Rund 50.000 Besucherinnen und Besucher an 25 Festivaltagen erlebten die 58. Ausgabe des Kunstfestivals. Insgesamt waren über 1.000 internationale wie nationale und lokale Akteurinnen und Akteure beteiligt. Das Programm umfasste 42 Auftragsarbeiten, davon 26 innerhalb der Ausstellung in der ehemaligen Destillerie Bauer, die von Künstler:innen zur BAU umgewidmet und neu bespielt wurde. Mit rund 440 Veranstaltungen, von denen etwa die Hälfte bei freiem Eintritt stattfanden, war es möglich, Kunst auch ohne finanziellen Einsatz zu erfahren. Dass der Bedarf an und die Neugierde auf Kunst im lokalen Kontext gegeben ist, zeigte das Angebot der herbstvermittlung, welches auf 31 Formate erweitert wurde. Mit 4000 Besuchen bekundeten 1000 Neugierige mehr als im letzten Jahr ihr Interesse an dem Angebot. Besonders die verschiedenen Führungen durch den BAU waren beliebt, deren Anzahl mehr als verdreifacht wurde. Überregionale Kunstinteressierte erreichten Medienberichte bei ttt (DE), arte (FR/DE/AT), e-flux criticism (USA), Gazeta Wyborcza (Polen), Juliet (Italien), KUNSTFORUM International (Deutschland), sowie in weiteren internationalen Kulturmedien. Der nächste steirische herbst findet vom 24. September bis 18. Oktober 2026 statt und ein Katalog zur diesjährigen Ausgabe erscheint im Frühjahr 2026. Soviel zu den etwas weicheren Zahlen.
Harte Zahlen
Die härteren Zahlen, die mit der Frage des Wertes eines Kunstfestivals auf monetärer Ebene befasst sind, sehen in diesem Jahr laut Festival-Intendantin Ekaterina Degot stabil aus: Bei einem Gesamtbudget von ca. 4,46 Mio. EUR für den steirischen herbst ’25 liegt die Wertschöpfung für Graz und Graz-Umgebung bei ca. 62 %, für die gesamte Steiermark bei ca. 73 % und für Österreich insgesamt bei ca. 85 % des Budgets. Ein ausführlicher Geschäftsbericht wird ab März 2026 zur Verfügung stehen.
Wirkung und Echo
Am Ende sind es aber nicht die Zahlen, die ein Kunstfestival wie der steirische herbst zu bieten hat. Die Wirkung, die die Verdichtung im Festival hervorbringt, ist weitaus interessanter, erstrebenswerter und fragiler. So waren in diesem Jahr neben der besonders erfolgreichen BAU Ausstellung, die ein Fachpublikum ebenso wie die breite Öffentlichkeit erreichte, die Friedensgespräche, die an die Stelle der konfrontativen Formate des Vorjahres traten, Foren des politischen Diskurses.
Internationales Echo erlangten 2025 einige der Video- und Performancearbeiten, Auftragsarbeiten des Festivals, die in den kommenden Monaten und Jahren weltweit auf Theaterbühnen, in Ausstellungen, auf anderen Festivals und im öffentlichen Raum zusehen sein werden. Diese Dimension des etablierten Kunstfestivals aus Graz ist eine besonders wertvolle und attraktive. Als produzierendes Festival setzt es Impulse, ermöglicht Neuerungen und leistet einen entscheidenden Beitrag zur Wahrnehmung der Kunst als Profession. Das macht auch lokale Künstler:innen und Institutionen, die im Partnerprogramm des steirischen herbstes eigenständig agieren, überregional sichtbarer.
