20/04/2011
20/04/2011

Werner Schimpl: „Sonnenauge“, Kreisverkehr Hollenegg 2011 (Foto: wm)

Hartmut Skerbisch: „Gartenlabyrinth“, Dr.-Schlossar-Park Graz 2007

Michael Schuster, Brigitte Kossek, David Auner: „Steiermark x 25“, steirische Landesgrenze 2007/08

Fedo Ertl: „100“ (Detail), Graz 2008

Jochen Gerz: „Ich Sigfried Uiberreither Landeshauptmann“, Burgtor Graz 2008

IRWIN: „Monument’s Time Sharing“, Graz, Ljubljana 2009

Lars Johansson, George Osodi: „Real Energy World / Niger Delta“, Graz 2009

Markus Wilfling: „gedächtnis”, Labuch 2009

Jochen Gerz: „63 Jahre danach“, Steiermark 2008–2010

Martin und Max Gansberger: „Arttower Novi Sad“, Novi Sad 2011. Alle Fotos zu Projekten des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum; nicht bezeichnete Fotos: Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark / colourspace

In der Steiermark will man insgesamt 25 Prozent der Zuschüsse für die Kultur einsparen. Dabei erwischt es Institutionen sogar mit 50 Prozent; deren Existenz steht damit auf dem Spiel.

Es hat keinen Sinn, immer von den gerade aktuellen Sparmaßnahmen zu erzählen, man sollte sich der Entwicklungen erinnern, um vielleicht auf Zusammenhänge zu stoßen. Ich fühle mich wie in eine Inszenierung von Macbeth versetzt: Sorgen und Angst überschatten die Zeit, keiner weiß, wer das nächste Opfer sein wird. „Keiner hilft keinem“ wird derzeit in der Steiermark in praktisch allen Bereichen praktiziert, allein die Kürzungen im Sozialbereich erscheinen nachgerade brutal. Für zwei Tage Airpower dagegen stehen 800.000 Euro parat.

Reden wir von der Kultur, reden wir von der Kunst. Er wolle nicht als „der politische Racheengel durch die Welt fahren“, sagte noch Kurt Flecker zu seinem Amtsantritt im Jahr 2005, als das Kulturressort von der ÖVP an die SPÖ ging (http://www.gat.st/pages/de/nachrichten/1738.html). Da begreift jetzt offenbar Kulturlandesrat Christian Buchmann sein Amt deutlich anders, wenngleich ich seinen biblischen Gruß „Fürchtet euch nicht“ während der ersten Präsentation des Joanneum-Programms zum Jubiläumsjahr zum ersten Mal vernehmen durfte. Im Evangelium nach Matthäus richtet sich Jesus so etwa zwanzigmal an seine Jünger; zuerst aber der Engel der Verkündigung an die Hirten, der ihnen gleich darauf berichten wird, dass der Messias geboren ist. Der Kulturlandesrat sollte seinen Gruß noch etliche Male wiederholen, unter anderem während einer Diskussion im Forum Stadtpark, als wir uns ob der abzusehenden Sparmaßnahmen nur fürchteten und nicht wussten, was auf uns zu kommen würde. Damals hatte ich den Landesrat gefragt, ob er beabsichtige, ein neues Festival einzurichten, weil er allenthalben „Trigon“ genannt hatte beziehungsweise „Trigon neu“ bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder nennt. Nein, hatte er im Forum geantwortet, nur Bestehendes sollte hinkünftig besser vernetzt werden und so weiter.

