11/11/2005
11/11/2005

Geladener einstufiger Architekturwettbewerb mit sechs Teilnehmern

JURYSITZUNG

Termin : Mittwoch, 12. Oktober 2005
Beginn : 9:00 Uhr
Ort : LFS Alt Grottenhof, Graz
JURYTEILNEHMER:

Hauptpreisrichter
Herr Architekt Andreas LICHTBLAU
Herr Architekt Gerhard SAILER
Frau Mag. Christine KLUG
Frau Mag. Elisabeth FREIBERGER
Herr Architekt Johannes-Axel JUSTIN

Vorprüfung und Beratung der Jury
Frau Mag. Waltraud WALTL (beratendes Jurymitglied LAVAK)
Frau Architekt Dipl.Ing. Andrea REDI (Ersatzpreisrichterin)
Herr Ing. Manfred PAYER (Ersatzpreisrichter)
Herr Dipl.Ing. Paul BITZAN (Ersatzpreisrichter)

Vorprüfung
Herr Ing. Jörg GESSLBAUER, LIG SteiermarkArchitekt Lichtblau begrüßt alle Anwesenden zur Jurysitzung und stellt die Beschlussfähigkeit der Jury fest.

Die Vorprüfung wurde von der LIG, Herrn Ing. Jörg Gesslbauer, vorgenommen. Der Vorprüfungsbericht wird allen Jurymitgliedern übergeben und die Vorprüfungsergebnisse werden erläutert.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass alle Arbeiten den Anforderungen der Ausschreibung entsprechen und daher gewertet werden können.

Es erfolgt ein erster Sichtungsdurchgang mit Erläuterungen der Vorprüfung.

Im ersten Sichtungsdurchgang werden allgemeine Kriterien herausgearbeitet :
Die strukturelle Lösung, ev. Erweiterungsbauten
Architektonische Haltung, Qualität der Gestaltung
Erweiterungsbauten in allgemeiner Hinsicht
Die Lage des Seminarraumes mit seiner inneren Erschließung - Kommunikationsfähigkeit
Die Annäherung an das Gebäude von der Zufahrt zum Parkplatz
Die Zuordnung des Umfeldes des Gebäudes
Die ParkplatzlösungNach Ende des ersten Sichtungsdurchganges erfolgt eine zusammenfassende Diskussion.

Die Jury entscheidet, die Projekte N° 1, N° 4 und N° 5 in weiterer Folge näher zu diskutieren.

Die Erläuterungsberichte werden verlesen und es erfolgt eine virtuelle Begehung des Gebäudes mit Interpretation der angebotenen Funktionalität.

Nach der Mittagspause wird auf die Projekte N° 2, N° 3 und N° 6 vertieft eingegangen und den am Vormittag analysierten Projekten gegenübergestellt.

Auch für diese Projekte werden die Erläuterungsberichte verlesen.

Im speziellen werden die Außenraumqualitäten untersucht und die Frage eines allfälligen Zubaues vergleichend diskutiert.

Nach Abschluss dieses Sichtungsdurchganges wird über die weitere Vorgehensweise diskutiert und der Versuch unternommen, eine Kategorisierung der Projekte vorzunehmen.

Die Abwägung um die Entscheidung ist geprägt einerseits, architektonischen Qualität, von der wirtschaftlich besten Lösung im Umgang mit der Altbausubstanz, weiters der Akzeptanz des vorgefundenen Gebäudebestandes, das Maß an Alltagstauglichkeit, einer Entscheidung über ein künftiges Aushängeschild – Imagewirkung für die Landesverwaltungsakademie - und der Diskussion, das relativ beste Projekt unter den vorgenannten Kriterien zu erwählen.

Nach langwierigem Abwägen kommt die Jury einstimmig zum Entschluss, das
Projekt N° 3 als Siegerprojekt auszuwählen; das
Projekt N° 1 wird an die zweite Stelle und das
Projekt N° 4 an die dritte Stelle gereiht.

