Die sechste Arkaden-Route endete vor dem Palais Saurau in der Sporgasse. Jetzt geht es wieder flacher weiter, wir schauen uns die Paulustorvorstadt genauer an; hier ist das Aufsuchen der architektonischen Besonderheiten öffentlich nicht in jedem Fall möglich. Dafür werden wir im Gelände der Grazer Burg freien Zutritt finden, sofern nicht die gerade anlaufenden umfassenden Restaurierungsarbeiten das erschweren.
Am Fuße des Schloßbergs werden wir uns nicht bei der Hausnummer 4 täuschen lassen. Die hier eine Arkade stützende Säule stammt aus jüngster Zeit und soll nicht unsere Statistik auffetten. Dieses eigentlich unscheinbare Haus beherbergte aber von 1827-55 einen Mann, der in der Geschichte des Schloßbergs eine Rolle spielte: Johann Chrysostomus Ponzier. Er war nach der französischen Invasion von 1809 Leutnant bei der ständischen Feuerwache am Schloßberg und damit Vorgesetzter des Anton Sigl, des Schöpfers des wunderbaren Schloßberg-Modells.
68) Paulustorgasse 6: im 19. Jh. Gasthaus „Zum Apfel“
Am Portal-Schlussstein des Eckhauses zur Sauraugasse können wir die Jahreszahl 1612 nur schwach ausmachen, aber an der südlichen Durchfahrtswand ist eine dunkle Steintafel mit „ANNO DOMINI 1612“ eingemauert. Die Jahreszahl zeigt uns, dass dieses Viertel zwischen der alten Stadtmauer und dem neuen Paulustor, das nach geometrischen Plänen des Hofkriegsrates Poppendorf entstanden ist, als Konsequenz der nun einsetzenden Gegenreformation nur mit treuen Katholiken besiedelt wurde. Der Erbauer dieses Hauses ist aber nicht überliefert. Im Hof sehen wir drei flachbogige Pfeilerarkaden aus der Erbauungszeit (Bild 2).
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde 1600 an der Stelle verbrannter protestantischer Bücher ein Kapuzinerkloster erbaut, das nach der Aufhebung unter Kaiser Josef II. 1788 zum Irrenhaus und dann 1913 zum Volkskundemuseum wurde.
Beim Weitergehen sollte man das Palais Wildenstein nicht übersehen, das im Jahre 1698 fertig wurde, wie die Jahreszahl auf dem Prellstein an der Ecke verrät. 1732 ging es an das Stift St. Lambrecht, nach dessen Aufhebung durch Kaiser Josef II. im Jahre 1786 wurden Gebäude und Garten für das Allgemeine Krankenhaus bestimmt und als solches bis zur Erbauung des LKH in Sankt Leonhard benützt, 1926 zog dann die Staatspolizei hier ein. Heute sind hier mehrere private Unternehmen und ein Lokal einquartiert und der schöne Innenhof ist frei zu besichtigen.
69) Paulustorgasse 17: ehemaliges Findelhaus
Das Haus Nr. 17 gehörte ehemals auch zum Krankenhauskomplex und wurde als Findelhaus bezeichnet. Im Inneren dieses architektonisch hochinteressanten Hauses ist noch der 30 m tiefe, siebengeschossige „Basteibrunnen“ aus dem 16. Jh. erhalten, der manchmal bei Führungen gezeigt wird. Corbinian von Saurau kaufte 1740 zu dem ihm gehörigen Haus Nr. 15 („Palmburg“, ehemals Bezirksgericht) zwei kleine Häuser dazu und verband sie miteinander. Zu dem dahinter in der Höhe des Dachgeschosses liegenden Garten ließ er einen Verbindungsgang bauen, an dessen Ausgang sich ein Pavillon befindet, von dem zwei Arkaden mit vier schlanken toskanischen Säulen in den kleineren Hof des Hauses Nr. 17 führen (Bild 3) und eine mit zwei Säulen in Richtung Nordwesten zu dem durch eine Mauer abgetrennten größeren Garten von Nr. 15.
Diese beiden Höfe sind öffentlich nicht zugänglich, die Arkaden könnten aber außerhalb der Vegetationsperiode von einem – derzeit nicht empfehlenswerten – Weg eingesehen werden, der ober dem Stolleneingang durch eine Öffnung in der Stadtmauer oberhalb der Steilwand des Schloßbergs entlangführt; ein mächtiger Dachsbau erschwert derzeit eine Begehung zusätzlich. Ich wage es dennoch, der Stadt Graz langfristig eine Wiederherstellung bzw. Sicherung dieser interessanten Verbindung in Richtung Franzosenkreuz zu empfehlen.
