28/02/2011
28/02/2011

Ich erinnere mich noch dunkel. Es war in grauer Vorzeit. Da gab es einen Seite 1-Aufmacher in einer bekannten Grazer Tageszeitung mit einer fingierten Grazer Wolkenkratzer-Skyline. Hochhäuser, moderne Bürogebäude, futuristische Neubauten standen dicht an dicht entlang der Mur und sollten New Yorker Flair vermitteln. Der damalige Planungsstadtrat Klaus Garter (SPÖ) - also musste es zwischen 1983 und 1990 gewesen sein - ventilierte die Idee von einer Grazer Zukunft mit Hochhäusern und Wolkenkratzern im Zentrum. Dabei ging es ihm nicht um den Wohnbau. Graz brauche Hochhäuser, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, sich modern zu geben und um sich als Standort attraktiv zu positionieren.

Die meisten Thesen von damals sind Makulatur. Graz wurde das alles nicht, vieles wurde versäumt und/oder verhindert. Im Nachinein denke ich mir, das eine oder andere Mal war das gar nicht so schlecht. Graz wurde kein Drehkreuz in den Südosten, erlebte keinen Boom und ist auch kein attraktiverer Standort als andere Städte. Die öffentliche nationale Verkehrsanbindung von Graz ist heute nicht besser als damals. Lange Zeit – bis 2001 – schrumpfte die Einwohnerzahl.

Seit 1974 gibt es ein Hochhausbauverbot in Graz, das in den 1990ern für Einzelprojekte aufgeweicht wurde. Ein neues Konzept für etwaige Hochhausneubauten gibt es bis dato nicht. Der neue Stadtplanungschefs Heinz Schöttli, der seit 2010 im Amt ist, kündigt ein derartiges an. Gut so, nur die Frage muss erlaubt sein, was tat die Stadtplanung die letzten 25 Jahre?

Damals fand ich die Vorstellung attraktiv, Graz lege seine Altstadtidylle und das Image der alternden, verstaubten, provinziellen Pensionistenstadt ab. Die Vorstellung, mit ein paar Hochhäusern könne man das bewerkstelligen, war naiv und selbst provinziell gedacht, aber meiner euphorischen, jugendlichen Dummheit geschuldet; bitte, das zu verzeihen.

Deja Vu

Am 9. Jänner 2011 prangte auf der Titelseite einer Stadtzeitung eine ähnliche Skyline Idee wie damals; ich hatte ein Deja Vu! Der Eindruck wurde erweckt, in Graz gäbe es eine Renaissance der Idee und der Diskussion. Doch nach der ersten Lesung des Beitrages regt sich der dringende Verdacht, dass es viel mehr um die Interessen einiger Investoren geht (Styria Headquarter, Lyoness Turm). Die Wiederholung einer Idee, die vor zwanzig Jahren auf mich reizvoll wirkte, lese ich heute mit anderen Augen.

Das eine oder andere Hochhaus mit feiner, aufregender und interessanter Architektur wäre schon ein sichtbares Zeichen einer kulturell und politisch offenen, diskursfähigen Stadt und toll. Sollte Graz weiter wachsen und neben Wohnraum auch Betriebsansiedelungen und neue Unternehmen nach Graz kommen bzw. bleiben wollen, dann wird wohl auch der städtische Hochhausbau ein Thema sein; denn für eine menschengerechte und lebenswerte Stadt ist viel Grünraum ein unbedingtes Muss. Das Versiegeln von immer mehr Flächen in der Stadt kann nicht der Weisheit alleiniger Schluss sein. Also scheint ein Wachsen in die Höhe durchaus bedenkenswert.

Unbehagen stellt sich jedoch ein, wenn die Einzelinteressen hinter Hochhausbauten deutlich werden. Dass diese gut ausschauen und „modern und innovativ“ erscheinen, ist einer guten Öffentlichkeitsarbeit geschuldet, und stellen selten die Interessen der BürgerInnen und des Gemeinwohls in den Vordergrund. Ohne jemanden was unterstellen zu wollen, sind dahinter nicht selten hochriskante und spekulative Investoreninteressen versteckt und im Umfeld solcher Projekte tummeln sich nicht selten Glücksritter. Städteplanerisch, sozial und ökologisch ergeben sie selten Sinn.

Hochhäuser prinzipiell zu verbieten, ist ebenso Unfug, wie sie ausschließlich mit Hurra zu begrüßen. In einem Gesamtstadtentwicklungskonzept und einem stringenten Hochhausbaukonzept für die Stadt sollte deutlich werden, was die Stadt Graz und ihre EinwohnerInnen wollen. Hochhausprojekte können meiner Ansicht nach Teil des Planes sein. Nur die gleiche Diskussion über „gestutzte Wolkenkratzerpläne“ in zehn Jahren wieder führen zu müssen, das wäre eine echte Niederlage.

Verfasser/in:
Wolfgang Gulis, Kommentar
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