Wenn man der Einladung folgte und sich am Abend des 13. November 2024 in der Oeverseegasse 1, 8020 Gries einfand, erwartete einen der dunkle Hof der Rösselmühle. Nur einzelne Lichter im ersten Geschoß des ehemaligen Büro- und Wohnhauses deuteten auf die Veranstaltung hin, die hier in Kürze starten sollte. Zwei Zwischennutzer:innen der Rösselmühle, Mitglieder der Kunstinitiative APORON 21, zeigten den Weg ins erste Obergeschoß. Dort trat man in eine warme Stube: Skizzen, Karten und ein Modell deuteten auf ihre Verwendung als „offenes Atelier beim Planungsworkshop“ hin.
Der Termin war der zweite im Beteiligungsprozess rund um die Erstellung eines Rahmenplans zum Planungsgebiet Rösselmühle. Dem Abend ging der „Informationsdialog Areal Rösselmühle und Postgarage“ am 23. Oktober 2024 voran – ein Bild dieses ersten Termins kann man sich durch den von der Stadt Graz am 6. November veröffentlichten Bericht (1) machen.
An diesem zweiten Abendtermin des Beteiligungsprozesses richtete man den Blick auf den Zwischenstand des zweiten von vier dreitägigen Workshops. Für diese kommt das interdisziplinäre Planungsteam auf dem Gelände der Rösselmühle zusammen, um vor Ort zu entwerfen. Im Rückblick lässt sich der Abend zwischen allgemeiner Informationsveranstaltung – in Form einer offenen Beitrags- und Fragerunde – und kurzer Präsentation der bisherigen Anordnung von Baufeldern und Parkflächen am Planungsgebiet einordnen. Alle drei Planungsbüros waren bei der Veranstaltung vertreten: neben dem für den Rahmenplan hauptverantwortlichen Büro Kleboth und Dollnig ZT GmbH (Andreas Kleboth) auch das Büro Carla Lo Landschaftsarchitektur (Annaperla Lauria) und komobile – Büro für Verkehrsplanung (Helmut Koch). Neben ihnen nahmen rund 24 interessierte Bürger:innen, ihre offizielle Vertretung, die Stadt Graz (Bernd Schrunner), und die Römü GmbH (Birgit Leinich), als Vertretung der Bauträger:innen, an der Veranstaltung teil. Am ersten Infoabend beteiligten sich noch etwa 120 Bürger:innen und warfen ihre Anliegen betreffend das Planungsverfahren in die große Runde.
Anstatt hitzige Fehden zu eröffnen, sorgten Handschuhe an diesem Novemberabend aber höchstens für warme Finger am frösteligen Heimweg. Denn im kleinen Rahmen des schon gedrängten Präsentationsraums herrschte eine den Umständen entsprechend lockere Stimmung, in der sich die Fronten auch in Angesicht der einen oder anderen kritischen Frage nicht versteinern ließen.
Grund dafür mag auch sein, dass viele dem Beteiligungsverfahren kritisch gegenüberstehende Akteurinnen und Akteure – insbesondere Mitglieder des Komitee Rösselmühle oder der SOKO Altstadt – dem offenen Atelier scheinbar aus Protest am Modus des Beteiligungsverfahrens fernblieben. Andere zivilgesellschaftliche Institutionen wie die Zwischennutzer:innen des aktuellen Bestands der Rösselmühle, Studio Magic und APORON 21, oder das anliegende Johann-Joseph-Fux Konservatorium, zeigten durch ihre Anwesenheit aktives Interesse am laufenden Prozess.
Bereits kurz vor Beginn der Veranstaltung diskutierten Besucher:innen die Skizzen und Pläne, die die Wände von zwei Räumen zierten. Den offiziellen Teil des Abends eröffnete Andreas Kleboth, der seine Erfahrungen bei der Erstellung von Rahmenplänen, die er u.a. als federführender Städteplaner bei der Smart City und Reininghaus sammelte, auch bei diesem Projekt einbringt. Er begann mit den Bedingungen, die die Stadt Graz an das Projektteam stellt. Ihrer Erfüllung hintan steht die für das Projekt in derzeitiger Form notwendige Umwidmung. Denn um das Grundstück der Rösselmühle von Gewerbegebiet auf Kernzone umzuwidmen, braucht es eine Zweidrittel-Mehrheit im Gemeinderat – womit die gewählten Volksvertreter:innen deutlich am längeren Hebel sitzen.
