06/05/2025

Ende 2024 wurde bekannt, dass Friedrich St. Florian in Providence, USA, am 18.12.2024 kurz vor seinem 92. Geburtstag verstorben ist. Der aus Österreich stammende, in Graz geborene Architekt begann sich früh intensiv mit Theorie und deren utopischen Potenzialen zu beschäftigen, die er in seinen Zeichnungen visualisierte. Ihm gelang in den USA eine herausragende akademische Karriere und international anerkannte Baupraxis.

Eugen Gross, Werkgruppe Graz, erinnert sich für GAT an gemeinsame Arbeiten, wichtige Einflüsse und Wendepunkte im Leben Friedrich St. Florians.

06/05/2025

Friedrich St. Florian, mit Modell des Peugot Tower, Buenos Aires, 1961

©: Archiv Eugen Gross

Friedrich St Florian mit Raimund Abraham und Eugen Gross vor dem Modell des KELAG Wettbewerbs, 1957, Foto: privat

©: Archiv Eugen Gross

Haus für Livia Elba, (Foto: Archiv Friedrich St. Florian)

Haus Burgess, Hull. Massachusetts, (Foto: Archiv Friedrich St. Florian)

Interchange, Entwurfszeichnung, (Foto: Archiv Friedrich St. Florian)

Entwurfsskizze WW II Memorial, (Foto: Archiv Friedrich St. Florian)

Kollonaden, Modell, (Foto: Archiv Friedrich St. Florian)

Die National Mall, Washington DC, USA (Foto: Archiv Friedrich St. Florian)

„Thus, then, is a moment in history, when the form- breakers and function- makers - the visionary, experimental designers - are compelled by their talent and their concern to propose new systems for organizing the man’s physical environment. Hence the exhibition “Experimental architecture” by Prof. R.J. Abraham and Prof. Friedrich St.Florian is not a set of dreams but, rather, is a nessessity - the vigorous stating of bold propositions which are logical, dramatic and disconcerting”. (Albert Bush Brown, President of the Rhode Island School of design, Rhode Island, Kat. Istituto Nazionale di Architettura, 1967)

Friedrich St. Florian, geb. 21.12. 1932 in Graz, besuchte die ehemalige Realschule in Salzburg und studierte von 1952 - 1958 Architektur an der Technischen Hochschule Graz bei den Professoren Friedrich Zotter und Karl Raimund Lorenz. Diplom mit Auszeichnung.

Nach kurzer Tätigkeit in Österreich, wo er mit Raimund Abraham das Haus Dapra in Salzburg plante, ging St. Florian 1961 in die USA, um eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Er studierte mit einem Fulbright Stipendium Urbanistik an der Columbia Universität in New York und erlangte 1962 einen M.S. Degree, der ihm im selben Jahr die Bestellung zum Design Critic an diesem Institut einbrachte. Im Jahr darauf wurde er Assistent Professor und 1967 Full Professor an der Rhode Island School, der er sein Leben lang treu blieb. Er war in Folge Dean des Departments für Architektur. 
Da die Schule ein honors program in Rom betrieb, wurde er 1967 zum Direktor mit zeitweiser verpflichtender Aufenthaltsdauer in Rom bestellt. Durch seine Frau Livia, eine Römerin, hielt er auf diese Weise den Kontakt zu Europa aufrecht und vertiefte sich in klassische Studien. Er bekam 1974 die amerikanische License als Architekt und führte in der Folge ein Architekturbüro in Providence, USA.

Schon in Studienzeiten in Graz brannte über das Studienprogramm hinaus das Feuer für eine theoretische Beschäftigung mit Architektur, das in einigen Wettbewerbsbeteiligungen Erfüllung fand. Gemeinsam mit Raimund Abraham und mir wurde ein Wettbewerbsprojekt für ein Verwaltungsgebäude der Kärntner Elektrizitätsgesellschaft in Klagenfurt eingereicht, das leider erfolglos war. Zur gleichen Zeit waren Marcel Breuer, Bernard Zehrfuß und Pier Luigi Nervi mit einem nahezu gleichen sternförmigen Grundriss für eine Zentrale der UNESCO in Paris erfolgreich. Im Vordergrund stand vor allem das Ausbrechen aus dem, durch akademische Regeln bestimmte Schema, das mit der Einrichtung der Zeichensäle den Studenten einen neuen Rang als soziale Kommunen zuwies.

Aus diesen ging schließlich 1958 das mit dem 3. Preis ausgezeichnete Projekt für die Neuerrichtung der Panarabischen Universität Rijadh, Saudi-Arabien, hervor. Gemeinsam mit Raimund Abraham und Jon Lundberg – später Projektleiter von Jorn Utzon für das Opernhaus in Sydney – wurde der Entwurf erstellt. Ein vierter Preis wurde einer Einreichung des Büros von Walter Gropius zugesprochen.

Bald erkannte St. Florian, dass man, um in den USA als Architekt Fuß zu fassen, sowohl als Lehrer als auch als praktizierender Architekt, in der Öffentlichkeit hervortreten muss. Das geschieht einerseits durch theoretische Arbeiten und Ausstellungsbeteiligungen, die das Prestige der Universität heben, andererseits durch Teilnahme an internationalen Wettbewerben.

