04/08/2011
04/08/2011

Mag.a Monika Zachhuber, Leiterin der dem Kinderbüro zugeordneten Fachstelle Wohnen, Stadt, Mobilität.

Mag.a Monika Zachhuber, Leiterin der dem Kinderbüro zugeordneten Fachstelle Wohnen, Stadt, Mobilität.

Kinder und Jugendliche gestalteten mit Künstlern von permanent unit eine Graffiti-Wand in der Dominikanergasse in Graz. Foto: KinderParlament

KINDER GESTALTEN Spielplatz auf dem Rosenhain in Graz: Bau eines Weidenhauses: Foto: KinderParalment

Foto: playground

Kriterien für Kindergerechtigkeit im Wohnbau und im öffentlichen Raum: Mädchen und Buben können sich frei bewegen. Es gibt ausreichend Platz für Bewegung, öffentliche Plätze/ Räume dürfen bespielt werden. ...

... genügend Rückzugsmöglichkeiten für Kinder ... (Foto: Ruth Oberthaler)

... Kinder können Spuren in ihrem Umfeld hinterlassen .....

Das Kinderbüro Steiermark wurde 1998 gegründet und ist eine Lobbystelle und Interessenvertretung für Kinder bis 14 Jahre. Seit 2005 ist das Kinderbüro Partner des Landes Steiermark – Fachabteilung 6A, seit 2010 hat es seinen Sitz im Haus des Kindes am Karmeliterplatz in Graz.
GAT traf Monika Zachhuber, Leiterin der dem Kinderbüro zugeordneten Fachstelle Wohnen, Stadt, Mobilität, zum Gespräch.

GAT: Auf welcher Basis steht die Arbeit des Kinderbüros?

MZ: Wir sind eine Lobbystelle für Kinder bis 14 Jahre und arbeiten auf Basis der UN Kinderrechtskonvention. Sie ist der Motor für das Vorantreiben einer kinderfreundlichen Gesellschaft. In meiner Fachstelle „Wohnen Stadt und Verkehr“ handelt es sich um Projekte, die in diesem Bereich Kindern und Familien das Leben erleichtern sollen. Wir unterstützen sie zum Beispiel darin, auf ihren Freizeit- und Schulwegen selbstständig mobil zu sein. Weitere Projekte beziehen sich unmittelbar auf das Wohnumfeld.

GAT: Wie geben sie den Kindern die Möglichkeit aktiv teilzunehmen oder ihre Meinung zu äußern?

MZ: Einer unserer Grundsätze ist die Beteiligung von Kindern. Dieser Gedanke zieht sich durch alle unsere Projekte. Ein Teil davon ist zum Beispiel auch das Kinderparlament in Graz. Das Kinderbüro selbst arbeitet für die gesamte Steiermark und entwirft diverse Beteiligungsprojekte. Letztes Jahr gab es im Zusammenhang mit der „Neugestaltung der Annenstraße“ ein Projekt zur Beteiligung von Kindern im „Lerncafe Gries“. Im Rahmen des Projektes haben wir mit den Kindern die Annenstraße und die Plätze genau angeschaut, die Kinder konnten ihre Ideen zur Neugestaltung einbringen und in Modellen darstellen. Es ist ein gelungenes Beispiel, weil es zum ersten Mal möglich war, dass der Ergebnisbericht dieser Arbeit in der Auslobung des Wettbewerbes miteingebunden wurde. (Offener, einstufiger Realisierungswettbewerb „Neugestaltung Annenstraße Graz“, GAT berichtete, siehe Link.)

GAT: Meist ist es vermutlich ein weiter Weg vom ‚Malen wie ich es mir wünsche’ bis zur Umsetzung?

MZ: Ja, im Falle Annenstraße handelt es sich mit der Einbeziehung des Berichtes in die Auslobung auf jeden Fall um einen Meilenstein in der Arbeit des Kinderbüros.

GAT: Sind Kinder denn in der Lage, konstruktiv zu formulieren, was sie gerne hätten?

MZ: Die Wünsche der Kinder unterscheiden sich im Prinzip gar nicht so stark von den Wünschen der Erwachsenen und sind häufig ganz praktischer Natur, wie zum Beispiel der Ruf nach öffentlichen Toilettenanlagen auf Spielplätzen oder, in Bezug auf das Annenviertel, einer Verschönerung der Fassaden.

GAT: Wenn die Wünsche sich aber gar nicht so stark unterscheiden, wozu dient das alles dann?

MZ: Die Kinder sollen wissen, dass sie ernst genommen und gehört werden, dass ihre Wünsche aufgenommen, weitergeleitet und wenn möglich, auch umgesetzt werden. So stärkt man auch ihr Bewusstsein für das eigene Umfeld.