Erstens sei die Umwidmung seitens der Stadt erst dann vorstellbar, wenn man zufrieden mit dem laufenden Beteiligungsprozess ist. Außerdem soll ein Drittel der rund 15 000 m² Grundfläche den anliegenden Rösselmühlenpark und Oeverseepark als Grünraum erweitern. Davon sollen 50% Park öffentlich und 40% zwar auch in Stadtbesitz, aber nicht öffentlich zugänglich sein. Im Bereich Verkehr muss man sich an diverse bestehende Vorgaben und Masterpläne der Stadt halten. Insbesondere soll darauf geachtet werden, möglichst wenig Autoverkehr zu produzieren und mit der Planung den Rad- und Fußverkehr zu fokussieren. Hier sei man aber in der Gestaltung beschränkt, da das relativ kleine Planungsgebiet – eingefasst von der Südgrenze des Rösselmühlenparks, der Nordgrenze des Oeverseeparks und von Elisabethiner- bzw. Oeverseegasse und Dreihackengasse – nur ein kleiner Teil des Betrachtungsraums rund um das Baugebiet einnimmt.
Neben den zeitgenössischen Themen Klimaschutz und -Resilienz findet sich im Vorgabenkatalog der Stadt, laut Andreas Kleboth, auch ein „erheblicher Anteil, der Nicht-Wohnen ist“. Damit befand man sich auch schon mitten in einem, für den leitenden Architekten überraschenden, zentralen Thema des Abends: die Nutzung des Areals. Woran man seitens der Römü GmbH – ihr Mutterkonzert ist die ÖSW, Österreichisches Siedlungswerk Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft – nicht arbeite, seien Anlegerwohnungen. Als „These“ wird eine Quote von etwa 40% an Nicht-Wohnen in den Raum geworfen, aber: „[…] wir müssen die Nutzungen finden“ gibt Birgit Leinich zu und ergänzt: „Was wir nicht wollen, ist Leerstand produzieren“, sowohl im Bereich des Wohnens, als auch des Nicht-Wohnens.
Man habe, so Leinich, von Reininghaus gelernt. Dort führte, laut Leinich, eine fixe Quote an Gewerbeflächen – ohne konkretes Nutzungskonzept und Begletiung dessen Umsetzung – zu einem Leerstandsproblem in der Sockelzone. Diesen Fehler will man nicht wiederholen, so wird zurzeit unter anderem an einem Konzept zur Nutzung des in das Planungsgebiet integrierten Veranstaltungszentrum Postgarage gearbeitet. Vonseiten des Planungsteams zeigt man sich offen gegenüber planbaren, möglichst sicheren und dementsprechend auch durch-finanzierten Bespielungsoptionen. „Wir bauen auch 100% nicht-Wohnen, ja? Also wenn`s jemand braucht.“ meint Leinich und spielt damit den anderen Akteur:innen rund um die Rösselmühle den Ball zu.
Die Frage, ob bisherige Raum-Bedarfsanalysen bis dato in den Prozess eingeflossen sind, wird zwar bejaht, jedoch fehle dort die konkrete Finanzierung abseits einer eher abstrakten Bedarfsanalyse. Mit anderen Institutionen rund um das Planungsgebiet sei man bereits im Austausch. Im Albert Schweitzer Hospiz habe man konkrete Vorstellungen, aber die Finanzierung ist noch offen. Im Johann-Joseph-Fux Konservatorium wartet man noch die steirischen Landtagswahlen und davon abhängige Finanzierungen ab, bevor man die rund 400 – 1000 m² an Raumbedarf in das Projekt aufnehmen kann.