70) Paulustorgasse 12: Äußeres Paulustor
Wie oft ist man schon durch dieses Kammertor gegangen oder gefahren, aber nie hat man im Hof nach oben geblickt. Die kleine Arkade des Übergangs ist mit ihren kleinen Säulen (zwei toskanischen und der mittlerem mit ionischem Kapitell (?) der einzige Lichtpunkt des Inneren dieses mächtigen und furchteinflößendes Torbaus (Bild 4), der 1582 begonnen, aber erst 1612 fertiggestellt wurde. Von außen zeigt er sich in voller Pracht mit den Wappenkartuschen seiner Erbauer Erzherzog Ferdinand II. (links) und Maria Anna von Bayern, seiner ersten Gemahlin.
Den Rückweg sollten wir über den Stadtpark machen. Nach Umrundung der Spitze der Karmeliterbastei (auch hier sind die Initialen „I P“ des italienischen Festungsbaumeisters Giacomo della Porta zu sehen) können wir über die Sauraugasse in die namenlose Gasse einbiegen, von der aus wir den rückwärtigen Zugang zu Karmeliterplatz 1 erreichen.
71) Karmeliterplatz 1: ehem. Päpstliche Nuntiatur
Das nach 1600 erbaute Renaissancehaus – mit dem pittoresken Eckerker auf Säulen und einer nicht mehr erkennbaren Gestalt als Prellstein – diente bald danach dem päpstlichen Gesandten am Grazer Hof als Domizil. Wir erreichen die Arkaden des interessanten Hauses nach einem kurzen Durchgang. Der kleine, ehemals wohl sehr stimmungsvolle Innenhof ist durch Umbauten etwas entstellt, zeigt aber noch eine Pfeilerhalle und darüber im westlichen Obergeschoß eine fast eingemauerte toskanische Säule als Rest einer Arkade (Bild 5).
72) Karmeliterplatz 3: ehem. Karmeliterkloster, jetzt Landesarchiv
Das 1629 von Ferdinand II. gestiftete und vom Landeshauptmann, dem Fürsten Johann Ulrich von Eggenberg sowie führenden Adelsgeschlechtern reich ausgestattete Karmeliterkloster wurde nach Abbruch einiger Bürgerhäuser erbaut. Nach der Aufhebung durch Kaiser Josef II. wurde es zum Militärspital bestimmt und umgestaltet, nach dem 1. Weltkrieg 1927 als Gendarmeriekaserne eingerichtet. 1983 begann der Umbau zum Steiermärkischen Landesarchiv, im oberen Zwischendeck der einstigen frühbarocken Kirche ist heute der Lesesaal. Wo heute die Kuppel des Tiefspeichers über die Dächer schaut, findet sich im ehemaligen Innenhof der Rest einer Pfeilerarkade (Bild 6), die zum Bauteil in der Sauraugasse gehört. Er ist nur im Zuge von Führungen zu besichtigen.
73) Karmeliterplatz 6: ehem. Palais Prandegg bzw. Galler
Gegenüber dem Landesarchiv dominiert den Platz ein mächtiger Baublock, in dem die Österreichische Volkspartei Steiermark ihren Sitz hat. 1674 erwarb der Hofkammerrat Viktor Jakob Graf von Prandegg zwei Häuser und ließ sie zu einem barocken Palais umgestalten. Die wunderbaren achtachsigen Arkadengänge der Gartenfront dürften auch noch von ihm stammen. Im Erdgeschoß sind es Pfeiler, in den beiden Obergeschoßen toskanische Säulen; das vorgerückte Stiegenhaus an der östlichen Ecke des Altbaus hat heute wieder offene Loggien (Bild 7). 1693 ging das Palais für 15.000 Gulden an Wilhelm Graf Galler, von dem es heute den Namen hat. Der Balkon vor dem Portal und der östliche Teil wurden erst 1834 für Friedrich Chevalier de Bachet durch Andreas Stadler stilgerecht angebaut.
Wir können aus dem Foyer in den Hof des benachbarten Gebäudes gelangen.
74) Karmeliterplatz 5: ehem. Stallgebäude
1835 ließ de Bachet, der Besitzer des benachbarten Palais von Andreas Stadler ehemalige Nebengebäude zu einem Wohnhaus erweitern. Der langgestreckte Hof weist an der Südseite im Erd- und Obergeschoß teilweise zugemauerte Pfeilerarkaden aus der Bauzeit auf (Bild 8).
Auf unserem weiteren Weg kommen wir am Spielzeugmuseum im Haus Hartiggasse 4 vorbei. Die lt. Andorfers Baualterplan im Bereich des heutigen Gastlokals ursprünglich vorhandenen Arkaden sind verschwunden, ein Bogen ist noch im Museumsteil erhalten, zählt aber in unserer Statistik nicht mit.
