Das Haus ist kein Haus. Das offene Haus ist kein offenes Haus. Das Haus sind drei Bäume, die in der Spanischen Landschaft am Horizont erscheinen. Das offene Haus verschließt sich, wenn sich Hannes Schwarz zum Malen in sein Atelier zurückzieht.
Peter Handke lässt in seinem Traktat „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ das Haus mit seinem Bewohner oszillieren. Für uns als planende Architekten stellte sich von Beginn an die Aufgabe, das Wohnhaus der Familie Schwarz mit dem Atelier des Malers Schwarz, die getrennt sein sollten, zu versöhnen. So wie die Grazer Doppelwendeltreppe in der Burg – die gar keine Burg ist – als Versöhnungstreppe mit zwei gegenläufigen Läufen das Unmögliche möglich macht, wieder an einem Ort zusammenzukommen. Martin Buber nennt es „Im Selbst dem Du“ zu begegnen.
Als im Forum Stadtpark Vereinigte traute Hannes Schwarz uns die Planung seines Hauses zu. Gestärkt durch die Überwindung zahlreicher Probleme bei der Gründung des Forum und seiner Heimstattgebung – Werner Hollomey war der Geburtshelfer – übernahmen wir den Auftrag. Es war dies eine seltene Ausnahme gegenüber einem Freund, da unser Büro der Werkgruppe keine Einfamilienhäuser plante. Wir waren der Meinung, dass diese Bauaufgaben die persönliche Handschrift des Entwerfers verlangen, wie der Bauherr/die Bauherrin seit dem Renaissancearchitekten Leon Battista Alberti sich selbst in einem Bau zum Ausdruck bringen müsse.
Die Übereinstimmung lag noch auf einer anderen Ebene. Hannes Schwarz und Werner Hollomey waren als Jugendliche, die sich der Kunst und dem Sport verschrieben hatten, Zöglinge der NS Eliteschule, der „Napola“ (Nationalpolitische Erziehungsanstalt). Diese Last der Indoktrination, die angesichts der Offenbarung des verbrecherischen Regimes den beiden auf den Rücken drückte, musste abgeworfen werden. Der kollegiale Freundeskreis des Forum, dem auch rückgekehrte Kriegsteilnehmer angehörten, bot dazu die beste Gelegenheit. Galt es doch, im konservativen Graz, das noch nicht völlig zur wiedergewonnenen Freiheit erwacht war, ein Zeichen zu setzen.
Um einem Haus auf den Grund zu kommen, müssen wir zuerst den Begriff klären. Dazu griff ich auf den alten „Brockhaus“, Werk in 17 Bänden aus 1902, zurück. Unter „Haus“ fand ich: „jedes zum Wohnen bestimmte Gebäude; auch im übertragenen Sinn als Gotteshaus, Kirche; es bildet wegen des nötigen Schutzes gegen Wind und Wetter einen Raum, der nach außen sowohl seitlich als nach oben durch dauerhafte Konstruktionen abgeschlossen ist; es hat zum Unterschied von der Hütte den Charakter des Feststehenden, Unwandelbaren, weshalb auch die Verbindung mit dem Erdboden eine festere ist als bei der Hütte“.
Wenn man es genau nimmt, ist von einem Raum die Rede, und von der Hütte als vom Boden losgelöstes Haus. Das traf auf unsere Absichten zu, indem wir ein leicht geneigtes Grundstück vorfanden, bei dem wir das Haus, eine Art Hütte, vom Boden losgelöst errichten wollten. Als Referenz an die Natur, die für Schwarz eine wichtige Rolle spielte. Ähnlich historischen Holzbauten, die in ihrer Ursprünglichkeit geradezu “brutalistisch” anmuten. Das israelische Volk, das gemäß Überlieferung immer auf Wanderschaft war, hat bei Matthäus uns den Satz hinterlassen: “Lasst uns drei Hütten bauen, eine für dich - den Herrn, eine für Mose, eine für Elias.” Hannes Schwarz war ein Wanderer.
Freilich wollte ich auch die Bibliothek des digitalen Zeitalters zurate ziehen und landete beim world wide web, um das Haus mit einem handlichen Smartphone oder Tablet zu erkunden.
Dabei wird unter der Kategorie Raum in Architektur und Bauwesen zwischen dem physischen und dem atmosphärischen Raum unterschieden. Das traf schon ziemlich genau auf unsere Interessen zu, da das Haus Schwarz einerseits in seiner physischen Existenz für die Familie Schwarz wichtig war, andererseits gerade das Atmosphärische, das offene Haus auszeichnete.
Da musste ich meinem aus der Erfahrung gewonnenen „Prinzip der doppelten Umkehr“ Geltung verschaffen, indem ich dem auf Wikipedia kursierenden Satz widerspreche: “Als Außenraum bezeichnet man einen definierten Raum, der nicht vor Witterungseinflüssen geschützt ist“. Das aber machte gerade nicht unseren Entwurf aus, indem ein Außenraum besteht, der vor dem Wetter geschützt ist. Es ist ein Raum des „in between“, ein Schwellenraum. Gerade im Gespräch mit Hannes und Friedl Schwarz wurde großer Wert daraufgelegt, als Kontaktraum, um Freunde in einem äußeren, aber geschützten Bereich empfangen zu können. Das erfüllen besonders die große Terrasse als Erweiterung des Wohnzimmers. Beispielhaft gelten dafür das traditionelle Louisiana Haus mit seinen offenen Veranden, das japanische Haus mit seinen mobilen Außenverschlüssen und bei uns der Altausseer Haustyp der Wintergärten. Blickt man auf die moderne Architektur, so hat der holländische Architekt Aldo van Eyck von „Atmenden Räumen“ gesprochen, die dem Ein- und Ausatmen vergleichbar, zur inneren Konzentration und zum äußeren Austausch dienen.
In einem noch anderen Aspekt muss ich das angesprochene Austauschphänomen nennen. Dem inneren Raum wird der aus Garten und wohnungsbezogenen Freiflächen bestehende Außenraum gegenübergestellt, der als bis zur Siedlungsgrenze reichend dargestellt wird. Das galt für Hannes Schwarz nicht. Für ihn reichte das Haus bis zum Horizont, wohin ihn sein Auge führte. Er wollte allem auf den Grund gehen. So richtete er als gläubiger Mensch, über dem ein transcendenter Himmel schwebte, seinen Blick auf die Weizberg Kirche, die ihm antwortete, anders am Morgen und am Abend. Mit ihr trat er in Dialog. Schließlich mit dem sich hinter ihr aufbauenden Sternenhimmel. Wo der physische Raum begann und wo er endete, blieb offen.
Zurückgehend auf die im Internet anhand zahlreicher aktueller Publikationen aufzufindende neue Interpretation des architektonischen Raumes als „Atmosphärisches“, findet sich der Satz: …