Klar ist, so Kleboth, dass wir Städtebau statt Wohnbau brauchen. Jedoch reiche dazu weder das Werkzeug der Wohnbaugesellschaften noch die „hoheitliche“ Planung der Stadtverwaltung aus. Die Römü GmbH steht selbst in intensiven Kontakt mit der Wirtschaftsabteilung der Stadt Graz, die auch in den Prozess eingebunden ist. Jedoch sprenge die aufwendige Arbeit von Akquise, Moderation und Management der vielfältigen Nicht-Wohnnutzungen den Rahmen der Tätigkeit als Eigentümer:innenvertretung. Von Leinich folgt die „Bitte jemanden zu bringen, der Bedarf hat. Wir öffnen da gerne die Türen.“
Konsens im Raum gab es um den hier deutlich werdenden „Missing Link“, wie ihn Leinich nennt: Eine Schnittstelle die alle aktuellen Akteure rund um das Projekt verknüpft und es als ihre Aufgabe sieht Leute und Unternehmen ansprechen, zusammenbringen, zwischen verschiedenen Zuständigkeiten zu vermitteln und gemeinsame Finanzmittel aufzustellen. Für diese „Knochenarbeit“ sieht sich allerdings entweder keiner, oder die jeweils anderen Parteien als zuständig: Die Bürger:innen die involvierten Planungsparteien, während der leitende Architekt Kleboth wiederum die Zivilgesellschaft an ihre Verantwortung für ihre Stadt erinnert – ein Pingpong zwischen Top-Down und Bottom-Up Ansätzen. Aber vielleicht, so zeigt sich Leinich hoffnungsvoll, bilde sich diese Schnittstelle im Rahmen des Beteiligungsprozesses ja noch.
Als Letztes wäre da noch die ungeklärte Frage nach einem Zeitplan des Entwicklungsprojekts – besonders relevant, wenn es um die Planung eventueller Kooperationen rund um das Projekt geht. Genaue Angaben gibt es nur für die nahe Zukunft: Nach dem nächsten Planungsworkshop vom 4. bis 6. Dezember, bei dem es wieder das „offene Atelier“ geben könnte, präsentiert man am 8. Jänner die vorläufigen Ergebnisse. Ende Jänner könnte dann der Rahmenplan stehen, woraufhin dieser dem Ausschuss des Gemeinderates präsentiert und ein Beschluss angestrebt wird. Im Laufe von 2025 soll dann auf das Flächenwidmungsplan-Verfahren voraussichtlich ein Wettbewerb und schlussendlich das Bebauungsplan-Verfahren folgen.
Was genau im beschlossenen Rahmenplan festgehalten wird und ob man nach seiner Fertigstellung noch die Möglichkeit hat, sich daran zu beteiligen und Vorschläge einzubringen, blieb offen. Ob es eine „Relativierungs-Klausel“ (2) wie im von Kleboth entwickelten Rahmenplan Reininghaus geben wird? „Kann ich mir nicht vorstellen.“, so Kleboth. Sowohl die Stadt Graz als auch er habe daraus gelernt, außerdem sei das Planungsgebiet ein ganz anderes. Jedoch möchte man sich seitens der Römü GmbH eine gewisse Flexibilität als Raum für „iterative Lernschleifen“ beibehalten. Zum Beispiel sind nämlich die vor über einem Jahrzehnt in Reininghaus vorgeschriebenen digitalen Schwarzen Bretter zur Anzeige von Abfahrtszeiten der Öffis in den Zeiten des Smartphones längst überholt.
Nach etwa zwei Stunden Fragerunde kam man erst recht spät zum eigentlichen Thema des Abends, den bisherigen Planungsarbeiten. Widmete man sich im ersten Workshop-Block im Oktober der Analyse des Betrachtungsraums, ging es im zweiten um die Erarbeitung von beispielhaften Baufeldplänen vom Planungsgebiet. Was hier auffällt ist, dass der Bestand der ehemaligen Mühle auf den meisten Plänen nicht eingezeichnet ist. Themen des ökologischen Gehalts des Mühlgangs und des Bestands, sowie sein identitätsstiftender und historischer Wert fanden an dieser Stelle des Abends ihren Platz. Jedoch kam man im Gespräch meist nicht weit über allgemeine Überschriften hinaus.
