14/03/2012
14/03/2012

Ausstellungsansichten. Fotos: stadtmuseumgraz

Ausstellungsansichten. Fotos: stadtmuseumgraz

Ausstellungsansichten. Fotos: stadtmuseumgraz

Nach dem Besuch der Ausstellung „Schauplatz Annenviertel“ im Stadtmuseum Graz ist man um zwei Erkenntnisse reicher: Erstens, es wuselt bunt und vielfältig im Annenviertel; zweitens, das Annenviertel ist kein begrenzter Raum, sondern eine Gedankenwelt. Es wird also interessant, wie die (angekündigte) Ergänzung des Stadtmodells im Stadtmuseum durch dieses Viertel räumlich begrenzt sein wird. Das Stadtplan-Quadrat des Projekts von Joachim Heinzl stellt hierfür wohl kein Muster zur Verfügung, da es sich um ein Netzwerk aus erinnernden, beziehungsreichen Objekten von AkteurInnen des Viertels handelt, eben um eine Gedankenwelt.

Die Ausstellung ist eine spannungsreiche Mischung aus Thematisierung eines öffentlichen Raums und Präsentation von ausgesuchten Initiativen und Projekten, die dort verortet sind. Diskurse um Integration, Dekonstruktion von Frauenrollen, Gestaltung des urbanen Raums werden problematisiert aus der Perspektive „von unten“, von Betroffenen und AkteurInnen selbst. Das emanzipatorische Moment wird in der Präsentation auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die BesucherInnen zum Mitmachen aufgefordert werden (z. B. individuelle Platzbenennungen). Selbst KennerInnen der Gegend eröffnen sich durch diese Zugänge neue Einblicke, etwa durch Fotos in „Hinterzimmer“ oder durch die „kollektiven Erinnerungen des Ensembles des TiB“.

Der „Schauplatz Annenviertel“ präsentiert sich dergestalt als bunt, fröhlich und aktiv. An wenigen Stellen werden Konflikte und Grenzen der emanzipatorischen Möglichkeiten thematisiert. Namensgeberin des Viertels ist die Annenstraße, und sie wird nur im Erdgeschoß explizit genannt. Auch hier wird ein mögliches Konfliktfeld zwischen Gestaltung „von oben“ und „von unten“ umgangen. Durch den Holzzaun, der den Umbau symbolisiert, werden Bilder möglicher Nutzungen des künftigen „Mehr Platz für Menschen“-Raums gezeigt wie etwa Straßenmusik, Aktionen oder Demonstrationen. Gentrifizierung, als eine Forderung in den zahlreichen Studien zur Annenstraße, wird nur marginal reflektiert. „Aufwertung“ kann als Faktor von Lebensqualität für eine heterogene Gesellschaft definiert werden, wie hier geschehen, aber auch als beinharter ökonomischer Prozess (soziale Veränderung des Viertels). Ein gutes Symbol für dieses Spannungsfeld ist die Intervention von ZWEINTOPF am Südtiroler Platz (auf einem Foto in der Ausstellung zu sehen): ein Kunstprojekt am Haus, das für „Fünf-Sterne-Wohnen“ vorgesehen ist.

An einem repräsentativen städtischen Ort, dem Stadtmuseum, ausgestellt, ist dieses Narrativ des Möglichen ein wichtiges Signal der urbanen Integration der „Murvorstadt“ - unterstützt auch von Stadtbaudirektion und Stadtteilmanagement. Für Neulinge in der Gedankenwelt Annenviertel bietet sich eine breit angelegte Umschau, für KennerInnen das eine oder andere neue Detail. Wer sich einmischen will, ist bei vielen Initiativen willkommen, auch nach dem 29. April.

Zur Information:
Schauplatz Annenviertel. Arbeit an der Zukunft einer städtischen Gesellschaft
Eine Ausstellung in Kooperation von , Stadtbaudirektion – Stadtteilmanagement
Annenviertel und stadtmuseumgraz

Ausstellungsort: Stadtmuseum Graz, Sackstraße 18, 8010 Graz
Ausstellungsdauer: bis 29.04.2012
Öffnungszeiten: DI-SO 10.00-18.00 Uhr

AUSSTELLUNGSBEITRÄGE
Thematische Inseln kommen von:
Kunstverein Baodo, Büro der Nachbarschaften, Danaida, ISOP, Lendwirbel, Mafalda/JA.M Mädchenzentrum/raus aus der box, Verein Mutter Teresa Graz, NMS St. Andrä, Pfarre St. Andrä, Radio Helsinki, spektral,
Stadtbibliothek Zanklhof

