17/01/2025

Der Geograph Andreas Filipancic zeichnet in seiner Artikelserie die Anfänge und Entwicklung des Luftkurorts Laßnitzhöhe bei Graz nach. Um die Jahrhundertwende entstand dort eine der bedeutendsten und größten Kurstätten Österreichs.

Zu erwähnen ist, dass auf den Ortsteil Autal und seine Umgebung in dieser Artikelreihe nur überblicksmäßig eingegangen wird, da jener eine eigene Entwicklung nahm und dies zu einem späteren Zeitpunkt in einem eigenen Artikel berichtet wird. Auf der Übersichtskarte sind wichtige Gebäude verortet, im Text werden sie mit {n} bezeichnet.

17/01/2025

Karte Bereich Hauptstraße Laßnitzhöhe mit für die Entwicklung der Heilanstalt und des Tourismus wichtigen Gebäuden.

©: Andreas Filipancic

Villa am Hart 1906,  Gemeindearchiv Laßnitzhöhe

Greimelvilla 1911, Gemeindearchiv Laßnitzhöhe

Greimelvilla, September 2023

©: Carlotta Bonura

Architekten- und Baumeisterzeitung 2-2-1902, Seite 1, Beschreibung der Heilanstalt Laßnitzhöhe

Architekten- und Baumeisterzeitung 2-2-1902, Seite 2, Beschreibung der Heilanstalt Laßnitzhöhe

Im Juni 1901 wurden erste Tests mit Beleuchtungsmitteln der Aerogengasaktiengesellschaft durchgeführt, um die Wege im Kurparkbereich und später auch entlang der Hauptstraße und zur Bahnstation Laßnitzhöhe sicherer zu machen und auch in der Nacht nützen zu können. Die ersten Privatzimmer der neuen Heilanstalt {7-9, 16-20, 22-23} bot Herr Josef Manninger in seiner im selben Jahr erbauten „Villa Manninger“ {24} an. Über diese sich ausbreitende und sehr erfolgreiche touristische Ergänzung zur Heilanstalt wird in diesem und den folgenden Artikeln noch ausführlich berichtet. Direkt benachbart entstand die Bäckerei Scherf {25}, das spätere Kurcafé Kotzian. Ebenso erschienen die ersten Werbeanzeigen für die neue Heilanstalt in den Zeitungen, auch tagte einmal jährlich der Vorstand der Genossenschaft der Heilanstalt Laßnitzhöhe, bestehend aus Dr. Eduard Miglitz als Obmann, Dr. Albert Ott als seinem Stellvertreter, dem Juristen Dr. Franz Pesserl als Kassier und Rechtskonsulent sowie Dr. Anton Stichl und dem Postkontrolleur Franz Smutny, letzterer schied 1903 aus.

Um den Buckelberg, auf dem die neue Sommerfrische des Herrn Fritz Huber {44-47} erbaut wurde, begann sich entlang des Greimelweges und der östlichen Hauptstraße neben dem Kurparkbereich Miglitzpromenade ein zweites Zentrum des Villenbaus und der Sommerfrische herauszubilden. Sehr wichtig für diesen Bereich war die namensgebende Familie Greimel, eine Tischler- und Bauerndynastie, deren Stammvater Josef Greimel „vulgo Brunnergreimel“ {43} mit seiner Frau mindestens sieben Söhne hatte. Diese erbauten mit ihren Familien zahlreiche Gebäude und Villen im Zeitraum zwischen Jahrhundertwende und I. Weltkrieg. Als Beispiel sei sein Enkel Johann Greimel genannt, welcher sowohl die „Villa am Hart“ {40}, als auch die „Greimelvilla“ {39} beide mit umfangreichem Holzschmuck, der das Tischlerhandwerk seines Erbauers zur Schau stellt, errichtete. Letztere ist bis heute in Familienbesitz und war das Wohnhaus seines Enkels Josef Greimel, der auch Bürgermeister der heutigen Marktgemeinde Laßnitzhöhe wurde. (> Bilder: Villa am Hart, 1906 und Greimelvilla, 1911)

Im Hochsommer 1901 gab es das erste große gesellige Treffen von Sommerfrischlern und Kurgästen auf der Laßnitzhöhe, der Tennisplatz und die Kegelbahn {19} wurden eingeweiht. Im Kurparkbereich spielte das Quartett Vindobona und im neugestalteten Musikzimmer der Heilanstalt trug der Opernsänger Paul Pambichler begleitet von Katharina Huslik am Klavier mehrere Lieder vor. Die Besitzerin der „Villa Fernblick“ {32} Fräulein Paula Schmidt von Schmiedsfelden sang eine Elude von Chopin.

