17/07/2009
17/07/2009

Robert Smithson, „Spiral Jetty”, 1970. Filmstill

Gottfried Bechtold, „Verdichtung 997“, 2006/09

Thomas Feichtner, Besteck „Cutt“ 2006, (Wiener Silberschmiede)

Walking-Chair, „Petlightshow“, 2008. Objekte, International Design Festival Berlin

Beispiele einer „kulturhistorische(n) Recherche, die verschiedene künstlerische Produktionsweisen synoptisch zu erfassen versucht“ hat Kurator Vitus Weh zu einer Ausstellungsreihe verbunden, die dem „Kristallinen“ in Kunst, Architektur und Design auf der Spur ist.

Mit „Glanz und Verderben. Prekäre Kristalle in Architektur und Kunst“, zum Jahreswechsel 2008/09 im kunsthaus muerz, „Sharp Chic. Über die Anziehungskraft des Kristallinen“ zu Anfang vergangenen Jahres im Wiener Museumsquartier und nun mit „Das Blaue Licht. Ein Hang zum Kristallinen in Kunst und Design“ im Grazer Medienturm stellt(e) der Kulturpublizist, Leiter des quartier 21 im MQ/Wien und Lehrbeauftragte an der Linzer Kunstuniversität Vitus Weh ein Thema zur Disposition, das ihm angesichts einer internationalen Tendenz an Museumsbauten aufgefallen war: die kristalline Form. „Viele Neubauten der letzten Jahrzehnte inszenieren sich als Monolithe oder Kristalline“, schreibt Weh im durchaus aufschlussreichen Katalog zur Ausstellungsreihe. Einem generalisierenden Tenor Wehs darf aber ambivalent entgegengehalten werden, dass neben solchen Bauten, etwa von Rem Koolhaas (Casa da Música, Porto), früher schon das Whitney Museum, NY (Marcel Breuer u. Hamilton P. Smith) oder der Monolith des MUMOK von Ortner & Ortner, parallel eine Tendenz zum Biomorphen besteht: da ist Cook/Fourniers Blob am Kunsthaus Graz oder Ben van Berkels „Blob to the Box“ des MUMUTH. Die Ursprünge der kristallinen Formen dürften wohl in der Verwendung neuer Materialien seit der industriellen Revolution – Beton, Stahl, Glas – zu suchen sein bzw. könnte eine Mikrostruktur der Baustoffe das Interesse an der Makroform des Bauwerkes befördert haben.

Wie auch immer. Über den Ausstellungstitel „Das blaue Licht. Der Hang zum Kristallinen in Kunst und Design“ stellt Vitus Weh einen vagen Bezug her zum omnipräsenten Lichtschimmer der Liquid Crystal Displays unserer Flachbildschirme und dem gleichnamigen Regiedebüt Leni Riefenstahls (1932), dem in vielfacher Hinsicht Unheimlichen einer todbringenden Kristallgrotte in den Bergen.

Den Vordergrund zu solch kristallinen Assoziationen nehmen in der rezenten Ausstellung Arbeiten ein, die mit einem Klassiker aus dem Bereich Earth Works beginnen. Fotos, Filmdokumentation und theoretische Ausführungen zu Robert Smithons „Spiral Jetty“, jener spiralförmigen Mole in einem Salzsee in Utah, die er in der Entwicklung schon als „Sedimentierung des Geistes“ bezeichnete. Materialien: Steine, Erde, Salzkristalle, Wasser.

An den dominanten Monolithen des neuen Porsche-Museums von Delugan Meissl ist man angesichts der Fotografien des Altmeisters österreichischer Konzeptkunst, Gottfried Bechtold, inzwischen zwar erinnert, chronologisch besteht allerdings keine Verbindung. Die Marke und verschiedene Modelle des Desiderats Porsche spielen im Werk Bechtholds immer wieder eine deutliche Rolle. 2006 ließ er einen „Erlkönig“, den Prototypen des 997ers in der Schrottpresse zu einem kompakten Wrack formen, wovon ziemlich ansprechende Fotografien unter dem Titel „Verdichtung 997“ entstanden.

Eine interessante Haltung im Bereich Design führt Thomas Feichtner vor. In seiner Axiome-Reihe entwarf er unter anderem Essbesteck namens „Cutt“ (2006), das nach dem Prinzip des Brillantschliffes geformt ist und ergonomischen Ansprüchen sichtlich widerspricht. So „Form follows Function“ ein Axiom sei, bricht Feichtner diesen Grundsatz.
In einer Tiefkühltruhe ist Bogomir Eckers Assemblage „Starre und Nähe (Stuhl)“ (2008) angeordnet. Technische Geräte, Kabel, Vogelhäuschen und ein Sessel sind, in monochromem Silber gehalten, der zunehmenden Vereisung ausgesetzt.

Und neben etlichen weiteren Beispielen, mittels denen das Thema eingezirkelt wird, steht da eine Sitz-Gebirgs-Landschaft der Wiener Designer Walking-Chair, entworfen für eine Ausstellung zur österreichischen Architektur des Architekturzentrums Wien, beleuchtet von „Petlights“, dem variablen Lustersystem auf Basis verformter PET-Flaschen.

„Das blaue Licht. Der Hang zum Kristallinen in Kunst und Design“ im Kunstverein Medienturm, Josefigasse 1, 8020 Graz. Zu sehen bis zum 5. September 2009.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
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