11/04/2011
11/04/2011

St. Gallen, Pipilotti Rist und Carlos Martinez, 2005; Foto Emil Gruber

Foto: wm

Foto: wm

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Give me an O …

… give me an R …

… give me a G. So what’s the word? – ORG!

Fotos: wm

Was hat nur Graz, das St. Gallen und Wien auch haben?

Im Schweizer St. Gallen haben die Künstlerin Pipilotti Rist und der Architekt Carlos Martinez 2005 im bis dahin grauen Innenstadtquartier „Bleicheli“ eine rote „Stadtlounge“ eingerichtet, eine Art roter Teppich mit integrierten, sofaartigen Sitzgelegenheiten. Als im Vorjahr die Arge Jako in Zusammenarbeit mit Creative Industries Styria „Ready, Steady, Go“ für das Grazer Jakominiviertel erfunden hat, war man ob der Einzigartigkeit und ab nun „Unverwechselbarkeit“ des bis dahin grauen Innenstadtquartiers ganz aus dem Häuschen. Als „klares Zeichen in Hinblick auf Graz als City of Design“ sollte das rote Laufband fungieren und wirklich, der Titel ist verliehen und „Ready, Steady, Go“ ist starr vor Dreck.
Eine Anfrage aus Brasilien sei eingelangt, zeigt sich Stadträtin Sonja Grabner begeistert. Man möchte zur Fußball-WM 2014 einen öffentlichen Platz mit so einem „Hingucker“ versehen. Vielleicht sollten die Brasilianer besser in St. Gallen anfragen, dort kann man schon auf längere Erfahrung zurückblicken.
Indes arbeiten CIS unvermindert an der designerischen Aufwertung der Stadt weiter. Allenthalben sind Transparente angebracht, auf denen zu lesen ist, das Graz jetzt City of Design ist. Das hilft Graz und CIS, weil man jetzt erfährt, dass „City of Design zu sein heißt, dass Design in der städtischen Agenda ganz oben steht“. Zu lesen auf einem Transparent an der Rathausfront. Dort, wo man im Steirischen Herbst 2010 Michael Schusters „Aufeinwort“ auf Geheiß des Bürgermeisters nicht lesen konnte. Kunst könnte nämlich missverstanden werden, während Design „klare Zeichen“ setzt.
Die Stadt sei zu möblieren, lautete sinngemäß der Aufruf von CIS, während etwa das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark sich im Rahmen seiner Arbeit dagegen verwehrt, die Stadt zu möblieren. Immerhin besteht die Gefahr, es könnte einmal kein Platz mehr bleiben zwischen all den Möbeln. Und an Möbeln kann man sich auch satt sehen.
Die Designerin Johanna Prechtl hat also Sitzmöbel erfunden, die im Bereich der Hauptbrücke und des Auto-, pardon, des Audi-, pardon, des Kunsthauses Graz platziert sind. Man sitzt nicht sehr gut auf diesen grünen Buchstaben, die im Ganzen einen ähnlich sinnigen Spruch ergeben, wie auch auf besagten Transparenten zu lesen. Hier heißt es: „GRAZ IST EIN HOTSPOT“. Das hilft Graz und CIS und ist in gewisser Weise originell. Allerdings darf hier festgestellt werden, dass man auf den „Enzis“ von Anna Popelka und Georg Poduschka im Wiener Museumsquartier seit 2003 wesentlich bequemer sitzt, zudem wollen die Enzis auch niemandem erklären, was Wien ist.
Das O der Grazer Design-Sitzmöbel sei durch die Straßen gerollt worden, heißt es. – Naheliegend, wenn es sich rollen lässt. Niemand würde danach aber behaupten wollen, er hätte so das Rad neu erfunden. Neben den beauftragten Kreativen sind hier wohl ein paar Selbsternannte kreativ geworden. Und denen gebieten nun wieder andere versteckt Kreative Einhalt, indem sie die verbliebenen Buchstaben mit Beton ausgegossen haben, damit Ähnliches nicht wieder geschieht. Irgendwie erscheint das gar nicht unvernünftig und besser, als würde mit dem Design Schindluder getrieben. Creative Industries Styria Head Eberhard Schrempf (man muss ein bissl Englisch tun, um international wahrgenommen zu werden), wird zu dem Vorfall in der Kleinen Zeitung zitiert: „Gute Objekte erzeugen Respekt“. Das muss wohl so verstanden werden, dass jemand um die guten Objekte besorgt ist und sie mit allem Respekt unter zu Hilfenahme von Beton gesichert hat.
„Wer hat’s erfunden?“ fragt in einem Werbespot für Hustenzuckerl ein Schweizer ein paar nackerte Saunafinnen. Rist war es in St. Gallen, Popelka und Poduschka waren es in Wien. Emil Gruber meint, Graz sollte sich um den Titel „City of Copy and Paste“ bewerben, ich meine, „City of New Orleans“ wäre auch nicht schlecht. Das hat sich schon bewährt und hat international höchste Beachtung (Respekt) gefunden. Der Aufkleber „Graz, … City of Design“ wurde mancherorts schon umdesigned in „Graz, … City of Dust“. In der „städtischen Agenda ganz oben“?

Lesen Sie auch die nächste Folge, in der es um Ambivalenzen zwischen Kreativität und Industrie geht.

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Kommentar
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