Die Fassade aus roten Backsteinen verweist auf die lokale Bautradition, während die großen, vertikal ausgerichteten Fenster als dominantes Gestaltungselement dienen. Auffällig ist, dass die Fenster leicht zur Fassade hin verdreht sind, wodurch die klare Geometrie aufgelockert wird. Diese Drehung erzeugt ein Spiel aus Licht und Schatten, das der ansonsten schlichten Lochfassade mehr Tiefe verleiht. Das steil geneigte Ziegeldach greift klassische Bauformen auf und harmoniert mit der umgebenden Architektur. So entsteht ein Gebäude, das sich durch klare Funktionalität auszeichnet, zugleich aber durch Details wie die Fenster und ihre stilbrechende Ausführung visuell ansprechend ist.
Von Trondheim in den AZ3
Anne Lise Jenssen wurde 1930 in Harstadt in Norwegen geboren. Sie zog später nach Steinkjer in Mittelnorwegen um und maturierte in Trondheim, einer Partnerstadt von Graz. Ihrer Mutter war die Unabhängigkeit ihrer Tochter ein großes Anliegen, und sie setzte sich dafür ein, dass diese eine Ausbildung machen konnte. So ging Huseby 1953 nach Graz, um dort, wie viele andere Norweger:innen, an der Technischen Hochschule zu studieren. Diese reisten immer zu Semesterbeginn alle gemeinsam mit dem Zug mehr als 2500 km weit durch ein immer noch vom Krieg gezeichnetes Europa. Auch ihr Bruder war hier bereits Bauingenieurstudent und bei ihrer Ankunft ihr erster Anlaufpunkt. Sie hatte zunächst keinerlei Deutschkenntnisse, lernte jedoch, nach eigenen Erzählungen, die Sprache schnell durch die Gemeinschaft im Architekturzeichensaal 3 (AZ3), wo sie einen Platz fand, und bei gemeinsamen Ausflügen in die Weinstube. Sie berichtete, dass in diesem Zeichensaal lebenslange Freundschaften entstanden. Immer wieder kehrte sie später nach Graz zurück, um alte Freundinnen und Freunde zu treffen, zuletzt 2011 zur Verleihung des Goldenen Diploms an der nunmehrigen Technischen Universität.
Als Frau studieren in Graz
Als sie 1953 ihr Studium begann, hatte sich die Hochschulleitung immer noch nicht auf weibliche Studierende eingestellt, wie sich an ganz banalen Dingen zeigte. So gab es etwa, laut Anne Lise Jenssen Husebys Berichten, die sich auch mit Erzählungen anderer Zeitzeuginnen wie Trude Krisch decken, im Gebäude keine Damentoilette und die Studentinnen mussten zum nahegelegenen Rechbauer-Kino ausweichen. Sie und ihre Kolleginnen hörten viele kleine Bemerkungen der Kollegen und Lehrenden. Von einem der Professoren wurde sie während einer Prüfung gefragt, warum sie nicht, statt Architektur zu studieren, kochen lerne. Ihre Antwort darauf: „Kann ich schon!“.
Von Trondheim nach New Jersey und zurück
Die Diplomprüfung legte sie 1961 bei Prof. Hubert Hoffmann ab. Ihr zugeteiltes Thema lautete „Entwurf einer Botschaft“. Im selben Jahr kehrte sie nach Trondheim zurück, wo sie eine Stelle im Architekturbüro von Herman Krag erhielt. Dieser war Professor an der damaligen Norwegischen Technischen Hochschule, heute NTNU (Norwegische Technische Naturwissenschaftliche Universität) und realisierte mit seinem Büro Einfamilienhäuser, große Wohnanlagen, Geschäftsgebäude und Kulturbauten. 1963 folgte der Umzug nach New Jersey in den USA. Dort hatte sie eine Stelle im Architekturbüro eines deutschen Architekten angenommen. Als Frau in den USA in den frühen 1960er Jahren bekam sie jedoch, laut Erzählungen ihrer Tochter Astrid Huseby, nicht die Möglichkeit, an den für sie interessanten Projekten mitzuarbeiten. Damit konnte sie sich nicht zufriedengeben, also kehrte sie nach einem Jahr wieder nach Trondheim ins Büro Krag zurück. In den Jahren 1966/67 begleitete sie ihren Mann zu einem Arbeitsauftrag nach Athen in Griechenland und brachte eine Tochter zur Welt.
Partnerin bei Professor Krag
Danach arbeitete sie wieder dauerhaft im Architekturbüro Krag und wurde schließlich eine der Partnerinnen. Sie zeichnete für verschiedenste Projekte verantwortlich, unter anderem Bauten für Siemens in Trondheim, die Hauptpolizeistation Trondheim, das Nordenfjeldske Kunstindustrimuseum, Studierendenwohnungen in Trondheim, mehrere Pflegeheime, darunter den Neubau und die Restaurierung des 1277 gegründeten mittelalterlichen Trondhjems Hospital, der ältesten noch in Betrieb befindlichen Sozialeinrichtung Norwegens. Jenssen Huseby entwarf auch zahlreiche Privathäuser, darunter das eigene Einfamilienhaus sowie die Berghütte der Familie.
Ab 1987 war sie zehn Jahre lang Leiterin der Abteilung für städtebauliche Entwicklungs- und Sanierungsmaßnahmen der Gemeinde Trondheim. Sie interessierte sich hierbei besonders für den sozialen Wohnbau. Danach, im Alter von 67 Jahren, kehrte sie zurück ins Architekturbüro Krag und blieb dort bis zur Schließung des Büros 2005. Bis kurz vor ihrem Tod 2019 hat sie an kleineren privaten Projekten gearbeitet.
Ein wahrlich bewegtes Leben…
Ein wahrlich bewegtes Leben. Schön, dass die Verbindung zu Graz dabei aufrecht blieb.