Die Projekte N° 2, N° 5 und N° 6 (willkürlich gereiht) werden für den Ankauf vorgeschlagen.

Nach erfolgter Abstimmung über die Preisträger und die Ankäufe werden die Verfasserkuverts geöffnet und der Vorsitzende verständigt den Gewinner telefonisch.Projektbeschreibungen

1. Preis: Projekt 3 > Grabner ZT KEG, Graz

In seinem poetischen Ansatz kommt das Projekt ohne wesentliche bauliche Eingriffe in die Substanz aus. Die innere und äußere Struktur des Gebäudes und die vorhandenen Öffnungen an den Fassaden werden bis auf den Eingangszubau, der entfernt wird, beibehalten.

Die Empfindung, das Gebäude steht in einem vom öffentlichen Raum aus schwer einsehbaren und daher nicht präsenten Ort, veranlasst die Verfasser auf diese weiter zu entwickelnde Qualität einzugehen und entschlossen und selbstbewußt im Ansatz eine neue Identität zu schaffen, die in der Buntheit der Gebäudehülle ein hohes Maß an Offenheit und Einzigartigkeit präsentiert und gleichzeitig technisch einen zeitgemäßen Dämmstandard zulässt. Die tatsächliche Detailausbildung und Ausführung der Fassade wird im Planungsverlauf noch als Entwicklungsprozess eingehend zu beachten sein.

Die Zugänglichkeit über die bestehende Hofsituation und die dem Bestand angepasste und im räumlichen Ansatz sehr sparsam ausgebildete innere Erschließung, lassen aber trotzdem die geforderte Funktionalität für Mitarbeiter und Kunden erwarten.

Das Projekt ordnet und schafft aber gleichzeitig Zonierungen der einzelnen Bereiche im Inneren, deren Formulierung und Gestaltung in unterschiedlicher Art angeboten wird und die atmosphärisch das Gebäude auch in der Innengestaltung neu definieren. Somit wird die Innere mit der äußeren Gestaltung in Übereinstimmung gebracht. Das geforderte Raumprogramm wird unter Einbeziehung einer Option auf eine Zubaumöglichkeit im Nordosten exakt untergebracht. Der Entwurfsansatz lässt zudem einen wirtschaftlichen Umgang mit der Gebäudesubstanz erwarten.

Auch der Ansatz des Umgangs mit dem Außenraum als Sternengarten mit den verschiedensten Arten von Clematis auf Rank- und Klettergerüsten, die skulptural als Gestaltungselemente eingesetzt werden wird positiv gewertet. Die Zonierung im Außenbereich ist aber weiter zu entwickeln.

2. Preis: Projekt 1 > Architekt Gregor Tritthart, Graz -

Die Zubauten (aus den 80er-Jahren) werden entfernt. Ein verglaster Gang und ein aufgeständeter Zubau schaffen die erforderlichen Nutzflächen und definieren räumlich einen Innenhof. Insgesamt entsteht durch den Zubau ein Flächenangebot, das die Errichtung der beiden optional geforderten Gruppenräume ermöglicht.

Der neuen Nutzung entsprechend wird das Gebäude von der Krottendorfer Straße aus über eine eigene Vorfahrt erschlossen. Dem Ansatz, dass damit das Bründlgebäude wieder Teil des öffentlichen Raumes wird, wird kontroversiell diskutiert und kann nicht vollständig nachvollzogen werden. Trotzdem gelingt es dem Projekt durch diesen Kunstgriff, einer zweiten Zufahrt, einen repräsentativen Ausdruck in Bezug auf das Herangehen an das Gebäude zu schaffen. Im Vergleich dazu scheint die Foyerlösung zu sparsam angelegt.

Durch die Errichtung des zweigeschossigen verglasten Ganges zum Hof hin und die Reduktion der Geschosstiefe im westlichen Flügel entstehen gut belichtete Erschließungszonen. Ob diese Zone wie in der Angabe der Raumwidmung angeführt tatsächlich als Kommunikationszone genutzt werden können, wird in der Jury diskutiert. Die Gangbreite – Erschließungszone – wird problematisch zu ihrer Länge gesehen.