Der Durchgang zwischen Schauspielhaus und Kulissendepot (einige Spolien von Basteibauten sind im Fundament eingemauert) führt uns über zwei Ecken in den dritten Burghof.
75) Hofgasse 13: ehem. Landesdruckerei
1918 wurde hier die Landesdruckerei erbaut, die man für ein Werk des Biedermeier halten könnte. Oberhalb der Durchfahrt ist im Verbindungsgang zum Burgtrakt beidseitig eine Arkade aus gedrungenen Säulen erkennbar (Bild 9 von außen).
Im dritten Burghof ist an der Südseite die mittelalterliche Stadtmauer im mächtigen Mauerwerk erhalten, während die ehemals in der Mitte des Hofes verlaufende Zwingermauer von 1441 vermutlich noch unter dem Asphalt der Parkplätze verborgen liegt. Es wäre wichtig, ihr Fundament im Zug der anlaufenden Restaurierungen freizulegen.
76) Hofgasse 15: gotische Arkaden im Burghof
Die Durchfahrt zum mittleren Burghof wurde erst später durch die mittelalterliche Stadtmauer gebrochen; in einer seitlichen Abstellkammer ist ihre unverputzte Innenseite noch zu sehen ist. Der an die östliche Stadtmauer angelehnte Friedrichsbau ist mit der zweigeschossigen Kapelle der letzte Rest der Anlage des Kaisers (vom Burggarten aus ist dreifach die Jahreszahl 1447 zu sehen). Ursprünglich waren im früher tiefer liegenden Erdgeschoß (erst die durch die Stadtmauer gebrochene Durchfahrt hob das Niveau an) liegende spitzbogigen Arkaden (Bild 10) offen; Reste sind auch noch im südlichsten Teil erhalten.
Welche Funktion die dahinter liegende „Ein-Säulen-Halle“ erfüllt hat, ist noch nicht endgültig geklärt, gotische Fresken mit dem Bildnis von König Salomon lassen unterschiedliche Deutungen offen. Die jetzt anlaufenden Restaurierungen könnten eine Klärung bringen.
77) Hofgasse 15: Arkade des Verbindungsgangs
Diese nach 1950 gleichzeitig mit der neuen „Tintenburg“ neu komponierte Arkade trägt Züge romanischer Säulen mit Würfelkapitellen (Bild 11), ein hier wohl unangebrachter Stilbruch, der historisch interessierte Besucher immer wieder rätseln lässt. Der dahinter liegende „Ehrenhof“ berühmter steirischer Persönlichkeiten wird nach dem vorliegenden Projekt bald in einem neuen Wald versteckt werden. Hoffentlich gibt es dann noch einen guten Blick auf die nächste Station:
78) Hofgasse 15: Registraturtrakt der Burg
Für die Verwaltung von Innerösterreich wurde 1581/85 im Auftrag von Erzherzog Karl II. dieser zunächst nur zweigeschossige Renaissance-Trakt mit heute teils vermauerten Säulengängen in Erd- und Obergeschoß von Marc Antonio Tadei aufgeführt (Bild 12). Bemerkenswert sind die Sgraffiti in den Bogenzwickeln, die stilisiertes Blattwerk zeigen und im Obergeschoß dazu noch eine Balustrade imitieren. Dass eine spätere Aufstockung stilgerecht gelingen kann, bewies Architekt Franz Drobny 1917/18.
79) Arkaden vor dem Burgtor
Das spitzbogige mittelalterliche Burgtor muss nach der Osterweiterung der Stadt (1336-1339) entstanden sein und wurde 1401 als „Tor gegen der Grätz“ (den damals noch nahen Kroisbach) genannt. Dass es einst auch „St.-Gilgen-Tor“ (nach der Ägydikirche) geheißen habe, beruht auf einem heute noch immer munter abgeschriebenen Lesefehler von F. Popelka. Im Obergeschoß des Torturms war die erste Schatzkammer von Erzherzog Karl II. eingerichtet. Um eine Verbindung zu Gebäuden in der Burggasse zu ermöglichen, wurde um 1570 dem Tor außen ein Arkadengang vorgelegt; im Erdgeschoß sind es drei Achsen auf Pfeilern, in den beiden Obergeschoßen je sechs Achsen mit je fünf toskanischen Säulen (Bild 13). Die Verglasung des zuerst offenen Ganges erfolgte erst 1832/38.
Viel Vergnügen bei der virtuellen Tour wünscht wieder Peter Laukhardt, Fortsetzung folgt.