17/04/2025

Ein Jahr Umbau – Start der Zwischennutzungsphase. Wer eine topsanierte Immobilie erwartet, wird enttäuscht sein. Die Räume der ab Ende April 2025 wieder zugänglichen Tennenmälzerei der Brauerei Reininghaus in Graz glänzen allen voran durch ihren charmanten und originalen Nichtglanz. Mit voller Absicht haben die Architektinnen und Architekten des verantwortlichen Breathe Earth Collectives das Gebäude nur adaptiert, urbargemacht oder besser gesagt, für die jetzt folgende Entwicklung freigelegt und für weitere Entdeckungen vertäut. 

17/04/2025

Tennenmälzerei Graz Reininghaus im Stadtraum, 2025

©: Stadt Graz/Foto Fischer

Obergeschoss Tennenmälzerei Graz Reininghaus, 2025, © Nikola Milatovic

Noch leeres Stadtteilbüro in der Tennenmälzerei Graz Reininghaus, 2025, © Nikola Milatovic

Eingerichtet, Tennenmälzerei Graz Reininghaus, 2025

©: Ada Hauser

Außenwand, Tennenmälzerei Graz Reininghaus, 2025

©: Ada Hauser

Zwischenboden, Tennenmälzerei Graz Reininghaus, 2025

©: Stadt Graz_Fischer

Vor dem Umbau, Tennenmälzerei Graz Reininghaus, 2023

©: Stadt Graz_Fischer

Erste Anlaufstelle für das, was jetzt kommt, und einer der beiden zukünftigen Hausherren wird das Stadtteilmanagement Reininghaus sein. „Gelb sind die Flächen, die man heizen kann“, erklärt Daniel Huber, dessen Leiter. Büro, Gemeinschaftsraum, Küche und WC haben einen gelben Fußboden. Alle anderen Flächen der bulligen Tennenmälzerei sind und bleiben vorerst ohne Heizung. Ein Zugeständnis an den temporären Charakter der Sanierung und an ein knappes Budget. 

Ein behutsamer Umgang mit dem historischen Bestand

Die mit sanfter Hand und ohne Eingriffe in das denkmalgeschützte Gewölbe, unter Verwendung einfacher, funktionaler und reversibler Bauteile für die Zwischennutzung durchgeführte, nicht immer sichtbare Adaption, bildet den Rahmen für ein Konzept der Offenheit. Raumaneignung ist gewollt, wird gebraucht und soll so einfach wie möglich sein – zumindest gilt das für die 600 Quadratmeter des ersten Geschosses. Im Erdgeschoss soll auf weiteren 600 Quadratmetern reglementierter vermietet werden. Dachstuhl und Dachboden sind nicht öffentlich zugänglich. Ein Jammer bei deren Imposanz, aber verständlich aufgrund der auch ohne Dachraum bereits großen Fläche, die zu bespielen ist.

Spielen – das richtige Stichwort. Noch sind die Räume zwischen den Gewölben ohne konkrete Setzung. Hergerichtet durch ein paar funktionale Einbauten, einen Werkraum mit Wasser- und Stromanschluss sowie sparsam ergänzte neue Fenster zur Belichtung, Türen als Zugänge, wo vorher keine notwendig waren. Architekt Bernhard König zeigt die unsichtbaren Details, auf die es bei der Sanierung ankam. Die alten Schütten in den Gewölbedecken, in denen die Gerste von einem Geschoss in ein anderes rutschte, wurden aus Brandschutzgründen abgedichtet. Wesentlich sichtbarer, aber ebenso sicherheitstechnisch bedingt, wurde die äußere Ziegelwand geputzt. Sie wird mit einem Baugerüst und einem Netz bis auf Weiteres eingedeckt bleiben. In der Außenwand entdeckt man auf den zweiten Blick, wie neue Fensterrahmen in alten vergrauten Planken sitzen, ehemals die Luken für den Luftaustausch in der Mälzerei.

