20/10/2009
20/10/2009

Gelungenes, integratives Wohnen in der einstigen Gendarmerie-Siedlung in Leibnitz. erste Planungsphase: G2plus (Norbert Grabensteiner / Martina Kalteis), weitere Planung und Fertigstellung: Norbert Grabensteiner ROOM-SERVICE

Erika Petras und Daniel Prielepeck lernen so selbständig wie möglich zu wohnen.

Dionne Jantscher, Leiterin Bereiche Wohnen und Freizeit von alpha nova in Leibnitz. Fotos: Gerlinde Knaus

Dort, wo alle wohnen, wollen auch Menschen mit Behinderung wohnen können. Mitten in der Stadt. In Wohnsiedlungen. Wie in Leibnitz zum Beispiel.

Daniel Prielepeck ist stolz auf seine erstes, „eigenes Zuhause“ in einer der alpha-nova-Wohngemeinschaften. In der Trainingswohnung bereitet er sich auf die Aufgaben eines Wohnalltages vor. Er möchte das Wohnen zunächst im „geschützten Raum“ üben, um eines Tages so selbständig wie möglich wohnen zu können. Dafür braucht er vor allem eines: Sicherheit. Der schüchtern wirkende 16jährige Jugendliche hat Lernschwierigkeiten. In der Schule und zu Hause wurde er deswegen oft gehänselt. „Hier sind alle nett und niemand sagt ‚schiache‘ Wörter zu mir“. Er lacht etwas verlegen, überlegt kurz und dann sprudelt es aus ihm heraus: „Ich mache jetzt den Moped-Führerschein.“ Dabei strahlt er bis über beide Ohren. Und seine Eltern und Geschwister? Hat Daniel Heimweh? „Na“, antwortet er schnell und knapp. Er bekäme ohnehin oft Besuch von seiner Familie. Daniel Prielepeck ist der jüngste Bewohner der betreuten Wohngemeinschaft; seine 26jährige Mitbewohnerin, Erika Petras, die älteste. Beide arbeiten tagsüber, Daniel Prielepeck befindet sich gerade im ersten Lehrjahr einer Teilqualifizierungslehre, Erika Petras ist als Reinigungsfrau in einer Volksschule tätig.

So „normal“ wie möglich
Daniel Prielepeck und Erika Petras wohnen so wie sie es sich wünschen. Und mit ihnen noch weitere sechs Bewohnerinnen und Bewohner in insgesamt vier neuen, teilzeitbetreuten- und Trainingswohnungen in Leibnitz. Sie wohnen in der Stadt, so wie jeder und jede andere auch. Dort, wo nicht behinderte Menschen auch wohnen – in vier von insgesamt 35 neuen Wohnungen in der einstigen „Gendarmerie-Siedlung“. Das Wohnen soll so normal wie möglich ablaufen. Dafür brauchen sie die kompetente Unterstützung von alpha nova. „Die Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten sind vor rund einem halben Jahr eingezogen und sind Mieterinnen und Mieter wie die anderen Bewohner auch“, unterstreicht Ursula Gombotz, Bereichsleiterin „Wohnen und Freizeit“ der alpha nova BetriebsgmbH in Graz, die Wichtigkeit der sogenannten Normalität. Der Tagesablauf unterscheidet sich kaum von jenem anderer Menschen. „Sie befinden sich meist bis nachmittags im betrieblichen Arbeitstraining, machen eine Teilqualifizierungslehre, gehen also einer Arbeit nach oder fahren in eine Tagesstätte“, berichtet Dionne Jantscher, Leiterin der Bereiche „Wohnen und Freizeit“ in Leibnitz. Nach der Arbeit werden die alltäglichen Dinge, wie Kochen, Haushalt, Umgang mit Geld und das sogenannte Freizeitverhalten „intensiv geübt“. Es gibt einen geregelten Ablauf, Putz- und Kochpläne, Regeln fürs Zusammenleben. Dabei werden die Bewohnerinnen und Bewohner von dem alpha-nova-Team, bestehend aus Michael Fink, Anita Baumann, Markus Kratzer, Sabine Stelzl und Alexander Tschernitz, unterstützt.

Sensible Übergangszeiten
Bis auf Erika Petras bezogen alle zum ersten Mal eine eigene Wohnung. Sie kamen direkt von den Eltern. Die Einzugsphase sei dementsprechend „heftig gewesen“, sagt Dionne Jantscher. „Alles war neu, die BewohnerInnen, das Team. Jeder konnte sich dadurch von Anfang an im gleichen Maße einbringen. Das hat uns zusammengeschweißt. Inzwischen ist der Alltag eingekehrt und alle sind ganz gut aufeinander eingespielt.“ Als größte Herausforderung sieht Jantscher die „Eltern- und Umfeld-Arbeit“, besonders bei den jüngeren, noch nicht volljährigen Bewohnerinnen und Bewohnern. „Die Einzugsphase war besonders wegen der Ablösungsprobleme für alle Beteiligten eine sehr sensible Zeit, die viel Verständnis und Einfühlungsvermögen vom alpha-nova-Team erforderte“, so die Teamleiterin. Die Zahl der unter-18jährigen auf der Warteliste für betreutes Wohnen in Leibnitz sei in letzter Zeit deutlich angestiegen. „Für Jugendliche in diesem Alter gibt es hier weniger Angebote als beispielsweise in Graz. Der verstärkte Einsatz von Erziehungshelfern hat sicherlich auch zu dieser Entwicklung beigetragen“, so die Teamleiterin.

ZUR INFORMATION:
„Trainingswohnen und teilzeit-betreutes Wohnen bei alpha nova bedeutet, dass Frauen und Männer mit Lernschwierigkeiten in einem geschützten Rahmen die Fertigkeiten trainieren, um möglichst selbständig und selbstbestimmt in der eigenen Wohnung leben zu können“, erklärt Dionne Jantscher. Diese Wohnform wird als erster Schritt in Richtung selbständiges Wohnen gesehen. Entweder werden die Frauen und Männer nach einiger Zeit in eine eigene Wohnung mit Wohnassistenz ziehen oder es stellt sich heraus, dass betreutes Wohnen für sie passend ist. Ist das der Fall, können sie auch bleiben, da es keine zeitliche Begrenzung für diese Wohnform gibt.

Verfasser/in:
Gerlinde Knaus, Bericht
Redaktion GAT

Das Projekt Marburger Straße wurde nicht, wie fälschlicherweise von der Redaktion GAT kolportiert, von BAU.WERK.STATT – graz, sondern von Arch. DI Norbert Grabensteiner geplant. BAU.WERK.STATT – graz hat die Realisierungsabwicklung (ÖAB) betreut und die Fertigstellung abgewickelt. Das Projekt wurde unter dem Label G2plus (Norbert Grabensteiner / Martina Kalteis) gestartet und nach dem Bürosplitting unter „ROOM-SERVICE“ fortgeführt.
Die entsprechenden Korrekturen wurden nun im Bildtitel vorgenommen.

Do. 29/10/2009 1:09 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+