Zunächst war der Entwerfer und Zeichner herausgefordert, der mit dem Rüstzeug der profunden Ausbildung in Darstellender Geometrie an der TH Graz sich “utopischen” Entwürfen widmete. Auch Galerien und Museen präsentierten Entwürfe “utopischer Städte”, wobei eine starke Aufmerksamkeit auf Österreich gerichtet war.

Ein im Jahre 2006 erschienener Katalog der David Winton Bell Gallery, Brown University, zeigte eine Retrospektive auf das Werk von St. Florian. Darin ist der als Thesis an der Columbia Universität 1961 für ein 44- geschossiges Hochhaus, die Peugot Towers in Buenos Aires, als urbane Großskulptur entstandener Entwurf enthalten. Es ist der erste in den USA entstandene Wurf einer “Imaginären” Architektur, wie ihn Professor Gyorgy Kepes vom MIT als Critic hervorhob.

Die Möglichkeit, Wettbewerbe für Innovationen zu nutzen, gilt bei St. Florian auch in weiterer Folge für den Internationalen Wettbewerb für ein Kulturzentrum in Leopoldville, Kongo, 1. Preis (wegen Regierungswechsels nicht beauftragt), das Nationale Opernhaus in Oslo als “Lichtkristall” (Opernsaison im Winter), das Kulturzentrum Centre Pompidou in Paris (mit Raimund Abraham), das den Platz im Stadtteil Marais einbezog, und mit dem zweiten Preis ausgezeichnet wurde. Weiters den Third Millenium Tower in San Juan, Puerto Rico, der als transparente Lichtskulptur die Hoffnung für das dritte Jahrtausend nähren soll, das die Ponte Accademia ersetzende Brückenmuseum über den Canale Grande in Venedig. Im Jahr 1997 entschied Friedrich St. Florian unter 240 Einreichungen den Internationalen Wettbewerb für das  World War II Memorial in Washington DC für sich, was ihm große Anerkennung als Symbol für die Einheit der Vereinigten Staaten von Amerika brachte.

„Ich wollte den Krieg auf keinen Fall verherrlichen“, äußerte sich St. Florian. Zugleich findet er dort zu einer Formensprache, die von der früherer Entwürfe abweicht. Stehen seine linearen utopischen Zeichnungen und räumlichen Objekte, zum Teil Modelle, im „Licht“, tritt der „Schatten“ als gestaltendes Element des amphitheaterhaften Raumkonzeptes in den Vordergrund.

Louis Kahn spricht den Satz aus: „Architektur existiert nicht, es ist der Schatten, der Architektur hervorbringt.“ Beim World War II Memorial werfen die die historische Hauptachse der Mall vom Lincolnmemorial zum Capitol begleitenden Bühnenaufbauten – das „atlantische“ und „pazifische Theater“ – eine Referenz auf Roms Collonaden – „Schattenzeiger“ wie bei einer Sonnenuhr auf das zentrale vertiefte Wasserbecken, die „Rainbow Fountain“, das den Blick auf die Monumente freigibt.

Zwischen der Schattenlosigkeit der Vertical City von 300 Geschossen als multifunktionaler Turm aus 1964-67 und dem Solar House for Jamestown, Rhode Island, aus 1976 liegt die Phase, die 1969 mit der Einladung zu einer Ausstellung in Stockholm begann, bei der ein Imaginary Room im Moderna Museet eingerichtet werden sollte. St. Florian begann, beeinflusst von Buckminster Fuller, unter dem Eindruck der wissenschaftlichen Entwicklung und dem Schritt in den Weltraum den physischen Raum aufzulösen und ihn durch einen imaginären, aus Laserstrahlen gebildeten, zu ersetzen. In Übertragung des Imaginary Room auf ein Ausstellungsprojekt in MIT’s Hayden Gallery als Imaginary Ceiling 1970 erhoben sich Raumkörper in den Himmel, um in der Folge als New York Birdcage die Flugbahnen von wartenden Flugzeugen über New York abzubilden.

Zu den Projekten, die sich mit imaginären, utopischen Städten befassten, gehören u.a. die City Nucleus in Space, 1963, die Vertical City 2 und Interchange 1-3, 1964-66, die Linear Environments, 1967, und die Inflatable City, 1967.

Ist St. Florians erste Werkphase im Zeichen der theoretischen Beschäftigung mit Architektur und linearer Darstellungsformen gestanden, so ist die zweite durch seine Büropraxis bestimmt, die sich in dreidimensionalen Entwürfen niederschlägt. In den Wettbewerbsentwürfen vollzieht sich der Übergang, wobei immer noch die Geometrisierung als grundlegende Struktur Vorrang hat. In Strichzeichnungen hat er diese Projekte vorweggenommen. In Einfamilienhäuser wie dem Haus Burgess in Providence, einem Maler und Astronomen, oder der Matteson Public Library in Chicago, den New England Biolabs, der Pedestrian Skybridge als „gateway“ in das Zentrum von Providence und dem eigenen Atelier- und Wohnhaus in Providence realisiert.

Friedrich St. Florian war Ehrendoktor der Rhode Island School of Design und der Brown University, beide Providence. Originalzeichnungen von Entwürfen finden sich im Centre George Pompidou, Paris, dem Museum of Modern Art in New York, dem MIT, Cambridge und dem Museum der Rhode Island School of Design, Providence.

St. Florian verstarb am 18.12.2024 in Providence. Er hinterlässt seine Frau Livia, zwei Töchter und drei Enkelkinder. 

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