Diese Beiträge entstanden unter Mitarbeit von zahllosen AktivistInnen und KünstlerInnen, von denen folgenden ganz besonders gedankt sei: Marianna Asatrjan, Gunda Bachan, Darvishi Darvish, Joseph Dim, Veronika Dreier, Hermann Glettler, Marianne Hammani-Birnstingl, Sigi Heistinger, Claudia Holzer, Manfred Kinzer, Ursula Kufleitner, Sabine Lamprecht, Martin Marku, Ulrich Mertel, Maryam Mohammadi, Cheikh Niass, Deniz Ölzek, Anita Pieber, Cristian Polpa, Norbert Prettenthaler, Liz Pulko, Lilli Rabitsch, Thomas Raggam, Mario Rampitsch, Michael Ramutschnig, Robert Reithofer, Florian Rüdisser, Roswitha Schipfer, Ingrid Sint, Margit Steidl, eva helene stern***, Leyla Trabi, Irene Windisch

Weitere eigenständige Ausstellungsbeiträge stammen von:
annenpost.at | FH Joanneum, annenviertel.at, Druckzeug, ENKS, Joachim Hainzl, JUKUS, Leni Kastl & KampfstrickerInnen, Karin Lernbeiß, Real Life Heroes, Stadtbaudirektion, Theater im Bahnhof, Zweintopf u.a.

RAHMENPROGRAMM:

ANNENVIERTEL! Performativer Vortrag
Samstag, 17. März 2012, 15.00 Uhr
Meine Fluchtgeschichte von Kabul nach Graz
Darvishi Darvish erzählt, Edda Strobl fasst das in schnelle Bilder
Der aus Afghanistan stammende Darvishi Darvish berichtet über seine Erlebnisse auf der Flucht von Kabul nach Graz. Während er seine Geschichte erzählt, wird diese zeitgleich von der Künstlerin Edda Strobl in schnellen assoziativen Bildern begleitet. Die Zeichnungen verbleiben dann in der Ausstellung SCHAUPLATZ ANNENVIERTEL!.

ANNENVIERTEL! Rundgang
Donnerstag, 29. März 2012, 17.00-19.00 Uhr
Im Kampf für unsere sozialen Rechte.
Ein Rundgang zu den Wurzeln der Grazer ArbeiterInnenbewegung im Annenviertel mit Joachim Hainzl
Treffpunkt im stadtmuseumgraz
Der Rundgang beginnt mit einer sozialgeschichtlichen Einführung beim Annenviertel-Stadtmodell im stadtmuseumgraz über die Teilung von Graz durch die Mur als soziale Bruchstelle. Auf den weiteren Stationen geht es um den Aufstieg der Grazer ArbeiterInnenbewegung (an den Beispielen der Gründung der Kinderfreunde durch Afritsch, der Konsumbewegung), ihrer repräsentativen Verankerung im Stadtbild (am Exempel der Arbeiterkammer), bis hin zum Höhepunkt der politischen Auseinandersetzungen mit dem aufkommenden Austrofaschismus im Februar 1934.

ANNENVIERTEL! Aktionstag
Samstag, 14. April 2012, 10.00-18.00 Uhr
Workshops, Aktionen, „Sprechstunden“ und Musik
Den ganzen Tag über können Sie mit den AktivistInnen aus dem Annenviertel, den KünstlerInnen und Initiativen ins Gespräch kommen.
Überblicksführungen zu jeder geraden Stunde! (10.00, 12.00, 14.00 und 16.00 Uhr)

In Kooperation mit den an der Ausstellung beteiligten Initiativen, Organisationen und KünstlerInnen

ANNENVIERTEL! Diskussion
Mittwoch, 25. April 2012, 19.00 Uhr
Wohnbau im Annenviertel. Die Auswirkungen auf den Stadtteil
Haus der Architektur, Mariahilferstraße 2, 8020 Graz

IMMER WIEDER SONNTAGS | Jeden Sonntag um 14.00 Uhr
Überblicksführung durch die aktuelle Ausstellung. Treten Sie in den direkten Dialog mit den AusstellungsvermittlerInnen.

ANGEBOT FÜR KINDER:

STADTSTREIFZÜGE
Losgehen, Sammeln, Sichten, Bauen
Workshop für Kinder von 6 bis 12 Jahren

Im stadtmuseumgraz gibt es ein riesiges Modell der alten Grazer Innenstadt. Aber zeigt das Modell auch deinen Stadtteil? Womit könnte man ein neues Stadtmodell bauen? Wir streifen durch Graz und sammeln brauchbare Dinge. Aus unserer städtischen Straßengutsammlung wählen wir im Museum die besten Stücke aus, um damit ein besonders extravagantes Stadtteilmodell zu bauen. Das neue Modell wird im Stadtmuseum ausgestellt!

Termin: Mittwoch, 4. April 2012
von 10.00-13.00 Uhr

Verfasser/in:
Monika Stromberger, Empfehlung
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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