Das Projekt ist gut organisiert, kultiviert aufgeräumt und funktionell. In seiner Knappheit ist es tauglich für die Anforderungen der Nutzer und macht eine gewisse Verbeugung vor der Bestandssituation. Der Zubau ist in einer eigenständigen Zeichenhaftigkeit durchgebildet und reagiert gut auf die Himmelsrichtungen. Durch die verglasten Elemente wird auch auf den Außenbezug und die Hofsituation mit dem kontemplativen Seerosenbeet gut reagiert. Als adaptierbar wird die bauphysikalische Problematik bewertet, wobei die natürliche Thermik ausnutzbar und ein Blendschutz innenliegend angebracht werden könnte.

3. Preis: Projekt 4 > Architekt Hans Gangoly, Graz

Der Verfasser reagiert auf die Bestandssituation in sehr zurückhaltender Weise und bietet einen sparsamen und konventionellen Ansatz für die Bearbeitung der Gesamtstruktur.
Die Zugänglichkeit und die Eingangssituation werden sehr logisch gelöst. Die geforderten Seminarräume werden einerseits durch einen Zubau angeboten, der einen sehr intimen und durchgestalteten Innenhof ermöglicht, andererseits darüberliegend im Bestand untergebracht.
Die interne Erschließung mit dem zentral angeordneten und gut sichtbaren neuen Stiegenhaus mit Liftanlage funktioniert in allen Bereichen gut. Der Zubau mit seiner Öffnung nach Nordosten wird als problematisch in seiner Ausrichtung in Bezug auf den Innenraum gewertet. Die architektonische Haltung des Zubaus zur sehr konventionell bearbeiteten Fassade wirkt nicht überzeugend. Positiv gesehen wird, dass jedem Seminarraum ein entsprechend großer Freibereich zugeordnet ist, wenn auch die Verglasungselemente im Obergeschoss zur Terrasse hin in der Fassade überdimensional wirken. In der internen Erschließung werden im Erdgeschoss die Organisation der Büros und die Abschließbarkeit nur durch einen zweiten Sekundärgang erreicht werden können und dadurch würden die Büroflächen arg beschnitten. Die Wandscheibe vor dem Eingang, hinter der sich Fahrradplätze und Müll verstecken, wirkt für den Eingangsbereich unmotiviert.
Das Projekt ist in seiner Gesamtheit schlicht gehalten und zeigt in seiner Atmosphäre Respekt vor dem Bestand, bietet aber in Bezug auf den Akademiecharakter und der Imagewirkung zu wenig Identität.

ANKÄUFE (ohne Reihung):

Projekt 2 > Architekt Wolfgang Speer, Trofaiach

Das Projekt Nr. 2 behält die Struktur im Allgemeinen bei und fügt an der nordöstlichen Seite einen zweigeschossigen Zubau an, der eine Hofsituation zu schaffen versucht, die aber nur teilweise ansprechend wirkend, gelingt. Die Hauptzugänglichkeit erfolgt auf der innenliegenden Seite des Hofes über eine Stufenanlage. Die Gebäudestruktur wird im Wesentlichen beibehalten. Der Foyerbereich wird etwas größer und zweigeschossig gestaltet. Die äußere Erschließung und Anbindung des Hofes sowie die Situierung der Gartengerätehütte sind gestalterisch schwer nachzuvollziehen. Die innere Erschließung funktioniert. Der dem Seminarbereich vorgelagerte „Garderobenbaukörper“ ist in seiner inneren und äußeren Ausformung nicht nachvollziehbar. Büros und Aufenthaltsbereich sind funktionell gut angeordnet. Die Organisation der Seminarräume in Bezug auf die Himmelsrichtung und Ausblick sind auf Grund der Bestandssituation klar erfasst.