Programmzitate
Ein zentraler Moment des Festivals war die symbolische Umbenennung des Freiheitsplatzes durch den Künstler Ahmet Öğüt und Intendantin Ekaterina Degot, verbunden mit den Fragen nach der Art der Freiheit, in der wir leben oder leben wollen. Damit erging die Aufforderung an alle, sich den geschichtlichen Wurzeln und Bedeutungsänderungen bewusst zu sein, die uns begleiten und oftmals unreflektiert bleiben. So wurde der Freiheitsplatz in Graz nach 1918 und 1938, 2025 zum dritten Mal mit diesem Namen versehen. Anlässe für die Benennungen sind völlig gegensätzliche Freiheitsbegriffe. Damit stellte Öğüt die Frage: „Welche Freiheit wollen wir, haben wir, werden wir haben?“
Auch die Performance Violenca, als eine der provokativsten Arbeiten des Festivals, ging mit den nicht hinterfragten Sprachgewohnheiten und scheinbar Sprachharmlosigkeit um. Die Inszenierung einer Art rechtsextremen Reigens führte zu Reaktionen echten Unbehagens und thematisierte reale rechtsextreme Gewalt. Würde man sich außerhalb des Theaters anders, mutiger, empörter und radikaler positionieren? Oder würde man sich ebenso wie als Publikum abwartend, über dem Ganzen stehend verhalten? Wo liegt eigentlich die eigene Grenze, von der man in Friedenszeiten immer hofft, sie nicht zu verpassen. Wann sind die Momente des Entgegentretens? In Vorkriegszeiten, in Nachkriegszeiten oder eigentlich immer? Die Übernahme von Violencia durch eine große deutsche Bühne ist in Vorbereitung.
Sicher tief in die Erinnerung der Besucher*innen des heurigen steirischen herbst gegraben hat sich die Videoarbeit THEY THE THEM ARE WE: MONO(i)DIALOGUES von Nástio Mosquito. Worte fassen nicht, was da zu sehen war. Fiktive Begegnungen, wie im bereits erwähnten Referenzwerk Ernst Tollers, machen deutlich, wie groß die Herausforderung der Komplexität ist und wie schnell Vereinfachung und Polarisierung zur scheinbaren Lösung werden.
Grund- und Zielsetzungen
Die fünf Grundsätze des Festivals betonte Ekaterina Degot mit Nachdruck in ihrem Fazit, das sie gemeinsam mit dem Team vergangene Woche zum Ende des Festivals zog. Solange sie die Intendanz innehat, wird man im Sinne dieser den steirischen herbst formen. So stehen Denkfreiheit und Denkkomplexität durch die Förderung dialektischer, vielschichtiger Kunstwerke und Plattformen für kritische Stimmen im Mittelpunkt. Unabhängigkeit wird als Widerstand gegen politische und administrative Einflussnahme verstanden, um zu verhindern, als Unterhaltungsprogramm oder Landesabteilung missverstanden zu werden. Neue Werke und die Förderung von Kunstproduktionen, die die Gegenwartskunst prägen und Graz als Ort kritischer Avantgarde international verankern, spiegeln als Ergebnis des Festivals auch die gesellschaftliche Basis wider, auf der diese entstehen. Zu der ebenfalls ein kultureller Klimaschutz zu zählen ist, der eine geistige Unabhängigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Anpassungsdruck und Simplifizierung bewahrt. In alledem schwingt die reflexive Warnung vor dem Lokallismus mit, als eine Ablehnung jeder provinziellen Selbstbezüglichkeit zugunsten einer offenen, liberalen kulturellen Identität.
Beobachtungen am Ende des Festivals
2025 war der steirische herbst ein Ort, an dem Kunst ihre kritische, politische und gesellschaftsgestaltende Kraft behaupten musste und konnte und sich gegen Vereinfachung, Vereinnahmung und Gleichgültigkeit stemmte. Das Interesse an einem kritisch-reflektierenden, nicht volkskulturellen Programm ist im Jahr 2025 sicherlich auch, aber nicht nur, gestiegen, weil die geopolitisch angespannte Situation und die Krisenangst viele beschäftigt. Der steirische herbst adresseirte diese momentanen Ängste. In begleitenden Gesprächen und Diskursen wurde außerdem wiederholt die Frage nach dem Wert von Kultur in einer vollständig kapitalisierten Gesellschaft thematisiert. Gerade weil sich die Protagonist:innen der lokalen und freien Kunst- und Kulturszene in den vergangenen neun Monaten konsequent mit Förderabsagen und teils existenziellen Kürzungen konfrontiert sehen, war die Chance gegeben, der Frage wie künstlerisches Schaffen finanziert werden kann, besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Dabei ging es um alternative Formen von Wertschöpfung, die nicht allein auf Besitz oder Verkauf einzelnen Werke beruhen, sondern auf der Art und Weise, wie gesamtgesellschaftlich Mittel für Kunst und Öffentlichkeit gewonnen und genutzt werden.