Auch einen ersten Skandal gab es bereits zu vermelden, die sogenannte Dolmatoff-Affaire. Der russische Kassier Constantin Dolmatoff, angestellt bei dem Großkaufmann Wladimir Riedel in Rostov am Don, wurde wegen Verdacht der Unterschlagung in seinem Zimmer in der Heilanstalt am 9-7-1901 verhaftet. So weit, so verständlich. Allerdings kam es zu einem regelrechten Pressekrieg, was wirklich vorgefallen war. Die Schilderungen reichten von einem Faustkampf mit offen herumliegenden Schusswaffen im Zimmer und Spionagegerüchten, sowie der Unterschlagung von 100 000 Rubeln bis zur widerstandslosen Festnahme eines schwer nervenkranken unschuldigen Geschäftsmannes, der von seinem Chef das Geld für die Kur erhalten hatte. Letztere Version stellte sich dann als wahr heraus, und Dolmatoff, dem die Aufregung gar nicht bekam, wurde ins Landessonderkrankenhaus Graz eingeliefert. Dort verlor sich seine Spur.

Mit Oktober 1901 wurde das Badehaus {16} für dieses Jahr geschlossen und das Personal und die verbliebenen Kurgäste feierten einen gemütlichen Abschiedsabend. Das Kurhaus {17} als Hotel und das Gasthaus {15} blieben geöffnet, für den Winter wurden einige Räume mit Kachelöfen eingerichtet und die Gänge beheizt. (> Zeitungsausschnitt, 1902)

Am 8-5-1902 erwarb Alois Nagel den „vulgo Quellenhof“ {2} an der Ortseinfahrt und Fritz Huber eröffnete im Juni seine neue Sommerfrische „Annenheim“ {46} für 50 Personen mit moderaten Preisen von 10 Kronen je Woche und Zimmer mit Vollpension 25 Kronen.

Am 15-6-1902 fand im Kursaal der Heilanstalt die Gründungsversammlung des Verschönerungsvereins Laßnitzhöhe statt, dieser widmete sich intensiv der Förderung des Tourismus im Kurbereich und stieß viele positive Entwicklungen an. Die Heilanstalt und die dazugehörenden Villen und Betriebe blieben diesen Winter geöffnet und auch in Zukunft waren sie ganzjährig für Gäste zugänglich. Eine schöne Tradition wurde ins Leben gerufen, im Kurhaus wurde Weihnachten gefeiert und das Personal und besonders arme Kinder der Region beschenkt. Abgerundet wurde das Fest von einem Konzert von Frau Blaschesky-Bauer.

Im Februar 1903 erwarb die Familie Sturmann Gründe im damaligen Nestelbach an der Hauptstraße, dort entstand ab 1904 der nach ihnen benannte Villenkomplex {49-50}. Wilhelm Gawalowksi, Besitzer der „Villa am Hart“ {40}, Mitglied des Verschönerungsvereins, Schriftsteller und in der steiermärkischen Landesbibliothek beschäftigt, wo er bis zu ihrem Leiter aufstieg, beherbergte in seinem Garten einen Kurs des Obstbaumvereines für Mittelsteiermark, gemeinsam mit Dr. Gustav Ehler, dem Besitzer der gleichnamigen Villa, sorgten diese beiden für ein Aufblühen der Obstbaumzucht und der Imkerei in der Region. Im Mai wurde auch das Sommerpost- und -telegraphenamt {4} wieder geöffnet und blieb es nun permanent. Der Verschönerungsverein Laßnitzhöhe markierte mehre Wege in der Umgebung und errichtete zwei große Informationstafeln, er trat im Dezember auch dem Landesverband für Tourismus bei.

Im folgenden Jahr 1904 schritt die Verbesserung der Infrastruktur weiter voran, ein Promenadenweg wurde vom Kurzentrum entlang der Hauptstraße Richtung Nestelbach angelegt, ebenso ein befestigter Fußweg zum Bahnhof Laßnitzhöhe {56}, die bestehenden Wegen wurden mit Bänken und Wegweisern aufgewertet, auch eine Auskunftsstelle für Touristen wurde eingerichtet.

Die „Villa Waldidylle“ {58} wurde errichtet und damit begann auch der Villenbau um den Laßnitzhöher Bahnhof. Aus finanzieller Not veräußerte der Besitzer des „vulgo Bucklbauer“ {54} an der Hauptstraße in Nestelbach zahlreiche Gründe, auch Franz Heresch verkaufte Freilandparzellen des „vulgo Puches“ {30} südlich der Hauptstraße, auf diesen Flächen entstanden in den nächsten Jahren zahlreiche Gebäude.

