2025 stehen die ökologischen Krisen, in denen wir uns zweifelsohne samt Planeten befinden, im Mittelpunkt nicht nur der Architekturbiennale, die MIT-Star Carlo Ratti mit einem weltweiten Kurator:innenkollektiv gemeinsam erarbeitet hat. Zwischen mächtigen Installationen, Plakaten und Bildschirmen der Ausstellung der Biennale fallen junge Menschen mit knallgelben Taschen auf. Grafisch plakativ wird auf diesen das Logo einer der ersten europäischen Bürger:inneninitiativen – so betitelt man sich selbst – im Bau- und Planungssektor umhergetragen. Das funktioniert gut und generiert so viel Aufmerksamkeit, dass die Taschentragenden ihre Botschaft an die Bersucher:innen bringen: „Nein, zu Abriss! Ja, zu Renovierung.“
Die Architekturbiennale in Venedig ist für internationale Medienhäuser ein gutes Zeitfenster, über die sonst nicht allzu viel beachteten Fachdebatten zu berichten. Fachmagazine widmen ihre Titelstories dem Megaevent. Der Moment für eine europaweite Bewegung ist also günstig. Mittendrin der Architekturstudent Jakob (a.d.R: Name geändert). Er ist einer derer, die zur Initiative gehören. Sie hätten nicht lange überlegen müssen, sondern nutzen das weltweite Interesse an Architektur zurzeit, um besonders viele Unterschriften für die Initiative zu sammeln. „Wir wollen faire EU-Gesetzte, damit Renovierungen die neue Norm sind. Abriss von Bestand soll per Gesetz unattraktiv gemacht werden.“ Eine Umkehr der momentanen Gesetzeslage. Statt allerdings sich mit einzelnen Ländergesetzen zu beschäftigen, ist sich die Initiative sicher, muss es zuerst auf Europaebene eine Veränderung geben. Dann würden allmählich die Nationen und deren Länder politischen Wechsel auch argumentieren können und realisieren.
Die Architekten Olaf Grawert und Arno Brandlhuber sind Mitbegründer und Sprecher der Initiative. Sie arbeiten länderübergreifend. Auch in Österreich ist HouseEurope! schon aufgefallen und wird prominent unterstützt. Verena Konrad, Direktorin des Vorarlberger Architektur Instituts in Dornbirn, gehört zur Gründungsgruppe. Die Architekturhäuser und weitere Initiativen thematisieren die Anliegen in Diskussionsrunden oder nehmen den Film Power to Renovation. A Question of Values ins Programm auf.
Ein paar Tage nach der Begegnung mit Jakob spreche ich mit der Europaabgeordneten der österreichischen Grünen, Lena Schilling, halte den gelben Aufkleber der Initiative in die Bildschirmkamera. Sie gibt zu, dass sie von HouseEurope! selbst noch nichts gehört hat. Ansprechpartner seien dennoch gerade für Vorhaben, die auf der EU-Gesetzesebene Veränderungen herbeiführen wollen, die Abgeordneten des EU-Parlaments und dessen Petitionsausschuss.
Bisher unterzeichneten über 20.000 Menschen die Petition. Das ist für eine europaweite Aktion und den verstrichenen vier Monaten nicht der erhoffte Erfolg. Noch ist man eine stille Bewegung, noch haben sich die gelben Ideen nicht aus den Nischen und Fach-Bubblen raus entwickelt. Das Thema betrifft allerdings weit mehr als nur Architektinnen und Architekten. Besitzerinnen und Besitzer von Bestandsgebäuden sollten sich ebenfalls angesprochen fühlen. Und Kommunen wie Landesregierungen könnten sich der Bewegung anschließen. Letztlich entscheidet auch hier der politische Wille, wie man nachhaltig mit dem Baubestand Europas umgeht. Um die Ziele zu erreichen, benötigt HouseEurope! demnach noch ein paar große Wellen – Beteiligung ist gefragt. Es wäre das erste Mal, dass eine Bürgerinitiative mit Architekturthema europaweit gesetzlich etwas verändert.
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