01/07/2025

Zum zweiunddreißigsten Mal findet in den kommenden Wochen eines der vielfältigsten Pop-Kultur-Ereignisse Österreichs statt: Das Poolbar-Festival in Feldkirch. Weit entfernt von einer gewöhnlichen Musik-Veranstaltung verbindet es Kunst, Musik, Literatur, Theater und Kabarett, Film, Fotografie, Grafik und Architektur. Doch neben seinem Programm sind es auch die quasi-kollektive Organisation und seine alljährlich gemeinsam erarbeitete Neugestaltung, die es immer noch ungewöhnlich machen.

01/07/2025

Veranstaltungsplakat für das Kulturbad Feldkirch, der Workshopreihe innerhalb des Poolbarfestivals, © Wohnzimmer (Herwig Bachmann, Klaus Österle), 1996.

Der Introtext lautet: "In interdisziplinärer Zusammenarbeit werden eine Tanz- und eine Theater-Performance produziert. Das Konzept für die Produktion wird gemeinschaftlich entworfen und in Werkstätten umgesetzt."

© Abbildung: Plakatsammlung Wirtschaftsarchiv Vorarlberg, Herwig Bachmann und Klaus Österle, P/6702

Einer der großen Vorteile des Architekturstudiums ist seine inhaltliche Breite und - entgegen einem in Zeiten steigender Lebenserwartung völlig widersinnigen Druck zur Beschleunigung von Ausbildung - seine Dauer. Das führt dazu, dass Architekturabsolvent*innen am Ende oft scheinbar abweichende berufliche Wege gehen, auf die sie ihre Neugier schon während des Studiums angesetzt hat. So ging es auch Herwig Bauer aus Feldkirch, der 1994, noch während seines Architekturstudiums, das Poolbar-Festival initiierte.
Damals unter dem etwas sperrigen Titel „Feldkircher kreAktiv Wochen“ organisierte er eine Reihe verschiedener künstlerischer Workshops. Ihre Zusammenfassung in einem gemeinsamen Raum sollte den Austausch fördern und es ermöglichen voneinander zu lernen. Dazu nutzte er ein klassisches Problem vieler Kommunen, einen großen Leerstand in seiner Heimatstadt:
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war das Jesuitenkonvikt "Stella Matutina",[1] mit wenigen Unterbrechungen bis 1979 als Privatgymnasium geführt worden. Dann wurde der Standort Feldkirch aufgrund von Nachwuchsmangel im Orden aufgegeben. Auch die 1965 nach Entwürfen des Züricher Architekten Walter Bosshart errichtete Sporthalle der Schule, heute bekannt als „Altes Hallenbad“, lag brach, bis die Stadt Feldkirch sie nach vierzehn Jahren 1993 mitsamt dem Grundstück erwarb.

Nach dem Auftakt im Pförtnerhaus des leerstehenden Gymnasiums wurde bereits im nächsten Jahr ein kleines Festival im "Alten Hallenbad" veranstaltet. Bauer und seine Mitorganisator*innen hatten schon früh das architektonische Potenzial des Gebäudes erkannt. Die Konzerte im ehemaligen Schwimmbecken verschoben ohne Eingriffe in die Bausubstanz geschickt das Verhältnis zwischen Künstler*innen und Publikum. Bands, die im gekachelten Pool auf gleichem Niveau oder über ihrem Publikum trockenschwimmen, erzeugen ein außergewöhnlich dichtes Konzerterlebnis.[2] Mittlerweile werden für Auftritte auch der Turnsaal im Obergeschoß und für Veranstaltungen die ehemaligen Umkleiden als "Wohnzimmer" genutzt.