Wegen der gestiegenen Gästezahl wurde der Bahnhof Laßnitzhöhe {56} im Sommer 1904 ausgebaut. Vom Postamt Laßnitzhöhe {4} wurde ein Landbriefträgerdienst eingerichtet, welcher die Briefe und Pakete vom Bahnhof abholte und über das Postamt an die Gäste und Bewohner der Umgebung verteilte. Im benachbarten Hirtenfeld wurde die Johann-Josef-Fux Gedenktafel enthüllt und diesem großen Sohn der Region ein Denkmal gesetzt. Fritz Huber veräußerte seine neuerrichtete Sommerfrische „Annenheim“ {44-47} am Buckelberg an den Wiener Bauunternehmer Julius Benesch, welcher einen weiteren Ausbau in Angriff nahm. Nach dessen Tod im selben Jahr führte Olga Benesch das „Annenheim“ für weitere vier Jahre.

Dr. Eduard Miglitz wurde im April 1905 zum Ehrenbürger von Wöbling ernannt und die Genossenschaft der Heilanstalt mit ihm an der Spitze erwarb den „vulgo Puches“ ein großes bäuerliches Anwesen südlich des Ortszentrums, welcher auch als „Marienhof“ bekannt wurde. Am Weg zu diesem Anwesen errichtete der Schneidermeister Schäffer sein Wohn- und Arbeitsgebäude {29} Wöbling 130, das er auch für Sommerfrischegäste vermietete.

Benachbart zu den „Sturmannvillen“ entstanden entlang der Hauptstraße auch die „Villa am Wald“ {48} und die „Pfriemervilla“ {55}. 1905 betritt auch eine weitere für die Entwicklung des Ortes wichtige Persönlichkeit die Bühne, der Landwirt und Bürgermeister von Krumegg Anton Flitsch. Dieser war mehr als drei Jahrzehnte als Grundstücksentwickler tätig, unter anderem bei Gründen entlang der Hauptstraße, aus denen die „Ehlervilla“, die heutige „Volkshilfe Laßnitzhöhe“, entstand, in Moggau und beim „Maxlwirt“ in Krachelberg.

Das Jahr 1905 endete mit der Einweihung der 900 Meter langen Rodelbahn {26} in Laßnitzhöhe, die vom Wagnerriegel neben dem Kurcafé Kotzian ins Laßnitztal zum Bahnhof Laßnitzhöhe {56} führte, ein erster Höhepunkt war ein Rodelfest im Februar 1906 mit über 3000 Besuchern, und es gab auch dieses Jahr wieder die Weihnachtsfeier mit Christbescherung in der Heilanstalt.

Beim „vulgo Quellenhof“ {2} wurde Anfang 1906 das „Elisenheim“ {1}, bei der „Sonnenvilla“ {8} das „Blockhaus“ {7} errichtet. Auch die „Villa Felicitas“ {13-14}, die „Semlakvilla“ {31} und die „Krennvilla“ {36} wurden erweitert. Im Sommer wurde der Neubau der „Sofienvilla“ {52} abgeschlossen und weitere Gründe des „Marienhofs“ {30} verkauft, auch das Waldbad Degen wurde fertiggestellt und mit Wassertemperaturen von 19 C° beworben.

Auch folgende Episode spielte sich ab und endete vor Gericht, Margarethe Greiner, die Pächterin der Gastwirtschaft {47} des Annenheims, verschaffte sich ein Nebeneinkommen, indem sie die angelieferten Bierfässer verkaufte, obwohl diese der Brauerei gehörten. Wesentlich ernster war das Problem mit den Güterschlächtern. Diese Kriminellen spezialisierten sich auf betrügerische Grundstücksgeschäfte und tauchten immer dort auf, wo Grundparzellen sehr begehrt waren. Ein Beispiel sei kurz dargestellt: Franz Hörmann, mehrfach einschlägig vorbestraft, kaufte in Wöbling eine Liegenschaft im Wert von rund 19000 Kronen und zahlte 400 Kronen an. Den Rest, erklärte er, werde er in zwei Raten bezahlen. Sobald Franz Hörmann als Besitzer eingetragen war, verkaufte er zuerst Vieh und Fährnisse und dann auch die Wirtschaft an einen Dritten weiter. Auch dieser zahlte nur eine Anzahlung und hatte sonst kein Vermögen, somit waren die Bauersleute die Geprellten, denn außer der kleinen Anzahlung blieb ihnen nichts, und die Betrüger ließen das Geld verschwinden und kamen mit zwei Monaten Arrest davon.

Im Herbst wurden weitere Teilvillen des Sturmannkomplexes fertiggestellt, ebenso die benachbarte Villa Luginsland {51}, sowie die Restauration, die Wirtschaftsgebäude und Arbeiterwohnungen der Heilanstalt erweitert und umgebaut, damit gingen diese ersten ereignisreichen fünf Jahre ihrem Ende zu.

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