Ein ungerader Weg zur aktuellen Form

Dort wurden bis 1947 Weizen und Gerste für den Bierherstellungsprozess zu Malz aufbereitet. Momentan stellt sie das erstaunlichste Projekt neuerer Stadtentwicklung dar, welches sowohl historische Bedeutung als auch alternative Nutzungskonzepte miteinander verbindet. Nach dem Kauf des Areals der Brauerei Reininghaus im Jahr 2005 übernahm die Stadt Graz die Projektverantwortung, wobei die Tennenmälzerei als „Schlussstein“ in einem großflächig angelegten urbanen Entwicklungsprozess betrachtet wurde. Darauf folgte Verkauf und Wiederankauf. Dass Kultur und Nachbarschaft in die Mälzerei einziehen, ist auch den Akteurinnen und Akteuren der Gruppe Reiningherz zu verdanken. Sie schrieben ein entsprechendes Konzept und gingen ab 2014 in die Ausarbeitung mit der Stadt. Statt ökonomischer Verwertung stand dabei eine sozial-ökologische Betrachtung des Gebäudes im Mittelpunkt.

Es wurde kein gerader Weg von Reiningherz zum heutigen Umbauprojekt. Spuren des kulturell geprägten Ansatzes finden sich in der neuen Zwischennutzung dennoch, und eine reine Kapitalisierung liegt zumindest in den nächsten Jahren auf Eis. Am Ende stehen andere und durchschneiden das Band am Tag der Eröffnung. Nach den Stadtdenker*innen von Reiningherz sind es die Architekten, Vizebürgermeisterin, Stadtbaudirektor und der Landeskonservator des Denkmalamts, die die Geschichte weiterschrieben und jetzt an die Bewohnerinnen und Bewohner von Reininghaus übergeben werden.

Die Perspektive für die Zukunft

Die Mälzerei ist einer der letzten Orte, an denen die „DNA“ der Geschichte des ehemaligen Industriegebiets noch durchdringt. Für die Auftraggeber der Stadtbaudirektion war das Ziel, möglichst robuste Lösungen zu finden und diese mit geringen Kosten umzusetzen. Ursprünglich als Funktionsbau genutzt, war sie nach Jahrzehnten des Verfalls ein ramponiertes „Übrigbleibsel“ eines größeren, industriellen Ensembles. Umfangreiche Arbeit erforderte die Dachsanierung. Die Neueindeckung der über 1000 Quadratmeter Fläche – stark in Mitleidenschaft gezogen 2024 durch einen Sturm sowie die Behebung von Feuchteschäden, verschoben den eigentlichen Projektabschluss um vier Monate nach hinten. Zu viel Veränderung wurde gezielt vermieden. Der alte Geist durfte in den Räumen und an den abgeschabten Wänden und Gewölben bleiben. Zudem wurde das Gebäude nicht großflächig geöffnet, um die massive, denkmalgeschützte Struktur nicht zu gefährden. Stattdessen verlegte man die Erschließung des Gebäudes nach außen, von Weitem gut als „neu“ und temporär erkennbar. Der drei Meter tiefe Rahmen bildet eine überdachte Veranda, die Stiegen, Eingänge, Aufzug und Freibereiche schützt. Ins Innere zogen zusammengesuchte historische Elemente – von Möbeln bis zu Versatzstücken anderer Gebäude – und wurden zu skurrilen Spolien. Vorstellbar, dass diese auch in Zukunft in Bewegung bleiben und ergänzt werden.

Der Erfolg des Projekts wird stark von der Beteiligung der Anwohnerinnen und Anwohner sowie der Zusammenarbeit mit dem Stadtteilmanagement und dem Veranstaltungsreferat der Stadt Graz abhängen. Es ist ein sogenannter Dritter Ort, dessen 1200 Quadratmeter nicht nur für kommerzielle Events genutzt werden soll, sondern auch für gesellschaftliche und kulturelle Initiativen offensteht. Dass der Tennenmälzerei ihre offene Nutzung gelingt, ist zu wünschen. Ob es ein Haus für alle wird, kommt ganz darauf an, wie die Grazerinnen und Grazer den Ort verwenden, entdecken, nutzen und ausprobieren werden. Nur zu!

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