Höhepunkte seiner politischen Tätigkeit sind sicher die Ernennung der Grazer Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe und die Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres „Graz 2003“. Dass Alfred Stingl sogar den 14. Dalai Lama nach Graz brachte, hat ihm bis heute keiner seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger gleich getan. Zudem trat der gelernte Schriftsetzer nach seiner Amtszeit als sensibler Vorleser auf, gestaltete unter anderem die Buchpräsentationen des Buches "Meine Lebenswege – Erinnerungen des Rabbiners David Herzog". (Meine Lebenswege)
Im GAT-Archiv finden sich diese und weitere Spuren, eher versteckte Hinweise auf Alfred Stingl. Nicht so viele, wie man bei einem 20 Jahre amtierenden Bürgermeister vielleicht vermuten würde, aber es sind spannende und vielfältige Spuren. Er wird zum Beispiel in den intensiven Beiträgen zum Architekturwettbewerb und „der Umsetzung und Nichtumsetzung des Trigon Hauses am Grazer Pfauengarten“ erwähnt, das Projekt der Architekten Schöffauer/Tschapeller, welches nie realisiert und später mit dem Bau des Kunsthaus Graz 2003 endgültig in der Schublade verschwand. (gelungen | nicht gelungen 7.1; gelungen | nicht gelungen 8.1)
Er war lange nach dem Kulturhauptstadtjahr noch als dessen Botschafter unterwegs, gab den Machern von Linz09 Gedanken und Rat mit auf den Weg, wie man noch nachlesen kann. (Graz war vor Linz, aber was war danach?)
In den 1990er Jahren lud Alfred Stingl anlässlich der Wiedererrichtung der Grazer Synagoge den Architekten und Maler Avram Engel, als einen der ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die 1939 vor den Nationalsozialisten ins Exil emigrierten, nach Graz ein. 15 Jahre später zeigte das GrazMuseum Zeichnungen und Skizzen des Künstlers einer breiteren Öffentlichkeit. (GrazMuseum: Avram Engel)
Mitte der 1990er Jahre stellte sich Stingl dann hinter das Projekt der „Weltausstellung“, die mit dem Museum für Wahrnehmung hätte eröffnet werden sollen. Daraus wurde nichts, zumindest nicht in der Form, die damals angedacht war. (Wahrnehmung hoch zwei)
Dass er Jahrzehnte später doch noch Teilnehmer einer Weltausstellung wurde, ist vielleicht kein Zufall deshalb gewesen. Als Besucher der Weltausstellung der Kurator.innen Theo Deutinger, Pia Prantl und Claudia Gerhäusser im Forum Stadtpark war er einer derjenigen, die bereitwillig die Zahl errechnen ließen, die angibt, wie viele Menschen am Tag des eigenen Geburtstages bereits auf der Erde lebten. Alfred Stingl war nach dieser – zugegeben grob überschlagsmäßigen – Rechnung der 2.332.728.851. Mensch auf Erden. Dass er jetzt als einer von über 8.293.433.250 gegangen ist, lässt die Intensität der Veränderungen erahnen, die Alfred Stingl in seinem Leben erfahren, gestaltet und getragen hat.
Stingls Tod löst Betroffenheit und Anerkennung aus, für einen politisch und solidarisch geprägten Werdegang. Der ORF zeichnet am 30.5.2025 ein übersichtliches Bild dazu >>> Alfred Stingl