GAT: Wo haben Sie diese Wünsche bereits konkret umsetzten können?

MZ: Ein gutes Beispiel ist ein Projekt in Eggenberg, allerdings auch dafür, wie lange solche Prozesse gelegentlich dauern. Vor Jahren haben sich Kinder dort eine Wohnstraße gewünscht. Der damalige zuständige Stadtrat hat dies aber abgelehnt und den Kindern als Trostpflaster erlaubt, ein Spielstraßenschild, das auf die spielenden Kinder hinweist, zu machen. Unter der grünen Vizebürgermeisterin Lisa Rücker wurde das Projekt wieder aufgegriffen und dieses Jahr - 5 Jahre später - wird es nun endlich umgesetzt. Es handelt sich nun aber nicht nur um eine, sondern um drei Wohnstraßen. Die Kinder von damals sind zwar inzwischen schon Jugendliche, engagieren sich aber nach wie vor und sind auch bei der Umsetzung eingebunden. Darüber hinaus gibt es auch wieder viele junge Kinder in der Straße.

GAT: Wie kam der Wunsch von den Kindern damals zu Ihnen?

MZ: Damals hatten sich Nachbarn darüber beschwert, dass die Kinder immer auf der Straße spielten. Die Kinder haben sich über das Kinderparlament an uns gewendet und die Einrichtung der Wohnstraße beantragt.

GAT: Wie gehen die Kinder mit ihrer Beteiligungsmöglichkeit um? Muss man im Vorfeld verstärkt erklären oder Architekturvermittlung betreiben?

MZ: Der Schritt vor dem Beteiligungsprozess ist eine gemeinsame Arbeit, wo Fragen wie „Was ist Raum und was macht Raum aus?“ behandelt werden. Mit diesem Schritt davor funktioniert das sehr gut.

GAT: Worauf kommt es an, damit diese Beteiligungsarbeit der Kinder letztendlich auch umgesetzt wird.

MZ: Meine Arbeit zielt hier ganz stark auf die Bewusstseinsbildung auf der Verwaltungsebene bei Politikerinnen und Politikern ab. Oft ist das mühsam, aber gelegentlich funktioniert es auch. Ein gutes Beispiel ist hier die Volksschule Mariagrün. Wir hatten in Politik und Verwaltung bereits langjährige gute Kontakte, wie zum Beispiel zum Stadtschulamt und Amt für Jugend und Familie. In so einem Fall werden wir eingeladen, für diesen Schulneubau mit den Kindern ein Beteiligungsprojekt zu machen.

GAT: Wie sieht das dann konkret aus?

MZ: Wir machen Workshops mit den Kindern im Kindergarten, also den zukünftigen Schulkindern und den Schulkindern. Auf kindgerechte Weise wird erarbeitet, was den Kindern zum aktuellen Zeitpunkt gefällt oder nicht gefällt und wie sie sich ihre zukünftige Schule vorstellen.

SBC: Und Sie übersetzen die Wünsche sozusagen für die Ausschreibungen?

MZ: Unsere Aufgabe ist es, die Arbeit zu protokollieren und die Wünsche so zu formulieren, dass die Ergebnisse in die Auslobung einfließen können. Im Falle dieser Volksschule wurde das Protokoll an die Wettbewerbsausschreibung angehängt.

SBC: Punktuell konkret nachvollziehen lässt sich die Beteiligung also nicht?

MZ: Bis es so weit ist, brauchen wir wohl noch ein wenig Zeit. Was hilft, sind gute Kontakte zu PlanerInnen im gemeinnützigen Wohnbau. Diese gibt es und werden auch sehr bewusst gepflegt. Schön wäre die Einbindung des Kinderbüros im Vorfeld eines Neubaues. Im Fall des sozialen Wohnbaus in der Zeillergasse in Graz-Lend (Planung: Arch. DI Elisabeth Lechner; Anm. d. Red.) ist uns das zumindest ein Stück weit gelungen, dort wurden wir vor der Planung gebeten, einen Beteiligungsprozess zu machen.

GAT: Wie lief es in diesem Fall genau?

MZ: Diese Arbeit lief wieder über das Kinderparlament. Es gab eine offene Einladung an Kinder hier mitzuarbeiten.

GAT: Wodurch wird Ihre Arbeit angetrieben?

MZ: Der Motor sind häufig Konflikte im Wohnbereich und in der Nachbarschaft. Eltern oder Kinder wenden sich an uns, wenn es Fragen oder Probleme gibt. Wir schauen uns die jeweilige Situation an und versuchen vermittelnd einzugreifen. Zunächst per Telefon oder in schwierigeren Fällen mittels Mediatorin.