Und es begab sich aber im Lande Steiermark, dass der Kulturlandesrat sich inzwischen des Pfadfinderzeichens (Daumen über kleinen Finger) besinnt und im Zuge der Sparmaßnahmen im Kulturbereich „die Großen die Kleinen retten“, was unter anderem eine Budgetkürzung für die regionale12 von vier auf zwei Millionen Euro bedeutet. Ob das der erste Schritt sei, das von Kurt Flecker eingerichtete biennale Festival nach seinem dritten Durchgang auch schon wieder einzustellen, wurde Buchmann in einer Diskussion auf Radio Steiermark (04.04.2011) gefragt. Man müsse sich genau ansehen, wie die regionale von den Menschen angenommen werde, antwortete der Landesrat – den offenbar wenig interessiert, wie die regionalen 08 und 10 angenommen wurden –, viel interessanter fänden die Leute jedenfalls „Trigon“ und den Blick nach Slowenien, Kroatien und Westungarn, fuhr er fort. Sind das nun Seherqualitäten oder wird sich das Ansinnen, internationaler zu werden statt regional zu sein, als selbsterfüllende Prophezeiung erweisen? Man „werde die Ergebnisse der regionale12 in Murau abwarten und das Konzept regionale zu gegebener Zeit auf seine Richtigkeit prüfen“, hieß es nach einer Diskussion in Wies (11.02.2011, www.kultur.steiermark.at/cms/beitrag/11397175/6537958 ). Im Herbst nächsten Jahres, so glaube ich, dürfte es nicht schwer fallen darzustellen, dass die regionale12 hinsichtlich Projektumfangs, Künstlerbeteiligung, Publikumszuspruch und Berichterstattung in den Medien an die beiden ersten Festivals nicht herangereicht haben wird. Die steirische Kunst muss internationaler werden, … SteirerInnen, hört die Signale!

Und es begab sich aber im Universalmuseum Joanneum, dass uns in einer Pressekonferenz am 29. März dargelegt wurde, wie das Universalmuseum 2011 und 2012 mit einem um 4,3 Mio. Euro gekürzten Gesellschafterzuschuss des Landes auskommen wird. „Schmerzliche Einschnitte“ seien nötig, sagt Intendant Peter Pakesch, aus 24 Abteilungen werden durch Zusammenlegung 13, die Öffnungszeiten werden reduziert etc. Immerhin würden keine MitarbeiterInnen entlassen werden.
Die „Lage eskaliert“ allerdings, schrieben Thomas Wolkinger und Herwig Höller im Falter 14/11, als Christa Steinle die Leitung der Neuen Galerie angelegentlich der Einsparungen entzogen wurde und sich Chefkurator Peter Weibel für Steinle stark machte. Die folgende Verbalprügelei zwischen Weibel und Pakesch kann im Falter nachgelesen werden. Man mag es kaum glauben, aber der hier wieder aufgeflammte unwürdige Streit zwischen den Alphawölfen – homo homini lupus – hängt auch mit der Frage zusammen, wer Olafur Eliasson die Tür zur internationalen Kunst geöffnet haben will: Peter Weibel 2000 in Graz oder Peter Pakesch 1998 in Basel oder doch Peter Weibel 1996 in Graz oder …
Weibel wird gekündigt und erst am 4. April kommt es zu einer Aussprache, zu der LR Buchmann Weibel und Pakesch an einen Tisch lädt. Der Kulturlandesrat habe sich nicht in die Strukturänderungen im Universalmuseum einmischen wollen. Seither sei der Streit beigelegt, heißt es seitens des Joanneum. Es bleibt zwar bei der Absetzung Steinles und der Kündigung Weibels, die drei geplanten Eröffnungsausstellungen im Joanneumsviertel aber „werden in einer neu eingerichteten Stabsstelle unter der Leitung von Dr. Christa Steinle in Kooperation mit der Abteilung ‘Moderne und zeitgenössische Kunst’ gemeinsam mit Kurator Prof. Peter Weibel umgesetzt“. – Infolge der Sparmaßnahmen also wird Intendant Peter Pakesch den Vorhang nach dem Stück mit Peter Weibel zu Anfang 2012 fallen lassen.

