarbeitung der Dachaufbau-Pläne des Grazer Warenhauses gutgeheißen – mit Auflagen. So empfehlen die Unesco-Vertreter Irene Wiese von Ofen (D) und Tamas Fejerdy (H) eine nochmalige Verringerung der Höhe an zwei Stellen des Daches sowie eine Eindeckung mit keramischem Material. Abgesehen davon steht einem Beschluss des Bebauungsplans im Gemeinderat am 16. November nichts mehr im Weg. Der Umbau soll noch 2007 beginnen. (GAT berichtete)

Falter: Schon im Vorfeld der letzten Verhandlung hatten alle Grazer Stadtparteien ihre Zustimmung zum Projekt signalisiert – nicht zuletzt aufgrund intensiven Lobbyings von Kastner & Öhler. Nun ist auch die Unesco für das Projekt – haben Sie dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben?
Wiese von Ofen: Also von Lobbying höre ich heute zum ersten Mal – das hat für uns überhaupt keine Rolle gespielt. Es hat uns nicht erreicht, und wir haben auch keine Zeitungsausschnitte bekommen. Ich finde, es spricht für das Unternehmen, dass sie das nicht gemacht haben, und auch für die Stadt.

Falter: Wie beurteilen Sie rückblickend die Vorgehensweise von Kastner & Öhler, zuerst über einen Architekturwettbewerb ein Projekt zu erarbeiten, aber erst dann mit der Unesco zu reden?
Wiese von Ofen: Bevor man nicht etwas Konkretes auf dem Tisch liegen hat, kann man ja auch nicht miteinander reden. Der Wettbewerb war daher ein ganz normaler Vorgang. Wenn man schon vorher alles verbietet, würden ja überhaupt keine Projekte mehr entstehen. Freilich hat der Entwurf dann die Kritik herausgefordert. Was Investoren oft nicht wissen: Nach einem Wettbewerb fängt die Diskussion ja eigentlich erst an.

Falter: Investoren könnten dies aber auch als Ermutigung verstehen, zuerst ein provokantes Bauvorhaben vorzulegen, um es dann in Verhandlungen auf ein für die Unesco verträgliches Maß zu schrumpfen.
Wiese von Ofen: Dass ein Unternehmen erst einmal seine Maximalerwartungen zu Papier bringt, muss man ihm ja nicht zum Vorwurf machen.

Falter: Warum wurde trotzdem gleich mit der Roten Liste gedroht?
Wiese von Ofen: Die Unesco hat nicht viele Instrumente, mit denen sie eingreifen kann. Die Rote Liste heißt im Grunde ja nur, dass wir gerne beobachten möchten, was da geschieht, und dass wir möchten, dass man bei einem Neubau ein bisschen mehr auf die Umgebung achtet.

Falter: Das klingt sehr diplomatisch – ebenso wie Ihre Empfehlung, Höhe und Material des Aufbaus nochmals zu überdenken. Ist die Aberkennung des Weltkulturerbes damit definitiv vom Tisch?
Wiese von Ofen: Das bleibt letzten Endes immer die Entscheidung des Komitees der Unesco.

Falter: Gibt es objektiv messbare Kriterien für Ihre Empfehlungen, oder sind das eher Bauchentscheidungen?
Wiese von Ofen: Also Bauchurteile sind das nicht. Die Empfehlungen der Unesco orientieren sich immer am Kontext. Es geht also stets um Fragen des Materials, der Proportion, des Maßstabs, der Einfügung in bestehende Substanz. Andererseits muss jeder Fall aber auch individuell behandelt werden.

Falter: Ganz subjektiv: Finden Sie das Projekt von Kastner & Öhler schön?
Wiese von Ofen: Ich finde es ist sehr viel besser geworden. Ich fand es am Anfang sehr schwierig, da es wie ein Ufo über die Altstadt geworfen schien. Auch hatte die Dachform mit dem darunter liegenden Haus überhaupt keine Verbindung.

Falter: Apropos UFO: Zum Kunsthaus Graz soll die Unesco einmal geäußert haben, damit habe Graz die Architektur des 21. Jahrhunderts wohl bereits konsumiert. Bleibt dieser Spruch aufrecht?
Wiese von Ofen: Also von mir stammt diese Aussage mit Sicherheit nicht. Wir können doch nicht in Prozenten sagen, wie viel an 21. Jahrhundert eine Altstadt aushält. Städte haben sich über die Zeiten immer geändert, früher natürlich bescheidener, heute aufgrund der vielen Baumaterialien radikaler. Aber eine Stadt, wenn sie lebendig ist, ist eben so, dass sie sich weiter entwickelt.Der Falter Steiermark erscheint wöchentlich, jeweils am Mittwoch.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Kommentar; erschienen im Falter Stmk., am 25.10.2006
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