14/11/2024

Kirchen, Synagogen, Moscheen, Tempel. Religiöse Stätten schaffen Identität und Orientierung in Städten. Viele Geschichten, Kulturen und Religionen machen Graz aus, doch das Grazer Stadtbild spiegelt diese kulturelle Vielfalt nicht wider. 

14/11/2024

Stadtpfarrkirche in der Herrengasse Graz, 2024

©: Amelie Schenk

Synagoge Graz, Foto: Isawal unter CC 04 (Wikipedia)

Islamisches Kulturzentrum Graz, 2018, Foto: Clemens Stocker unter CC 03 (Wikipedia)

Christlich geprägt

Die Grazer Stadtkrone ist das historische Zentrum der Stadt. Der Dom, die Burg, das Mausoleum, die alte Universität und das Priesterseminar stehen am Fuße des Schlossbergs über dem Rest der Stadt. Das Bild der Stadtkrone prägt auch den Rest von Graz.

Knapp 70 Kirchen stehen in Graz. 60 davon römisch-katholisch, fünf evangelisch und zwei orthodoxe Sakralbauten zeigen die Wurzeln der Stadt im Christentum. Sie präsentieren alle Stile, die 600 Jahre Geschichte zu bieten haben. Von Gotik über Barock und Rokoko bis hin zu Kirchen im Stil der Moderne findet man hier.

Im Erscheinungsbild haben sie einige Merkmale gemeinsam. Die meisten Kirchen haben ein bis zwei hohe Türme und zeichnen sich durch klare Ecken und Kanten aus. Die kleineren haben nur ein einfaches Kirchenschiff, die größeren zumindest ein oder zwei Seitenschiffe. Fast immer handelt es sich um längs gestreckte Baukörper mit einer Apsis, die Richtung Osten gerichtet ist.

Die Kathedrale Graz, auch bekannt als Grazer Dom, und die Mariahilferkirche sind zwei Beispiele für barocke Architektur, die innen für alle Anlässe ausgestattet sind und außen mit kunstvollen Fassaden aufwarten. Bei modernen Kirchen wie der Salvatorkirche in Geidorf wurde 1969 von Karl Raimund Lorenz geplant. Hier kann man auch Strömungen der Grazer Schule erkennen.

Die evangelische Heilandskirche am Kaiser-Josef-Platz ist das einzige Bauwerk der Stadt im romantischen Historismus. Das ehemalige Bethaus wurde 1853 nach den Plänen von Franz Zehengruber umgebaut. Der Innenraum der Heilandskirche ist geprägt von einer klaren Linienführung und einem hohen Kirchenschiff, das den Besucher*innen eine ruhige und feierliche Atmosphäre bietet. Die Kirche dient nicht nur als Ort des Gottesdienstes, sondern auch als kultureller Treffpunkt und Veranstaltungsort für Konzerte und Ausstellungen.

Die Kirche Hl. Kyrill und Method wurde Ende des 19. Jahrhunderts als römisch-katholische Kirche von Carl Lauzil errichtet. Sie wird seit den 90er-Jahren der serbisch-orthodoxen Kirche zur Verfügung gestellt und liegt am Grazer Zentralfriedhof im Bezirk Gries. Der Bau zeichnet sich durch den Kirchenraum mit einem fast quadratischen Grundriss und einer großen Kuppel aus. Die große Kuppel des Hauptraums wird von zwei kleineren Kuppeln flankiert.

Der Bezirk Gries ist überhaupt eine Besonderheit. Er ist der einzige Grazer Bezirk, in dem weniger als 50 % der Bevölkerung die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Genau dieser Bezirk hat mit insgesamt elf Kirchen die meisten Sakralbauten der Stadt.

 

Ein Erbe der Geschichte

Die jüdische Gemeinschaft kam ab Ende des 19. Jahrhunderts in der alten Grazer Synagoge zusammen. Diese wurde im Zuge der Novemberpogrome in den Anfängen des Zweiten Weltkriegs in Brand gesteckt und völlig zerstört. Nach einem Beschluss des Grazer Stadtparlaments von 1998 wurde auf den Mauerresten der alten Synagoge die neue Synagoge gebaut. Das Architektenpaar Jörg und Ingrid Mayr setzte das Projekt um und die Synagoge wurde im Jahr 2000 eröffnet.

Die neue Synagoge hat einen quadratischen Grundriss, eine Glaskuppel und große Fensterflächen an allen Seiten. All das wird von zwölf Säulen getragen. Im Neubau wird ein traditionelles Raumkonzept verwendet. Die Bimah, auf der Thoralesungen gehalten werden, ist in der Mitte des Raumes und davor ist der Thoraschrein, der mit raumhohen blauen Vorhängen verhangen ist. An den restlichen drei Seiten in der Männerabteilung finden 100 Personen Platz. In der Galerie darüber, der Frauenabteilung, ist noch einmal für 45 Personen Raum zum Sitzen.

Das wiedererrichtete Gotteshaus geriet schon kurze Zeit nach der Erbauung in Kritik. Durch die großen Glaselemente und fehlende thermische Vorkehrungen sind der Gebetsraum über Monate nicht verwendbar. Im Sommer erreicht es eine Raumtemperatur von 45 Grad Celsius, im Winter tritt die Wärme aus und es ist zu kalt, um zu beten. Aus diesem Grund wurde im Amtshaus der jüdischen Gemeinschaft gleich gegenüber der Synagoge ein zweiter kleinerer Gebetsraum mit Platz für 65 Personen eingerichtet.