Und es begab sich aber im Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, dass dessen Leiter Werner Fenz am 13. April vom Direktor des Universalmuseum Joanneum, Wolfgang Muchitsch, mitgeteilt wurde, das Institut werde mit 1. Mai in eine zehnte Abteilung – gemeinsam mit dem Skulpturenpark – unter Leitung von Elisabeth Fiedler eingegliedert. Zuvor hatte Peter Pakesch die Institutsleitung bzw. Mitarbeit im Institut infolge ihrer Absetzung mehrmals Christa Steinle angeboten. Diese lehnte aber ab, während mit Fenz bis dahin niemand gesprochen hatte. Fenz verfügt noch über einen zweijährigen Dienstvertrag, der mit Ende November dieses Jahres ausläuft.
Zudem unterrichtete Muchitsch den Institutsleiter davon, dass die Landeszuschüsse von bisher jährlich einer Million Euro auf 500.000 gekürzt werden. In einer Aussendung vom 13. April hält Werner Fenz dazu fest, das Institut für Kunst im öffentlichen Raum verliere damit seine im Regierungsbeschluss zu dessen Gründung (23. Oktober 2006) „ausdrücklich festgehaltene Selbständigkeit, die u.a. darin besteht, dass der Leiter des Instituts sowie seine Mitarbeiter/innen in allen inhaltlichen Angelegenheiten im Bereich Kunst im öffentlichen Raum gegenüber der Geschäftsführung des Joanneums weisungsfrei gestellt ist [sic.]“.
Die Angelegenheit wirkt einigermaßen obskur, nachdem laut Kulturförderungsgesetz von 2005 wie auch laut einem Bericht des Landesrechnungshofes vom 7. Juni 2010 (www.landesrechnungshof.steiermark.at/cms/beitrag/11293932/583182) zur „Finanzierung der ‘Kunst im öffentlichen Raum’ (…) ein Fonds als Sondervermögen des Landes eingerichtet [ist]. Dabei handelt es sich um einen unselbständigen Fonds, der von der Landesregierung verwaltet wird. Er wird in erster Linie aus dem (mindestens) 1%igen Baukostenanteil der im Gesetz in §7 genannten Bauvorhaben gespeist“. In §7 heißt es: „Der Förderbeirat (…) berät die Landesregierung bei der Vergabe der Mittel des Fonds für Kunst im öffentlichen Raum. Insbesondere erarbeitet er unter Einbeziehung der Fachexpertinnen/Fachexperten Vorschläge zur Vergabe der Mittel und zur Auswahl der Künstler und Künstlerinnen, die zu Wettbewerben oder zur Realisierung von Projekten geladen und mit ihnen beauftragt werden sollen.“ In der Folge hält der Rechnungshof fest: „Die Vergabe der Mittel des Fonds hat demnach durch die Landesregierung zu erfolgen …“. „Da der A9-Kultur das Aufgabengebiet ‘Kunst im öffentlichen Raum’ laut Geschäftseinteilung zugeordnet ist, ist die damit verbundene Förderabwicklung von der A9-Kultur wahrzunehmen.
Dabei können Synergien zu LMJ GmbH im Hinblick auf die Abwicklung und Realisierung der über den Förderbeirat laufenden Projekte genutzt werden.“
Werner Fenz merkt in einer weiteren Aussendung an, dass betreffend die 1%-Regelung nicht Gelder aus dem eigentlichen Kulturbudget – zudem jeweils nach Beschlussfassung in Regierungssitzungen – für KiöR zugewiesen werden, sondern die aus Beträgen stammen, die jährlich für Baumaßnahmen des Landes verwendet werden.

Wie, frage ich mich da, kann jetzt der Direktor des Universalmuseums Joanneum über dieses Budget verfügen respektive das Budget für Kunst im öffentlichen Raum halbieren? Abgesehen davon, was geschieht mit den anderen 500.000 Euro? Wer glaubt jetzt, im Zuge der Sparmaßnahmen, über diese Summe verfügen zu können?

Nun gibt es bis dato keinen Regierungsbeschluss oder eine Gesetzesänderung, die besagte Autonomie des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum aufheben würden. Der zuständige Kulturlandesrat, befragt von der Kleinen Zeitung (14.04.), beharrt auf seiner Position „Die Großen retten die Kleinen, und das Institut für Kunst im öffentlichen Raum ist als Teil des Joanneums ein Großer.“ Basta, möchte man nachsetzen. Der Kulturlandesrat aber erklärt auf Andreas Prücklers Nachfrage, wenn es nötig sei, könnte dafür auch das Kulturförderungsgesetz geändert werden. In Erinnerung an sein Anliegen, die Kultur internationaler zu gestalten, klingen solche Aussichten nachgerade italienisch.
Wolfgang Muchitsch hält, so Prückler in der Kleinen Zeitung, noch fest, dass die Selbständigkeit des Instituts nicht betroffen sei, es ginge um „eine rein organisatorische Zuweisung“.

