17/09/2009
17/09/2009

Streckeninformation auf www.oebb.at

Gesäusestrecke eingestellt, Graz – Linz einstellen, Koralmbahn bauen, Busverbindungen einrichten. Vom Schienenverkehr zum Straßenverkehr – und vielleicht sind Fahrgäste wirtschaftliche Störfaktoren.

Mit 7. September haben die ÖBB den regionalen Personenverkehr auf der Gesäusestrecke im Ennstal, zwischen Kleinreifling und Selzthal, wegen zu geringer Auslastung eingestellt (http://oesterreich.orf.at/steiermark/stories/380812/, 06.08.09). 20 bis 25 Fahrgäste pro Zug seien zu wenige, das Postbus-Angebot dagegen soll ausgebaut werden. „Die Kosten-Erlös-Schere ist immer weiter aufgegangen“, heißt es dazu von den ÖBB. Zuletzt waren die Züge auf der Strecke nur zu neun Prozent ausgelastet. Weiters argumentieren die ÖBB, dass die Gesäusestrecke infolge Hochwassers oder Lawinen zwischen Jänner 2008 und Juni 2009 an 110 Tagen blockiert gewesen sei. Als Laie könnte man nun schließen, dass diese Bahnstrecke angesichts meteorologischer Voraussetzungen von Anfang an eine Fehlplanung war oder die Verschärfung klimatischer Umstände den Betrieb gegenüber früheren Zeiten jetzt unmöglich macht – zurück auf die Straße also und Diesel verbrennen.

Der Güterverkehr auf dieser Trasse wird allerdings weitergeführt, ebenso der Personenverkehr an Wochenenden und Feiertagen auf Direktverbindungen zwischen Wien und Schladming, zudem Nostalgie- und Sonderfahrten. Ein Ansuchen der ÖBB um Zuschuss von zwei Mio. Euro, um den Personennahverkehr auf der Schiene weiterhin zu gewährleisten, wurde vom Land Steiermark abgelehnt; man sei zwar ob der Einstellung nicht glücklich, heißt es aus dem Verkehrsressort des Landes, die avisierten Busverbindungen plus Fahrradtransport sollten aber im Werktagsverkehr eine Verbesserung bringen.

Die direkte Zugverbindung Graz – Linz könnte dem Sparstift zum Opfer fallen (http://steiermark.orf.at/stories/385416/, 26.08.09). Vier Früh- und Abend-Züge mit insgesamt 272 Sitzplätzen dürften damit ausfallen. Auch hier, sagen die ÖBB, würden noch Gespräche mit dem Land Steiermark um Zuzahlungen geführt, während Oberösterreich sich dafür schon bereit erklärt habe. Die vier Züge seien im Schnitt mit nur 40 Fahrgästen besetzt, das entspricht einer Auslastung von knapp 15 Prozent. Nahverbindungen zwischen Selzthal und Linz würden dagegen sehr gut genützt. Während Oberösterreich 1,18 Mio. Euro beisteuern will, heißt es in einer Stellungnahme der steirischen Verkehrslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP): „Es gibt den Grundsatzbeschluss, beim Zug zahlen wir nicht. Wir sind aber an der Schnellbus-Verbindung sehr interessiert. Gespräche mit den ÖBB darüber sind im Gange.“ – Von der Schiene auf die Straße also und Diesel verbrennen. Ein Intercity-Bus – ohne Zustiegsmöglichkeit zwischen Graz und Linz – könnte um eine halbe Stunde schneller unterwegs sein. Auf der Schiene braucht der IC derzeit knapp drei Stunden; die schnellste Verbindung mit Umstieg in Selzthal benötigt ca. dreieinhalb Stunden.
„Dass jetzt neben den Regionalbahnen auch die Städteverbindungen ausgedünnt werden, ist eine einzige Bankrotterklärung!“ schreibt dazu LAag. Lambert Schönleitner, Verkehrssprecher der steirischen Grünen, in einer Presseaussendung. Sowohl Infrastrukturministerin Bures als auch Verkehrslandesrätin Edlinger-Ploder seien gefordert, zu einer Lösung zu kommen: „Öffentlicher Verkehr ist eine öffentliche Aufgabe, auch wenn er nicht kostendeckend ist, und gerade in Krisenzeiten dürfen öffentliche Aufgaben nicht kaputtgespart werden“, moniert Schönleitner. – Ob die geringe Auslastung auch eine Folge der Fahrpreisgestaltung durch die ÖBB sein könnte, ob also Reisen oder Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln dadurch attraktiver werden könnten, dass sie schlicht billiger wären als Fahrten mit eigenem PKW, bleibt offensichtlich ein Tabuthema.

