01/11/2010
01/11/2010

Gewächshäuser des Botanischen Gartens der Universität Graz.

Die Glashäuser waren auch schon Kulisse eines Fotoshootings für einen Katalog.

Die Glashäuser lassen die Natur immer näher an sich heran.

Fotos: Margit Stadlober

Glashäuser des Botanischen Instituts der Universität Graz. Planung: Arch. DI Volker Giencke, Graz. Fertigstellung: 1995. Foto: Atelier Giencke

Hinsichtlich des Erhaltungszustandes konnte in diversen Gutachten eine prinzipielle Sanierbarkeit festgestellt werden, da die Korrosionsschäden primär den unteren Bereich der Stützen und weniger die übrige Tragkonstruktion betreffen. Wie geht es also weiter? Dornröschenschlaf oder doch bald Frühlingserwachen?

Es wurde überlegt, gedacht und viel geschrieben in letzter Zeit über die Glashäuser. Sie waren Gegenstand und Thema bei Symposien, der Verein Denkmal Steiermark hat sich ihrer angenommen. Am Tag des Denkmals 2009 waren sie „Zugpferd“ bei der feierlichen Eröffnung, hieß das Motto doch „Innovation und Kreativität“ und dafür sind sie wahrlich ein anschauliches Beispiel. Auch das Magazin „Denkmal heute“ widmete ihnen einen Artikel mit dem bezeichneten Titel „Bedroht“. Im Juli dieses Jahres ist ein aktueller, 20-seitiger Artikel von Dr. Margit Stadlober und Dr. Astrid Wentner im Historischen Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 40 erschienen. Ebenfalls seit diesem Sommer ist an der Uni ein Drittmittelprojekt zur Erforschung der Architekturen des Botanischen Gartens eingerichtet. Die TU Graz will sich beteiligen. Die Ergebnisse sollen 2011 zum zweihundertjährigen Bestehen des Botanischen Gartens in die Festschrift aufgenommen werden. In Planung ist weiters ein Sanierungsprojekt in einem kleinen Abschnitt gemeinsam mit einer Grazer Schule.

Geschichte
Im Jahre 1886 beschloss der Steiermärkische Landtag in Zusammenhang mit der Stadterweiterung die Auflassung des von Erzherzog Johann gegründeten Joanneumsgartens beim Neutor, weshalb die Anlage eines neuen Botanischen Gartens notwendig wurde. Der neue Garten sollte sich in der Nähe des Neubaues der Karl-Franzens-Universität befinden, die ab 1870 in einer weiträumigen Campusgestaltung im Pavillonsystem schrittweise errichtet wurde. Bereits 1874 wurde in der ehemals als Seufzerallee bezeichneten und durch eine hochwertige Villenarchitektur gekennzeichneten Schubertstraße eine großflächige Parzelle der Peter von Reininghausschen Gründe für den Botanischen Garten erworben. Die Bebauung erfolgte entsprechend dem nahen Universitätsgelände im Pavillonsystem. Der Gewächshauskomplex wurde 1888-1889 nach Plänen des k.k. Oberingenieurs Adalbert Friedrich von der Eisenkonstruktionsfirma Gridl errichtet. Die historische Gewächshausanlage, die seit der Errichtung der neuen Glashäuser des Botanischen Gartens (Architekt Volker Giencke, 1982-1995) nicht genützt wird, ist vor allem durch ihre bemerkenswerte Eisenkonstruktion von besonderem Interesse.

Beschreibung
Der historische Gewächshauskomplex ist von Symmetrie geprägt und in fünf Teilhäuser gegliedert. An einen blockhaften, würfelförmigen und turmartigen Zentralkörper schließen links und rechts in der Höhe und Tiefe gestaffelte, schmale, mit verglasten Pultdächern geschlossene Glashäuser an, von denen zwei als Warmhäuser (Subtropenhäuser) und zwei als Kalthäuser dienten. Der als Palmenhaus oder Tropenhaus bezeichnete Zentralblock trägt aus funktionellen Gründen und zu seiner formalen Überhöhung einen flachen turmartigen Aufbau mit Laufsteg, welcher von einem schlanken Eisengeländer mit Schneckenmotiven gesichert wird. Die transparente Oberfläche der Anlage besteht zur Gänze aus hochrechteckigen Glasfeldern in schmaler Rahmenkonstruktion. Die einzelnen Gebäudeteile sind gegeneinander abgeschlossen, die ursprüngliche Zweischaligkeit der Verglasung ist nur teilweise erhalten. Die Tragkonstruktion ist als Fachwerkträgersystem ausgebildet. Im Palmenhaus ermöglicht ein hochgelegener, umlaufender Steg die Erschließung des oberen Bereiches. Der Glashauskomplex ist als Anlehngewächshaus mit einer massiven rückseitigen Abschlusswand aus Ziegelmauerwerk konstruiert, welche den Höhensprüngen der Glaskonstruktion folgt und die Glashäuser von den infrastrukturell genutzten, gemauerten Gebäudeteilen trennt. Diese setzen mit ihren Pultdächern, deren Sparren zeittypisch beschnitzt sind, ebenfalls an der Mittelmauer an, sind zum Teil unterkellert und verfügen neben Arbeitsräumen auch über eine kleine Gärtnerwohnung.

Würdigung
Der 1888-1889 nach Plänen von Adalbert Friedrich durch die Eisenkonstruktionsfirma Gridl errichtete Komplex gliedert sich in fünf Teilhäuser mit dem zentralen Palmen- oder Tropenhaus und stellt eine bemerkenswerte Fachwerkträgerkonstruktion aus Schweißeisen dar, die sich durch einen hohen Grad an Transparenz auszeichnet und funktionsbedingt mit einem gemauerten Gebäudeteil verbunden ist. Im Vergleich zu zahlreichen anderen Palmenhäusern in europäischen Städten, bei denen die gesellschaftliche Repräsentation im Vordergrund stand, vertritt das Gewächshaus im Botanischen Garten in Graz in seinem strengen funktionalen Formenkanon einen auf die wissenschaftliche Funktion konzentrierten Typus, der die technische Qualität auch architektonisch in den Vordergrund stellt. Bei dem funktionalistisch reduzierten Ingenieursbau im Botanischen Garten in Graz handelt es sich um einen der letzten Vertreter dieses Typus in Österreich, der sich von annähernd gleichzeitigen, jedoch wesentlich dekorativer gestalteten Glashäusern (z. B. Palmenhaus in Wien-Schönbrunn, 1881/82) in seiner sachlichen Formensprache abhebt und damit Tendenzen der Architektur des 20. Jahrhunderts teilweise vorwegnimmt. Der gegenständliche Gewächshauskomplex gehört nicht nur zum frühesten erhaltenen Baubestand des Botanischen Gartens in Graz, sondern überhaupt zu den ältesten erhaltenen Bauten der Karl-Franzens-Universität in Graz. Weiters bildet er einen wesentlichen architektonischen Akzent im Botanischen Garten und im Bereich der Schubertstraße, wobei auch eine interessante Kontrastwirkung zu den neuen Gewächshäusern nach Plänen von Volker Giencke festzustellen ist.

Der Artikel ist erstmals auf der Homepage des Bundesdenkmalamtes, www.bda.at, erschienen.

Verfasser/in:
BDA, Steiermark
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