Im Allgemeinen macht das Projekt den Eindruck, dass alles gut organisiert aber nicht gestaltet ist. Das Projekt ändert am Bestand nicht wirklich etwas, schafft aber auch keine ausreichende Atmosphäre. In seiner Grundhaltung und der Ausformulierung der Ergänzungen geht es auf den Ort, die Umgebung und das Bestandsobjekt nicht ein.

Projekt 5 > Architekt Alfred Bramberger, Graz - Projektbeschreibung

Das Projekt greift großzügig in den Bestand ein, ohne in seiner Außenwirkung den Charakter des Gebäudes zu verlieren. Mit dem hofseitigen Einschnitt der Erschließungszone, die gänzlich verglast der Innenseite des Gebäudes eine neue Identität gibt, wird in der hofseitigen Formulierung des Ausdrucks ein gänzlich neues Element eingefügt. Die Zeichenhaftigkeit des Hauptzugangs mit dem Windfang, der dem Gebäude vorgestellt ist, gibt dem Eingang ein deutliches Signet und ist als „Portal“ gut erkennbar. Die Klarheit in der Erschließung und die Anordnung der beiden Stiegenhäuser jeweils am Ende der Gebäudeflügel verschaffen Überblick. Der umfangreiche Eingriff in den Bestand für die Erschließung wird allerdings von seiner wirtschaftlichen Seite zu hinterfragen sein. Bei jedem Seminar- und Gruppenraum ist ein Freibereich zugeordnet, wodurch der Außenraum gut in das Gebäude geholt wird. Die Zugänglichkeit zu den Büroflächen wird durch einen zweiten internen Erschließungsgang gut gelöst. Die Anordnung der WC-Gruppe im Schnittpunkt der beiden Erschließungsrichtungen, also im Zentrum, ohne wirklich ausreichenden Vorbereich, erscheint problematisch. Die Möglichkeit der Überhitzung der zweigeschossig angeordneten Glaselemente in den Erschließungszonen wird diskutiert, aber als lösbar angesehen. Das Außenraumkonzept wird als schlüssig betrachtet und geht gut auf den bestehenden Baumbestand ein.

Projekt 6 > morearchitecture Goltnik ZT KEG, Graz - Projektbeschreibung

Die Projektanten fügen der bestehenden Gebäudestruktur eine „Kommunikationslandschaft“ hinzu, die sich zweigeschossig aus dem Garten heraus entwickelt und Erdgeschoss und Obergeschoss über eine Rampen-Stiegenanlage großzügig verbindet. In die Kubatur unter der „Stiegenanlage-Kommunikationslandschaft“ werden geschickt die Nebenräume eingefügt. Durch die neu geschaffene Kubatur, die weit über das geforderte Raumprogramm hinaus Flächen schafft, wird der bestehende Innenhof weitgehend eliminiert und es entsteht an dessen Stelle eine neue und transparente Zweigeschossigkeit, die von den Erschließungskonstruktionen in der Höhenentwicklung nur angeschnitten wird.

Die Bestandsstruktur wird großzügig für die Lösung der Seminar und Gruppenräume genutzt. Die Beziehung von Inneraum und Außenbezug wird durch die zweigeschossige Verglasung durchaus erreicht, wobei die der Konstruktion vorgelagerten Elemente im Außenraum die gewünschten Qualitäten für die spezifische Nutzung und eine Außenraumbildung vermissen lassen.

Vom Umgang mit dem bestehenden Gebäude wird der Entwurfsansatz als zu radikal empfunden, die Geste scheint für die geplante Nutzung überzogen. Die Flächen- und Kubaturüberschreitung lässt den geforderten wirtschaftlichen Aspekt eindeutig vermissen, wiewohl die Jury den metaphorischen Ansatz des „Bildungsanstiegs“ durchaus würdigt.

Verfahrensabschluss

Der Vorsitzende bedankt sich bei allen Jurymitgliedern, beratenden Jurymitgliedern, der Vorprüfung und beim Auslober für die auf hohem Niveau stehende Diskussion und schließt die Sitzung um 17:30.

Graz, am 2. November 2005
JUSTIN
Schriftführer

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