Aus der Sicht seiner Eltern war die Architektur die sicherere Sache – verglichen mit den Ambitionen des jungen Ernst Michael Kopper in der bildenden Kunst. Während seines Architekturstudiums an der Technischen Universität Graz bleibt er seiner Leidenschaft treu, ein Stipendium aus dem Fördertopf für junge Kunst ermöglicht ihm Anfang der 70er Jahre einen prägenden Studienaufenthalt in Rom.
Von dort geht er nach München, wo er an der Entwicklung der Metastadt von Richard J. Dietrich mitwirkt: Ein industrielles Baukastensystem mit hohem Stahlanteil, das bis zur Serienreife entwickelt wird. Auch ein Prototyp kann realisiert werden. Nach einer Verleumdungskampagne und/oder tatsächlichen technischen Problemen wird das Gebäude abgerissen und die Firma liquidiert. Ernst M. Kopper ist der letzte Mitarbeiter, macht das Licht im Büro in München aus und geht nach Wien, wo er selbstbewusst Bereichsleiter der Architekturabteilung der Architekten AKH wird, verantwortlich für alle Sonderbauten auf dem Gelände. Modularität und Systematik sind auch dem neuen AKH eingeschrieben, Sonderbauten werden zu anspruchsvollen Statements.
Ausgehend von einem Selbsterfahrungsseminar in Salina wird Ernst M. Kopper Teil der Gruppe 100, die den Nexenhof im Weinviertel erwirbt, mit dem Ziel, die Integration von Wohnen und Arbeiten, landwirtschaftlicher Produktion für den täglichen Bedarf, architektonischer Arbeit und kritischer Beobachtung von Umwelt und Gesellschaft gemeinschaftlich zu leben. Die Ansprüche und Ideale sind hoch; unter anderem die Tatsache, dass viele einer Erwerbsarbeit in Wien nachgehen mussten, führt dazu, dass sich die Gruppe 1980 wieder auflöst.
Mit dem befreundeten Filmemacher Gustav Deutsch unternimmt er in den 80er Jahren „Expeditionen zum Kulturverhalten in Niederösterreich“ und dokumentiert diese im neuen Medium Video mit bemerkenswert direktem Blick im Rahmen der Medienwerkstatt Wien.
Gemeinsam mit Martin Köhler gründet er das Büro Kopper und Köhler. In der Hoffnung auf einen Auftrag verbringen die beiden Partner anfangs viel Zeit mit Warten, den Blick auf das Telefon gerichtet. Sitz des Büros wird ein ehemaliges Fotoatelier am Wallensteinplatz – Ort vieler legendärer Atelierfeste. Nach einem etwas zähen Start gelingt es mit dem Know-how aus dem modernen Krankenhausbau, auch Projekte für Bildung und Wissenschaft zu realisieren.
1990 verunglückt Martin Köhler, Architekt Kopper führt das Büro fortan allein. Er entwickelt eine Kultur der Arbeitsgemeinschaften und wird Teil der ARGE Architekten Altes AKH (Architekt Potyka, Architekten Kurrent & Zeininger, Architekt DI Dr. Sepp Frank, Architekt Kopper), der eine beispielhafte Umnutzung des ehemaligen Wiener Krankenhauses zum Campus der Universität Wien gelingt.
Zu den wichtigsten weiteren Kooperationen zählen jene mit Johannes Zeininger und Croce & Klug. Mit letzteren hat er auch in Graz architektonische Spuren hinterlassen, etwa das ZMF – Zentrum für medizinische Grundlagenforschung auf dem Gelände des Grazer Landeskrankenhauses.
Als integralen Bestandteil der Architektur versteht Ernst M. Kopper die Kunst; so entsteht beispielsweise mit Hannah Schimek und Gustav Deutsch die Arbeit Signal für das Projekt Wohnen und Remise Ottakring oder mit Peter Kogler die großformatige Fassadengestaltung des CeMM – Centrum für Molekulare Medizin der Akademie der Wissenschaften.
Souverän beherrscht er die Sprache, wie in seinem Gedicht zum letzten Atelierfest am Wallensteinplatz:
eros ist ein grünes schwämmchen
thanatos ist ein schwarzer schwamm
bis zum knie im dreck
mit dem kopf im himmel
architektur ist sinnlich
architektur ist körper
dass das ding funktioniert
das ist wohl das mindeste was du mir versprechen kannst
ich will körper und räume
sei rabiat, jede kleine schwäche fällt dir tonnenweise auf den kopf
die musen sind rachsüchtig
verstehen handeln verzweifeln
dreissig jahre im strudel des mahlstroms
auf der suche nach freiheit funktion und körper
zur erinnerung
gewalt waltet
die reise ist nicht vorhersehbar
bleib deinen ängsten treu
aber eines tages ist genug
sagt die leber
was sagt der hausverstand
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Ernst M. Kopper war ein Workaholic der Architektur mit hohen Ansprüchen, ein Meister der Funktionalität, ein kunstsinniger, humorvoller Zeitgenosse und Familienmensch. Nach langer Krankheit verstarb er im September 2024.