 

Spirituell da, architektonisch nicht

Die muslimische Community in Graz ist besonders in den Bezirken Gries und Lend deutlich spürbar. Muslim*innen in Graz stammen in erster Linie vom Balkan. Dieser Zusammenhang stammt aus der Zeit der Monarchie, in der Österreich bereits in engem Austausch mit dem Balkan und vor allem mit Bosnien-Herzegowina war. Seit dem Islamgesetz 1912 ist der Islam eine staatlich anerkannte Religion und das Einrichten von öffentlichen Gebetshäusern erlaubt.

Insgesamt stehen Muslim*innen in Graz neun Orte zum Gebet zur Verfügung. Es wird unterschieden zwischen Moscheen und Gebetsräumen. Acht der neun Gebetsstätten für Muslim*innen in Graz sind Gebetsräume, Moschee gibt es nur eine. Das liegt daran, dass eine Moschee im Islam nicht erst durch Umfunktionierung zur Moschee werden kann, sondern als solche gebaut werden muss. Gebetsräume sind einfacher einzurichten, aber nicht so repräsentativ für den Glauben.

Ihren Stolz und ihren Glauben kann die muslimische Gemeinschaft in Graz daher nur schwer nach außen zeigen. Die Gebäude, die ihnen in Graz zur Verfügung stehen, heben sich kaum vom Erscheinungsbild der Stadt ab. Die Gebetshäuser und -räume der Muslime liegen in einfachen Gebäuden an gewöhnlichen Straßen und haben selten eine repräsentative Adresse. Minarette und Kuppeln vermisst man hier und so geht auch ein Stück der religiösen Identität verloren.

Die einzige Moschee, die in Graz als solche erkennbar ist, ist das Islamische Kulturzentrum Graz in Puntigam. Das Gebäude sticht mit einer grünen Fassade und einem quaderförmigen Aufbau aus der Umgebung heraus. Das Projekt wurde 2011 infolge eines Wettbewerbs von Gerhard Springer von gsp-Architektur umgesetzt. Die Moschee liegt in einem Wasserbecken, an dessen Eckpunkt ein stilisiertes Minarett ohne weitere Funktion steht. Rund um die Moschee wurden eine Schule, ein Kindergarten, Büro- und Wohnanlagen und ein Innenhof als zentraler Ort des Zusammenkommens konzipiert und umgesetzt.

 

Zen in Graz

Fünf buddhistische Zentren findet man in Graz, drei davon im Bezirk Lend, eines in Andritz und eines im Bezirk Sankt Leonhard. Im Volksgarten findet man eine weitere buddhistische Stätte, die Friedensstupa. Die Gebäude bieten einen Ort, um zusammenzukommen, präsentieren sich aber nach außen, ähnlich wie bei den meisten Moscheen, nicht als solche.

Das Diamantweg-Zentrum Graz hat seinen Ursprung im Jahr 1972 und ist 1997 an seinen aktuellen Standort auf einem ausgebauten Bauernhof in Andritz umgezogen. Dort wurde bereits 1998 auch eine Weisheitsstupa hinter dem Haus eingeweiht, eine Zeremonie, der Diamantweg-Buddhisten aus der ganzen Welt beiwohnten.

Das buddhistische Zentrum in der Griesgasse befindet sich in einem Mehrparteienhaus und wurde 1995 eröffnet und vom 14. Dalai Lama “She Drup Ling” benannt. Hier werden Meditationen, offene Übungseinheiten und Vorträge angeboten. Regelmäßig wird auch die Friedensstupa im Volksgarten für Feierlichkeiten genutzt.

 

Eine architektonische Symphonie der Spiritualität

Gotteshäuser sind nicht nur Orte des Gebets, sondern auch Symbole der spirituellen Identität und kulturellen Vielfalt. Die Diversität ihrer Architektur spiegelt die unterschiedlichen Glaubensrichtungen, Traditionen und kulturellen Einflüssen wider, die sie formen.

Am Ende unseres Rundgangs durch die Grazer Bezirke können wir ein Resümee ziehen: Die Religionsgemeinschaften verfügen in Graz zwar über Orte, die sie zum Gebet aufsuchen können, die Architektur spiegelt die Vielfalt der religiösen Landschaft aber in den meisten Fällen nicht wider. Dieses Fehlen markanter religiöser Stätten liegt wohl nicht am fehlenden Willen der Gemeinschaften, sondern eher am fehlenden Willen der Politik und sicher auch am mangelnden Platz in den Kernzonen. Könnte man die gesellschaftliche und religiöse Vielfalt, die in Graz steckt, auch an der Architektur erkennen, würde dies womöglich Brücken über Grenzen hinweg bauen. Mit der Moschee in Puntigam ist vor einigen Jahren ein Anfang gemacht worden. Weitere Schritte sollten folgen.

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Im Sommersemester 2024 schrieben Studierende des Architektur-Masters und des PR und Journalismus Masters an der FH Joanneum Graz gemeinsam für www.gat.news – betreut durch Stefanie Weinrauch und Wolfgang Kühnelt auf Seiten der FH und von Petra Kickenweitz und Claudia Gerhäusser aus der Redaktion. Die Themen reichen von Innenstadtrevitalisierung, Tourismus bis zu Boden- und Ressourcenschutz. Wir veröffentlichen ab Herbst sukzessive die Texte der Studierenden.

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