Um die Idee der interdisziplinären Kollaboration nicht aus den Augen zu verlieren, wurde 1996 zum "Kulturbad" eingeladen. Von da an wurden jährlich junge Gestalter*innen aufgefordert, den Auftritt des Festivals zu entwerfen. Im Zeitalter von auf Wiedererkennbarkeit angelegten Identitäten widerspricht das allen Regeln des Marketings. Der offene „Wettbewerb für die temporäre Neugestaltung des Poolbar-Festivals“ bot Studierenden eine erste Gelegenheit, eigene Ideen abseits der Universität zu entwickeln und zu verwirklichen.

Auch aufgrund des Erfolgs des Poolbar-Festivals rüstete die Stadt Feldkirch im Jahr 2000 das "Alte Hallenbad" mit einer Basis-Infrastruktur für Veranstaltungen aus. Sanitäre Anlagen, Belüftung, Künstlergarderoben, Wasseranschlüsse für Bars, Bühnenpodeste und die vorgeschriebenen Fluchtwege erlauben seitdem auch über das Ereignis hinaus einen ganzjährigen Betrieb. Diese minimalen Eingriffe dürften damals aber noch eher der Knappheit der finanziellen Mittel als der Weitsicht eines möglichst ressourcenschonenden Weiterbauens geschuldet gewesen sein. Die Wirkung bleibt die gleiche: Ausgehend von einer privaten Initiative und ohne diese nach einiger Zeit zu vertreiben, wie das üblicherweise nach Zwischennutzungen der Fall ist, entwickelte die Stadt für wenig Geld einen außergewöhnlichen und heute international bekannten Veranstaltungsort.

Die Umwandlung der Studenten-Wettbewerbe in den sogenannten "Poolbar Generator" vor elf Jahren griff den Gründungsgedanken der Veranstaltung wieder auf. Im Rahmen gleichzeitig und im selben Raum stattfindender Workshops entwickeln Studierende schon im Februar in Bereichen wie Architektur, Grafik, Lichtdesign, Literatur oder Street Art jedes Jahr das Erscheinungsbild des Festivals. Dieses wirkt nicht nur auf dem Gelände, sondern auch in der Stadt und darüber hinaus. Einige Hochschulen führen die Teilnahme bereits als Lehrveranstaltung. Die Teilnehmer*innen bekommen Unterkunft und Verpflegung gestellt, die zehntägigen Workshops werden begleitet von Besichtigungen und Führungen, öffentlichen Gastvorträgen und Exkursionen.

Seit einigen Jahren dürfen Auftritte begrenzt auch auf einer Freiluftbühne vor dem Hallenbad stattfinden. Dazu kommen Stände für den Kartenverkauf, die Gastronomie, die Licht- und Tonregie sowie Sitz- und Bewegungsflächen. Dieser Raum sowie das sogenannte Wohnzimmer werden in jedem Poolbar-Generator von Neuem entworfen. Die Wiederholung klassischer Bühnenarchitektur wie bei anderen Veranstaltungen gibt es nicht.

Festivals sind in den 60er Jahren als Ausbruch der Jugend aus den Räumen der etablierten Kultur entstanden. Ihre Beweglichkeit, zeitliche Begrenzung und die dichte Ansammlung vieler Menschen auf wenig Fläche hatten üblicherweise den Preis, eine große Menge an Verschleiß und Abfall zu erzeugen. Das Poolbar-Festival zeigt, wie dem durch die Ausdehnung auf mehrere Wochen, die Wiederverwertung von Material, die Reduktion des Einsatzes großer Maschinen und die Berücksichtigung des Aufwands von Energie und Ressourcen schon in der Planung entgegengewirkt werden kann.

Vor allem aber zeigt es seit nunmehr über dreißig Jahren, welche soziale und kulturelle Wirksamkeit derartige Ereignisse auch weit über die Grenzen eines Festivalgeländes hinaus erzeugen können, wenn ihr Wachstum nicht von einem ökonomischen, sondern von einem gestaltenden Willen geleitet ist.

 

Quellen _______________________

[1] Übers. Morgenstern.

[2] Ein Jahr später schon spielten bald international bekannte Bands wie Tocotronic in der damals knapp 25.000 Einwohner Gemeinde.

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