05/07/2011
05/07/2011

Am 18. Mai 2011 lud das Grazer BürgerInnenbüro zu einem Planungsworkshop in Don Bosco.

Expertenvortrag zur Einführung in den Workshop

Kleine Planungskunde

Workshop. Fotos: Elisabeth Lechner

Stadtrandsiedlung Amselgasse, Graz: Warum will die Stadtplanung in dieser historischen Siedlung nachverdichten?

MINUS -

Dense City, eine modische Bezeichnung für Verdichten in urbanen Räumen, geht um. Mit Begriffen wie Urbanität, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung wird versucht, Nachverdichtung zu argumentieren und zu verkaufen. Hohe, urbane Dichte wird so zur schicken Kategorie und macht auch nicht vor historischen Stadtteilen halt. Weniger gut argumentierbare Gründe für Nachverdichtung wie ökonomischer Druck und hohe Renditen werden eher verschwiegen.
Wenn im Entwurf zum neuen STEK der Stadt Graz gerade für die Bezirke Lend und Gries höhere Verdichtung angestrebt wird, ohne für entsprechende öffentliche Freiräume zu sorgen und wenn sogar bestehende Parks „irrtümlich“ vergessen werden, dann lösen solche Planungen Ängste aus und es stellt sich die Frage, wessen Interessen die Stadt damit eigentlich vertritt – die der Investoren oder der Bevölkerung. Wenn Nachverdichtungswünsche dann noch gegen die Interessen der BewohnerInnen und ohne Verständnis für schützenswerte Strukturen und ökologische Qualitäten durchgeboxt werden sollen, wird es bedenklich.

BEISPIEL AMSELGASSE
Folgendes passiert derzeit in der historischen Stadtrandsiedlung Amselgasse. (GAT berichtete.) Die Stadtplanung will nachverdichten und meint, dies werte die Grundstücke auf, die BewohnerInnen sind naturgemäß anderer Meinung und wollen das nicht. Die Haltung der Stadtplanung war und ist in dieser Siedlung alles andere als konsistent. Sie schwankt vom strikten Verbot, die Gärten zu verbauen, bis zu einer geheim behandelten internen Leitlinie, wonach in zweiter Reihe eine gekuppelte Bebauung mit höherer Dichte als die Bestandsbebauung angedacht ist. Als bei einem Bauprojekt dann diese „geheime Leitlinie“ umgesetzt werden sollte, reichte es den BewohnerInnen. Sie sammelten über 100 Unterschriften, übergaben diese dem Bürgermeister und verlangten eine Informationsveranstaltung.
Am 18. Mai 2011 lud das BürgerInnenbüro zu einem Planungsworkshop nach Don Bosco.
Unter dem vom Moderator ausgegebenen Motto „Heute gibt es für Sie etwas zu tun“ sollten die TeilnehmerInnen die Bestandsdichte ermitteln, ihre Wunschvorstellungen aufzeichnen und im Modell darstellen. Fragen wie: „Sind wir hier in einer Selbsthilfegruppe?“ oder „Warum will die Stadtplanung in dieser historischen Siedlung verdichten?“ und allgemeine Überforderung der TeilnehmerInnen brachten das Konzept der Veranstalter gleich zu Beginn ins Wanken. Das Gebiet sei als Vorrangzone für Siedlungsentwicklung ausgewiesen und man wolle mit den BewohnerInnen Rahmenbedingungen für Verdichtung und einen eventuellen Bebauungsplan entwickeln. Einige BewohnerInnen fragten nach den Vorstellungen der Stadtplanung und wollten endlich die „geheimen Leitlinien“ sehen. Als die Vertreter des Stadtplanungsamtes deren Existenz bestritten, kam das bei den gut informierten Aktivisten schlecht an. Dennoch machten die Gäste beim Spiel „Laien basteln eine Siedlung“ mit und zeichneten ihre unterschiedlichen, teilweise auch zynischen Vorstellungen auf, das Modellbauen lehnten sie ab. Auf die Frage, welche Garantien es für die Realisierung der BewohnerInnenwünsche gäbe, hieß es seitens der Veranstalter lapidar: „keine“. Eine Fortsetzung wurde versprochen, ebenso ein Protokoll der Ergebnisse.

Die BewohnerInnen wollten eine Informations- und Diskussionsveranstaltung über die Vorhaben der Stadtplanung zur Verdichtung in ihrer Siedlung. Bekommen haben sie einen seltsamen Planungsworkshop, der von vielen als Alibiaktion zur Beruhigung der aufgebrachten Stimmung gesehen wurde.

In der Reihe PLUS / MINUS werden positive wie negative Gestaltungen und Details aufgezeigt, die das Auge erfreuen oder beleidigen.

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Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Kommentar
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