Wenn KiöR hier als Großer bezeichnet wird, so muss aber auch darauf hingewiesen sein, dass von den inhaltlichen und finanziellen Möglichkeiten, über die das Institut in den vergangenen nahezu vier Jahren verfügte, wer, wenn nicht die so genannten Kleinen ansehnliche Teile ihres Auskommens über Projektaufträge lukrierten. Bisher zeugen davon zwei jeweils 300 Seiten starke Jahrbücher und damit auch von der künstlerischen Arbeit zahlreicher einheimischer und ausländischer KünstlerInnen. Ähnliches gilt für die regionale. Bei der wird man sich aber noch ansehen, wie sie bei den Menschen angenommen wird, sagte der Landesrat für Kultur und Wirtschaft. Der derzeitige Infrastrukturaufwand des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum beläuft sich auf etwa 230.000 Euro jährlich. Bei insgesamt 500.000 muss angenommen werden, dass jedenfalls die Anzahl, vielleicht auch die Qualität weiterer Projekte gegenüber den Vorjahren deutlich vermindert wird. Ob man sich dann auch ansehen wird, … ja, was? Direktor Muchitsch meint, die Kürzungen seien verkraftbar (http://steiermark.orf.at/stories/510244 ). Wo eingespart werden soll, ob beim Personal, Wettbewerben oder Projektrealisierungen, überlässt er Werner Fenz bzw. dessen Nachfolgerin Elisabeth Fiedler.

Und es begab sich aber in der steirischen Medienlandschaft, dass der Falter nach fünf Jahren jetzt von der Kulturabteilung des Landes auch nicht mehr unterstützt wird. Wirtschaftslandesrat Buchmann, der auch Kulturlandesrat ist, sagt in einem Interview in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift 80: „ … es tut mir auch leid, dass es dem Medium nicht gelungen ist, so große Akzeptanz bei den steirischen LeserInnen zu finden, dass eine Finanzierung durch Wettbewerb am Markt möglich geworden wäre … Mediale Vielfalt ist wichtig, ich bin aber ein Fan davon, das sich Medien dem Wettbewerb stellen, egal, ob sie groß oder klein sind und egal, welcher Verlag sie herausgibt.“ Daumen hier also weg vom kleinen Finger und das heißt, wenn es der Falter in den nächsten Wochen nicht schafft, sich ohne Subventionen wirtschaftlich zu behaupten, dann steht dort jedenfalls nichts mehr, das man in und außerhalb der Steiermark über Weibel, Steinle, Buchmann und Pakesch, Muchitsch, Fenz und die anderen lesen könnte, kurz über die Kultur(en) in der Steiermark.

Als Seefahrer fällt mir ein wohl durch die stürmische See motiviertes Bild ein, dass unter dem Titel „Sparmaßnahmen in der Steiermark“ vielleicht gerade klar Schiff gemacht werde und die Krängung hinge jedenfalls davon ab, sich jetzt noch schnell für die Back- oder Steuerbordseite zu entscheiden. Wer sich jetzt noch nicht fürchtet, ist sich entweder der Situation nicht gewahr oder er hat aus Gründen, die man hier nicht ansprechen darf, tatsächlich nichts zu befürchten. Die Steiermark macht sich auf den Weg in Richtung Kärnten. Aber:

Mene mene tekel u-pharsin (Daniel 5,25)!

Andererseits singt ja der International-Ökonom Loudon Wainwright III zur jüngsten Globalkrise und uns zum Trost: „It’s not the end of the world, good people, merely the middle of the night … the end of this darkness is almost in sight.” (1) Die Fliegen werden kreisen, alles wird vorübergehen, good people, niemand wird sich erinnern.

(1) „Middle of the Night“, auf: „10 Songs for the New Depression“

Zu den Bildern:
Alle Fotos zu Projekten des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum; nicht bezeichnete Fotos: Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark / colourspace

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Kommentar
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