GAT: Welcher Art sind diese Konflikte?

MZ: Das ist unterschiedlich, einerseits gibt es soziale Konflikte, wo Generationen oder unterschiedliche Interessen aufeinander treffen und das gegenseitige Verständnis fehlt. Andererseits sind es häufig auch bauliche Gegebenheiten, die das Zusammenleben erschweren. In Graz gibt es zum Beispiel sehr häufig Siedlungen mit Erdgeschoßwohnungen, die einen Garten haben. Die EigentümerInnen freuen sich und denken, sie haben ein Eigenheim mit privatem Garten. Leider ist es aber häufig der Fall, dass genau vor diesen Gärten Spielplätze oder Freiflächen für spielende Kinder gebaut werden, was sehr häufig Konflikte provoziert.

GAT: Ihre Broschüre „Kindergerechter Wohnbau – ein Leitfaden für die Planung“ ist auf die Aufklärung dieser Dinge zugeschnitten?

MZ: Wir machen auf bauliche Maßnahmen aufmerksam, die, wenn sie beachtet werden, keine großen Kosten verursachen, aber das Zusammenleben wesentlich erleichtern.

GAT: Wie gelingt es Ihnen, einen Konflikt zu lösen, wenn die Situation baulich nun einmal gegeben ist?

MZ: Vor zwei Jahren ist es uns in so einem Fall gelungen, den Bauträger zu bewegen, die Spielgeräte abzubauen und ein Stück weiter weg wieder aufzubauen. So etwas ist natürlich mit enormen Kosten verbunden, die wegfallen würden, wenn sich Planer und Planerinnen im Vorfeld beraten ließen.

GAT: Könnten Sie nicht schon bei der Architekturausbildung ansetzen?

MZ: Natürlich, wir hatten 2005/2006 eine Vortragsreihe auf der TU (Architektur – Kinderträume, GAT berichtete) mit dem Hintergrund auch die Studierenden zu erreichen und damit dort ein Bewusstsein zu bilden. Derzeit arbeite ich daran eine neue Vortragsreihe für Studierende zu konzipieren.

GAT: Wie soll die nächste Reihe aussehen?

MZ: Der Schwerpunkt wird sicherlich in der Präsentation von Best practise-Beipielen liegen.

GAT: Wie sieht es mit der Unterstützung seitens der Politik aus, sind Sie zufrieden, gibt es genügend finanzielle Unterstützung für Vortragsreihen wie die zuvor genannte?

MZ: Das hängt sehr stark von den einzelnen Persönlichkeiten ab, wenn Interesse und Wohlwollen vorhanden sind, funktioniert es gut. Selten werden wir boykottiert, aber reiner Applaus genügt nicht. Die Mittel sind immer knapp und auch, wenn es schön wäre, ausländische Vortragende einzuladen, um von internationalen Ansätzen und Erfahrungen zu lernen, gibt es dafür meist nicht genug Geld. Daher sind wir auch immer auf der Suche nach Sponsoren und guten Beispielen.
Was die Unterstützung seitens der Politik betrifft, haben wir 2006 einen Antrag bei der Steirischen Landesregierung eingereicht, der besagt, dass die Wohnbauförderung dahingehen geändert werden sollte, dass Kinderfreundlichkeit ein Kriterium für Wohnbauförderung sein soll. Dieser Antrag wurde zwar einstimmig angenommen, ein konkretes Vorgehen gibt es allerdings nicht. Es scheint, als fehle die Verbindlichkeit und das Bewusstsein, so dass es über eine punktuelle Unterstützung für einzelne Projekte nicht hinausgeht.

GAT: Was ist Ihre Vision für die Zukunft Ihrer Arbeit?

MZ: Ein kinder- und familienfreundlicher Wohnbau in der Steiermark, der von Politik, Verwaltung und Wohnbauträger unterstützt wird

GAT: Von außen gesehen denkt man, dass das doch nicht so schwierig sein kann bzw. ein nahezu logischer Ansatz wäre.

MZ: Bisher ist es leider so, dass diese Punkte auf der politischen Prioritätenliste nicht ganz oben zu stehen scheinen.

GAT: Danke für das Gespräch!
KONTAKT:
Mag.a Monika Zachhuber
Kinderbüro Steiermark
Karmeliterplatz 2/3
8010 Graz

T 0316/90370-183
monika.zachhuber@kinderbuero.at

Verfasser/in:
Susanne Baumann-Cox, Interview/kinderGAT
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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