Während der Wert der Postgarage „unbestritten“ sei, könne sich Kleboth den Erhalt der Mühlengebäude selbst nur „schwer vorstellen“. Zwischennutzer Thomas Kain von Studio Magic verwies deshalb auf eine von der Besitzerin in Auftrag gegebene Studie, die das Potenzial der Grundsubstanz hervorstreicht: Mit den rund 1500 Kilogramm, die die Decke pro Quadratmeter aufnehmen kann, ließe sich das Mühlengebäude umfangreich ausbauen. Zumindest das Kraftwerk soll, laut Projektentwicklung, für die dezentrale Stromproduktion am Planungsgebiet erhalten und genutzt werden.
Nach drei intensiven Stunden ging der Abend zu Ende. Sichtlich geschafft dankte man sich gegenseitig noch einmal für den offenen Prozess und hofft auf ein gutes Zusammenarbeiten. In informeller Runde interessierter Bürger:innen taten sich danach noch einige Fragen auf: Hätte man die Veranstaltungen rund um den Beteiligungsprozess besser ankündigen können? Handelt es sich bei dem Prozess um eine „Pseudo-Beteiligungen“ – wie andernorts vermutet wird (3) – und was bringt es, aus Protest fernzubleiben? An wen sollte man sich mit seinen Interessen wenden, um im Prozess in Zukunft vertreten zu sein; und an wen nicht?
Positiv strich man an dieser Stelle die Bemühungen des Planungsteams hervor. Respekt zollte man an dieser Stelle vor allem Birgit Leinich, die in ihrer Rolle die gesamte Zeit gegenüber kritischen Fragen Rede und Antwort stand.
Am Ende des Abends bleibt die offene Frage: „Was passiert mit der ehemaligen Mühle?“ Man kann Herrn Kleboth zustimmen, wenn er erwidert: „Wer’ma sehen.“ Auf jeden Fall ist es nun mehr als ein Plätschern, das die Mühlräder antreibt – und die Stadt Graz scheint am Hebel der Schleusentore zu sitzen.
Weitere Termine:
4. – 6. Dezember: Planungsworkshop in der Rösselmühle
t.b.a.: offenes Atelier beim Planungsworkshop
8. Jänner: Präsentation der Ergebnisse aus den Planungsworkshops
Bisl weniger Worte, vorallem…
Bisl weniger Worte, vorallem wenn’s nur nach ki Lückenfüllen klingt. Das wesentliche ist doch ob die Stadt nach Reininghaus und nach Smart-City neue Wege beschreitet um stadtbereiche mit Beteiligung zu entwickeln, der jetzt eingeschlagene weg lässt das leider nicht erkennen zumal die gleichen Beamten offensichtlich die selben hinzugezogenen Experten und dieselben Investoren den alten Pfad zu gehen und warum geht eine neue Politik diesen Weg widerspruchslos mit
Herr Bock hat hier wohl einen journalistischen Bock geschossen
Dieser Artikel ist eine Zumutung, sowohl stilistisch als auch inhaltlich, eine Blamage für GAT.
Vielleicht hätte sich Herr Bock im Vorfeld etwas mehr mit dem Thema beschäftigen sollen, dann wären ihm nicht soviele inhaltliche Patzer und Fehler passiert. Immerhin gibt es auf GAT ein ganzes Dossier über die Rösselmühle und deren Entwicklung.
Fälschlich behauptet Bock, dass der Bestand in den Planungen nicht dargestellt sei. Das stimmt nicht. Arch. Kleboth stellte sehr wohl den Gebäudebstand als darunter liegende dünne Linien dar. Jedoch nehmen seine Vorschläge keine Rücksicht auf den Bestand. So wie er bisher plant, wird wohl der gesamte Bestand bis auf die denkmalgeschützte Postgarage abgebrochen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass die Stadtbaudirektion von der Erarbeitung eines klimaorientierten, integrierten städtebaulichen Rahmenplans spricht, erscheint Kleboths Herangehensweise geradezu grotesk und ist scharf zurückzuweisen.