„Die Türen sind offen“, hört man an diesem Dienstagnachmittag immer wieder während des fast dreistündigen Kulturdialogs des Kulturbeirats der Stadt Graz. Eine Art jährliches Gipfeltreffen der Grazer Kunst- und Kulturszene, das etwa 220 Akteurinnen und Akteure aus der aktuell besonders finanziell unter Druck stehenden Szene im Minoritensaal versammelte. Der Dialog ist immer auch eine Gelegenheit für viele aus der Szene, mit Politik und Verwaltung direkt zu sprechen. Die finanzielle Lage war Hauptthema, auch wenn dieses ans Ende der Veranstaltung gedrängt und zeitlich begrenzt wurde. Aber erst zu den erfreulicheren Nachrichten, dann Details zum Monetären.
Wechsel im Kulturbeirat
Im Kulturbeirat stehen personelle Wechsel an. Demnach kommen Zerina Dzubur, Tom Biela, Heinz Sailer, Astrid Kury und Michael Petrovic neu hinzu. Sibylle Dienesch, Christiane Kada, Klaus Kastberger, Bernhard Rinner und Johannes Rauchenberger bleiben als Verteter:innen großer Kulturinstitutionen im Beirat. Während Margarethe Makovec, Christiane Teichmann, Dr. Witamwas sowie Heidrun Primas, bisher Sprecherin des Kulturbeirats, diesen nach langjähriger Tätigkeit verlassen. Eine Nachnominierung der Publikumsvertretung soll noch benannt werden.
Kulturstrategie 2.0
Kulturstadtrat Günter Riegler, ÖVP, und seiner von ihm so betitelte „pressure group“, dem Kulturbeirat, ist gelungen, ein neu entwickeltes Leitbild für die lokale Kulturpolitik sachlich, informativ, emphatisch und transparent darzustellen. Es kamen dazu Stimmen eines kollektiv aufgesetzten Entwicklungsprozesses zu Wort, die glaubhaft Diversität, Inklusion und Interdisziplinarität der kulturellen Sphäre verkörperten und vermittelten. Das Leitbild und die dazugehörige kulturpolitische Strategie sind an die Stadtpolitik und Stadtregierung adressiert, könnten aber auch in der operativen Kulturpraxis Impulse geben. Die Parteien des Grazer Gemeinderats waren bis auf FPÖ und KFG vertreten.
Die fünf Felder der Strategie
In fünf Felder sortiert sich die neue Strategie – Vernetzen, Ausbilden, Bewahren & Transformieren, Vermitteln und Fördern. Die Inhalte wie Begriffsbildung, Handlungsempfehlungen, Maßnahmen und Gelingenszutaten wurden in einem partizipativ angelegten Prozess mit Vertreter:innen der Kulturszene gemeinsam erarbeitet, evaluiert und formuliert. Es sei wichtig gewesen, „das Wissen der Vielen für ein großes gemeinsames Bild“ einzufangen, so die Kabarettisten Christiane Kaufmann.
Das Minenfeld Finanzierung
Nach den fünf Feldern der Strategie geht es auf das Minenfeld der Finanzierung. Die Kulturbeiratsprecherin Heidrun Primas fordert auf, den breit zufassenden Begriff des Förderns im Blick zu behalten. Dieser sei nicht nur im finanziellen Sinne zu verstehen, sondern auch die Frage, wie Wandel, soziokulturelles Wachsen und mehr Partnerschaften bei knappen Budgets wahrscheinlicher werdende Gegnerschaften ablösen können. Dann der nachdrückliche Apell, akkurat Land und Stadt bezüglich Förderungen auseinanderzuhalten.
Alles möglich, wenn es ausreichend Geld gibt. In diesem Jahr dies ein eher unwahrscheinliches Szenario. Kulturstadtrat Riegler vermittelt die ernüchternden Zahlen des städtischen Kulturförderbudgets.
Im Dezember 2024 wurden Kürzungen bei Kultur und Wissenschaft für das Doppelbudget 2025/26 beschlossen. Der Betrag, der zur Verfügung steht, belief sich 2024 noch auf 11,8 Millionen Euro. 2025 und 2026 sind 11,1 Millionen vorgesehen, inklusive 0,5 Millionen für Fair Pay Zuschüsse pro Jahr.
Hinzu kommt eine Haushaltssperre, die je nach allgemeiner Budgetlage auch weitere 10% einfrieren könnte. Wenn die Konjunktur so bleibt, wie sie ist, heißt das, dass jeweils 10 Millionen Euro 2025 und 2026 ausgezahlt werden können. Ein Rückgang von 15%, was der Summe von 1,8 Millionen entspricht. Bürgermeisterin Elke Kahr stellt zusätzlich 150.000 € aus ihrem Budget u.a. für das Bergfilm-Festival und für La Strada zur Verfügung.
Wen es trifft
In diesem Jahr trifft es Projekt- und Jahresförderungen. Das kann so weit gehen, dass neue Projekte nicht begonnen oder laufende Projekte nicht wie geplant ausgeführt werden können. Das ist bitter und für einige existenziell. Die mehrjährigen Förderverträge sind ab 2026 ebenfalls von den Kürzungen betroffen, völlig unabhängig von bestehender Struktur, Programm und Qualität. Die Stadt stellt zudem Ankäufe von Kunstwerken vorübergehend ein und kürzt bei den Wissenschaftsförderungen, um die Defizite 2025 zumindest abzufedern. Eventuell gelingt noch ein Härtefallpaket für einzelne Projekte, so der Kulturstadtrat. Ferner legt Günter Riegler dar, welche besseren und schlechteren Entwicklungen dieser Zahl 2025 noch passieren könnte.
Zur Erinnerung ein Blick auf das Jahr 2023: Damals vergab das Kulturamt Förderungen in Höhe von € 12.256.900 und etwa 28,3 Millionen Euro gingen in die Finanzierung von Beteiligungen und in stadteigene Kulturinstitutionen. (Zahlen laut Kulturpolitische Standortbestimmung 2.0)
Droht jetzt die aus anderen Jahren schon bekannte Schleife und Konfrontation zwischen Großen und Kleinen Akteur*innen im Feld und zwischen Fördergebern und Fördernehmern: Der Kulturdialog biegt Richtung negativer Lethargie mit extrem niedriger Reizschwelle ab? Mitnichten.
Mit angezogenen Handbremsen nach vorne
Etwas Mut macht die Offenheit des städtischen Kulturamtes, mit dem Finanzdisaster umzugehen. Ein angesichts der Kürzungen pragmatischer Amtsleiter Michael Grossmann rät für 2025 und 2026 ab von Großen Plänen. Er sucht eher den Rat der Kulturschaffenden, wie man mit diesen angezogenen Handbremsen noch nach vorne kommen könnte. Zwei Hoffnungen nennt er dennoch: Ein Wirtschaftsaufschwung wird es richten. (Wohl eher unwahrscheinlich). Und die zweite, ab 2027 stünden die Chancen gut, dass das Stadtbudget ausgeglichen ist und wieder mehr gefördert werden kann.