28/04/2025

Die Architektin Christine (Christl) Stigler-Powondra schuf 1966 mit der Innsbrucker Espressobar Be Be einen ikonischen Raum der Nachkriegsmoderne, der sich durch seine besondere Eleganz und feine Wahl der Oberflächenmaterialien auszeichnete und bald zum Treffpunkt für Architekt:innen und Künstler:innen wurde. Der Name der Entwerferin ist nur Wenigen bekannt. In der Zeitschrift „Baumeister“ wurde 1968 ihr Ehemann und Büropartner als alleiniger Autor genannt. Und in einem 2021 erschienenen Artikel über die qualitätvolle Bargestaltung wunderte sich Rainer Köberl darüber, dass Friedrich Achleitner in seinem Architekturführer zu Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg (1980) diese außen vor ließ. 

28/04/2025

Christl Stigler-Powondra, Espressobar Be Be, Eingangsportal, Innsbruck (1966), © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte – Bestand Stigler & Stigler

Architektin Christl Stigler-Powondra (1930–2019), © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte – Bestand Stigler & Stigler

Christl Stigler-Powondra, Espressobar Be Be, Grundriss, aus: Baumeister, 65 (1968) 

Christl Stigler-Powondra, Espressobar Be Be, aus: Baumeister, 65 (1968)

Christl Stigler-Powondra und Wilhelm Stigler jun., Stadthaus Kronthaler in Kufstein, aus: Architektur Aktuell, 9 (1975)

Christl Stigler-Powondra und Wilhelm Stigler jun., Villa Broschek, Fieberbrunn (1963), © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte ­­– Bestand Stigler & Stigler

Espressobar Be Be in Innsbruck

Die Architektin legte großen Wert auf die räumliche Wirkung dieses schmalen Lokals – bei einem Bauplatz von nur etwa 3,40 m Breite und 10 m Länge. So definierte sie die wichtigen Gestaltungselemente an der Fassade und nahm diese im Innenraum wieder auf. Über dem Eingang befinden sich filigrane Lamellen zur Be- und Entlüftung des Lokals. Darauf montiert blitzte das weiße Logo der Bar: Be Be. Horizontal ums Eck angeordnete Aluprofile und eine ungerahmte Glastüre führen in den Innenraum. Die Sichtbeton-Decke besteht aus einem Fertigteilsystem aus Trägern und verschiedenen eingehängten Betonelementen.
Die Oberflächen im Innenraum setzten sich aus verschiedenen Materialien zusammen: Aluminium, Chrom, Alutafeltüren, gemauerte Betonsteinlaibungen und hellgraues Kleinmosaik. Auf dem schwarzen Schieferboden waren Bänke, Barhocker und Sessel, mit braunem Leder überzogen, platziert.

Malerei und Architektur in Graz

Christl Stigler-Powondra wurde 1930 in Bludenz geboren. 1949 legte sie die Matura am Realgymnasium in Salzburg ab. Danach ging es nach Graz, wo sie zunächst Malerei an der Kunstgewerbeschule bei Alfred Wickenburg studierte. Zeitgleich begann sie Architektur-Vorlesungen bei Prof. Friedrich Zotter an der Technischen Hochschule Graz zu besuchen und inskribierte ab 1950 dann offiziell das Architekturstudium. In diesen Jahren war sie gemeinsam mit Raimund Abraham, Eugen Gross und Friedrich St. Florian im Zeichensaal. 1955 heiratete sie ihren Studienkollegen, den Tiroler Wilhelm Stigler jun., mit dem sie später zwei Söhne hatte, und im Jahr 1957 folgte das Diplom der Architektur in Graz. Ihr Mann arbeitete bereits ab 1954 im bedeutenden Innsbrucker Architekturbüro seines Vaters mit. Gemeinsame Reisen führten sie später nach Frankreich zu den Bauten Le Corbusiers und in die USA zu den Villen Frank Lloyd Wrights.

Vom Schaufenster zur Markthalle

Nach ihrem Studienabschluss entwarf Christl Stigler-Powondra in den 1960er Jahren zunächst vor allem Schaufenster und Messestände, hauptsächlich für den Elektrotechnikkonzern Brown-Boveri & Cie. Im Rahmen eines Schaufensterwettbewerbs zu den IX. Olympischen Winterspielen 1964 wurde sie mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Ab 1956 war sie ständige Mitarbeiterin, später Namenspartnerin im Büro Stigler, wobei sie überwiegend für die Entwürfe verantwortlich zeichnete. 1965 legte sie die Ziviltechnikerprüfung ab, 1978 wurde sie vereidigt und hatte die volle Befugnis. Im Büro Stigler & Stigler war die Architektin für viele Projekte verantwortlich. Die von ihr besonders genannten Projekte waren – neben der Bar Be Be – die neue Markthalle Innsbruck (1959/60), das mehrgeschossige Stadthaus Kronthaler in Kufstein (1973) mit Sichtbetonfassade und begrüntem Dachgarten und die Länderbank-Filiale Reichenau in Innsbruck (1977/78).

Einfamilienhäuser

Zu ihren interessantesten Bauten gehört, neben der Villa Broschek in Fieberbrunn (1963), auch das Ferienhaus Faistenberger oberhalb des Dorfzentrums von Gstill nahe Innsbruck. Der 1973/74 errichtete, freistehende Bau wurde gegen den steil nach Südwesten abfallenden Hang des Patscherkofels platziert. Das Gebäude mit quadratischem Grundriss ist in Beton mit Rauputz und Zeltdach ausgeführt und mithilfe horizontaler Akzente und Symmetrien gegliedert. Das über die Südseite hinauskragende Obergeschoss läuft als Erker über die Ecken der Ost- und Westseite.
Im Inneren verbindet ein gewendelter Treppenaufgang mit Betonbrüstung das Erdgeschoss mit dem Obergeschoss. Heute steht das markante Haus unter Denkmalschutz.

Das Büro Stigler & Stigler, das die Architektin gemeinsam mit ihrem Mann geführt hatte, wurde ab 1999 allmählich aufgelöst. Ein größerer Plan- und Fotobestand des Büros befindet sich heute im Archiv für Bau.Kunst.Geschichte Innsbruck. Christl Stigler-Powondra war bis kurz vor ihrem Tod 2019 in der Architektur tätig. 

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Dieses Architektinnenportrait erscheint in der Reihe Architektinnen in/aus Graz – Ins Licht gerückt, 20. Jahrhundert (Projektleitung: Antje Senarclens de Grancy). Weitere Portraits lesen Sie >>> hier

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