01/09/2009
01/09/2009

v.l.: Dr. Becke, Prof. Abouleish, Rektor Sünkel). Foto: (c) TU Graz/Frankl

„Wie können Europa und Ägypten für nachhaltige Entwicklung zusammenarbeiten?“
Bei einer Veranstaltung an der TU Graz wurden die wissenschaftlichen Kooperationen zwischen den Grazer Unis und „Sekem“ vorgestellt. Gastvortragender und alternativer Nobelpreisträger Ibrahim Abouleish setzt unermüdlich auf „dynamische Balance“ und plädiert für einen Paradigmenwechsel.

„Ein Geheimnis unseres Erfolges sind Kooperationen mit Universitäten und Unternehmen. Wir arbeiten mit Menschen aller Nationen und Religionen zusammen“, sagte Ibrahim Abouleish, Alternativer Nobelpreisträger bei der Veranstaltung in der Aula der TU Graz. Aboleish promovierte hier genau vor 40 Jahren. Sekem gibt es seit über 30 Jahren und sein Unternehmensmodell ist inzwischen weltweit anerkannt – sowohl im Hinblick auf das ethische Wirtschaften als auch im Hinblick auf Lösungsmodelle im Bereich der Armut. Die im August stattgefundene Veranstaltung „Wie können Europa und Ägypten für nachhaltige Entwicklung zusammenarbeiten?“ wurde gemeinsam von der TU Graz und SEKEM - Gemeinnütziger Verein zur Förderung des Sekem-Impules in Ägypten und Österreich organisiert. Hans Sünkel, Rektor der TU Graz, betonte in seiner Eröffnungsrede das große Interesse an wissenschaftlichen Kooperationen mit Sekem. Die an diesem Tag stattgefundenen Gespräche zwischen Landeshauptmann Voves und Abouleish sollen eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Regierungen ebnen. Hofrat Hermann Becke (Sekem-Österreich) stellte einige Projekte vor, etwa das „13-Dörfer-Projekt“ und das „Kamille-Kinder-Projekt“. Jene sehe er als „kleine europäische Kulturinseln“, die „in ihrem Bestand gestärkt, befestigt und vernetzt“ werden sollen. Die europäischen Sekem-Fördervereine wollen dazu beitragen, „dass solche Inseln voneinander wissen und dass Bewusstsein für das Gesamte entstehen kann“, so Becke. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Svenja Krämer (Klavier), Lena Krämer (Violine), Hyazintha Andrej (Violoncello). ProfessorInnen aller vier Grazer Universitäten, PolitikerInnen und UnternehmerInnen kamen zu der Veranstaltung.

Auch in der Steiermark sollen solche „Kulturinseln“ entstehen. Vor einem Jahr unterzeichneten die TU Graz und die KFU-Graz ein „Memorandum of Understanding“ für wissenschaftliche Kooperationen, die nun anlässlich der bevorstehenden Eröffnung (2010) von Ibrahim Abouleish initiierten Helipolis University in Kairo erfolgen sollen. Kooperationen gibt es mit allen vier Universitäten in Graz. Beispielsweise läuft ein Projekt an der KFU, das darauf abzielt, neue Heilmittel gegen Zuckerkrankheit und erhöhten Blutdruck zu entwickeln. Weiters gibt es eine Kooperation mit der Biotechnologin Gabriele Berg von der TU Graz. Dabei geht es um die Entwicklung von nachhaltigen Verfahren für den Pflanzenschutz. Auch steirische Wirtschaftsunternehmen arbeiten mit Sekem in den Bereichen der nachhaltigen Entwicklung, der erneuerbaren Energie und Landwirtschaft zusammen.

Dynamische Balance
Abouleish betonte in seinem Vortrag, dass es bei der „nachhaltigen Entwicklung für Europa und Ägypten“ um dynamische Balance, um Verbindung und nicht um Trennung, um fruchtbare Gestaltung, um gegenseitige Kooperationen gehe. Sekem sei nur möglich durch Kooperationen mit Europa, sagte Abouleish. Sein Unternehmen ist als Gemeinschaftsmodell für das 21. Jahrhundert weltweit anerkannt. Wie können Europa und Ägypten kooperieren? „Seit dem letzten Jahrhundert gibt es alarmierende globale Probleme. Die an Mensch und Umwelt angerichteten Schäden sind umfangreich dokumentiert“, so Abouleish. „Dabei handelt es sich nicht um Einzelprobleme sondern um systemische Probleme, wie Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung und Bevölkerungswachstum. Systeme, wo alles miteinander verbunden ist und die wechselseitig voneinander abhängen.“ Die Krise wäre deshalb entstanden, da man auf ein veraltetes Weltbild gebaut habe. Abouleish sieht die Lösung der Probleme in einem Paradigmenwechsel und einer radikalen Änderung der Wahrnehmung. Ein Wertewandel müsste erfolgen. „Heute stehen wir am Anfang grundlegender Veränderung des Weltbildes in Wissenschaft und Gesellschaft.“ Die Herausforderung bestünde darin, eine nachhaltige, ethische Wirtschaftsgemeinschaft zu schaffen und ein dynamisches Gleichgewicht herzustellen.

Wie geht es mit Sekem weiter?
Bei der Veranstaltung wollte die Aufbruchstimmung angesichts der globalen Probleme, wie Klimawandel und Wirtschaftskrise nicht so recht aufkommen und auch die Sorgen, ob „uns nicht die Zeit davonlaufe“ und wie es mit Sekem weitergehen würde, standen bei der Diskussion im Raum. Abouleish strahlte Zuversicht aus: „Trotz der Idee, dass die Welt untergehen könnte, bin ich ein ständiger Optimist. Niemand weiß, was kommt.“ Er sei sich der riesigen Probleme bewusst, aber er halte es immer für möglich, Lösungen zu finden. Auf die Frage hin, wer Sekem weiter führen würde, verwies Abouleish auf den von ihm gegründeten „Zukunftsrat“. „Die Neuen begleiten die Entwicklung von Sekem, aber es muss nicht unbedingt ein Ägypter sein, der Sekem weiterführt. Es kann irgendjemand in der Welt sein.“ Es gäbe keine Garantie, wenn es so etwas wie garantierte Zukunft gäbe, dann sei es Bildung. „Viele Menschen sind bereits aufgewacht. Es gibt sehr viel Positives in der Entwicklung, wie etwa die Gründung des Weltzukunftsrates.“

Kooperationen zwischen Sharkia und der Steiermark
Zwischen dem ägyptischen Governorats Sharkia (hier befindet sich Sekem) und der Steiermark gibt es Kooperationen in den Bereichen Forschung, Nachhaltige Entwicklung, Erneuerbare Energie und Landwirtschaft. Sowohl die KFU-Graz als auch die TU Graz haben im Jahre 2008 ein "Memorandum of Understanding" mit der Heliopolis University für wissenschaftliche Kooperationen abgeschlossen, die wiederum innerhalb von Sharkia in rund 30 Projekte eingebunden ist. Zusätzlich zu den bereits bestehenden Forschungsprojekten gibt es aber auch mit steirischen Wirtschaftsunternehmungen Kooperationen auf den Gebieten der nachhaltigen Entwicklung, der erneuerbaren Energie und der Landwirtschaft.

Kooperationen mit Universitäten; Kompetenzzentren und Unternehmen
KFU-Graz: Institute für Geographie und Raumforschung (Prof. Zimmermann) und für Pharmazeutische Wissenschaften (Prof. Bauer).
TU Graz Graz: Institute für Prozess- und Partikeltechnik (Prof. Schnitzer), für
Prozess- und Partikeltechnik (Prof. Narodoslawsky) und für Umweltbiotechnologie (Prof. Berg).
Die Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz kooperiert mit der Heliopolis-Universität.
Seit Herbst 2008 ist der österreichische Dirigent und Musikpädagoge Bernhard Sieberer in SEKEM tätig. Aus der Zusammenarbeit zwischen dem RCE Graz-Styria (Regional Centre of Expertice) und SEKEM ist das RCE Cairo entstanden. Mit ihm gibt es zwei EU-Projekte. Es handelt sich um ein Bildungsprojekt zum Thema Nachhaltiger Konsum und ein ERASMUS-Programm für geförderte Auslandsaufenthalte.
Bei der Kooperation mit dem Ökocluster geht es um nachhaltigen Energieeinsatz und um Saatgutprojekte.

Quelle: Sekem Österreich

Ibrahim Abouleish ist Absolvent der TU Graz, an der er vor 40 Jahren promovierte. Er wurde im Jahre 2003 von der Schwab-Stiftung (Partner des Weltwirtschaftsforums in Davos) als „Social Entrepreneur" ausgezeichnet. Im selben Jahr gewann die von ihm gegründete Sekem-Initiative den Alternativen Nobelpreis als Unternehmensmodell für das 21. Jahrhundert.

Verfasser/in:
Gerlinde Knaus, Bericht
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+