Schon 2005 hielten Karl Rinnhofer und Marcus Pirker vom Trofaiacher Verein „Fahrgast“ in einer Broschüre ( www.fahrgast-steiermark.at/uploads/media/trofaiach_05.pdf ) fest, dass im Vordernberger Tal auf dem Abschnitt Vordernberg – Trofaiach – Leoben seit Juni 2001 „eine vollelektrifizierte Strecke mit optimaler Trassenführung und in gutem Zustand parallel zur weitgehend überlasteten Straße“ vor sich hin rostet. Die Bemühungen, diese Strecke als S-Bahn – mit Anbindung Leoben–Kapfenberg – zu führen, sind vorerst auf Eis gelegt. Nach einer Arbeitssitzung im Juni kam man in der Verkehrsabteilung des Landes zu dem Schluss, „dass der verkehrliche, wirtschaftliche und ökologische Nutzen einer S-Bahn ins Vordernbergertal zu gering“ erscheint (Kleine Zeitung, 26.06.09). Es ginge jetzt um die Detailplanung für ein neues Buskonzept, „das vom Kundennutzen und auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen das nachhaltigste und effizienteste Verkehrsangebot“ sein soll. Eine Entscheidung der ÖBB über die Nutzung der bestehenden Bahntrasse steht weiterhin aus. Karl Rinnhofer jedenfalls pocht darauf, dass sie funktionsfähig erhalten wird, was bis Trofaiach wegen Gütertransports zumindest bisher gegeben ist. Die Erhaltung sei auch hinsichtlich künftiger Tourismusprojekte wünschenswert. – Bleiben wir also auf der Straße und verbrennen wir Diesel!

Äpfel werden hier natürlich mit Birnen verglichen wie der Personenverkehr in den Regionen mit Hochleistungsstrecken am Beispiel Koralmbahn. Die Absurdität der Situation wird deutlich, denkt man an eine ehemals in Österreich angestrebte verkehrs- wie informationstechnische Erschließung des Bundesgebietes, vorrangig als Ausbau des Bahn- und Straßennetzes. Inzwischen und unter verschärfter Umweltproblematik (siehe Häufung von Überschwemmungen, Lawinen und Muren, die österreichische Meteorologen nicht in Beziehung durch vom Menschen verursachten Klimawandel bringen wollen), richten die Österreichischen Bundesbahnen den Personentransport per Schiene zusehends auf Ballungsgebiete respektive auf Hochleistungsstrecken (-abschnitte) aus. Nebenbahnstrecken werden sukzessive eingestellt und/oder der Personentransport per Autobus auf auszubauende Straßen verlegt. Im Übrigen wird auf den privaten Autoverkehr verwiesen und damit beißt sich die Katze betreffend öffentlicher Verkehrsmittel in den Schwanz. Das Argument der Wirtschaftlichkeit nimmt sich angesichts des metaphorischen Vergleichs umso absurder aus: Es scheint, als wollte man den Wagen um seine Achsen und Räder reduzieren, um leichter, ökonomischer – schneller und billiger – voranzukommen. Sich Bundesbahnen zu nennen, wäre so vielleicht eine Frage der Moral, wenn „Bundesgebiet“ auf seine Ballungszentren eingeschränkt würde. Aber Moral ist, zugegeben, keine wirtschaftliche Kategorie.

Salopp möchte man behaupten, finanziell gibt es die ÖBB überhaupt nicht mehr. „Die ÖBB, ein Fass ohne Boden“, titelt die Kleine Zeitung am 12.09.2009. Im Jahr 2007 saßen die ÖBB bereits auf einem Schuldenberg von 9,4 Milliarden Euro. Derzeit dürften es 12,8 sein, für 2013 werden schon 21,4 Milliarden Euro Schulden prognostiziert, das entspricht einem Drittel des jährlichen österreichischen Steuereinkommens. Die Bundesregierung wird 2010 vier Milliarden Euro in die ÖBB stecken, davon 2,14 Milliarden allein für Pensionen. Dagegen nehmen sich die verspekulierten 800 Millionen wie Peanuts aus.
Demgegenüber stehen Einsparungsversuche wie die genannten Einstellungen von Zugverbindungen für den Personentransport. Der Ausbau der Bahnhöfe dient weniger dem Kundenkomfort – die Jobs von Schalterpersonal übernehmen Kartenautomaten – als vielmehr der Errichtung zu verpachtender Geschäftslokale. Bahnhöfe mutieren zu Einkaufszentren. Und wer ist der größte Frachtunternehmer Österreichs? Die ÖBB – allerdings nicht auf der Schiene, sondern auf Straße.
Die Einsparungsversuche nehmen allenfalls merkwürdige Formen an. Virulent ist ein Datenskandal um Krankenstände der ÖBB-Bediensteten. Krankenakten zur Bewertung der Mitarbeiter seien angelegt worden; wer sich weigerte, Diagnosen vorzulegen, sei mit Kündigung bedroht worden. Vorgesetzte sollen darauf bestanden haben, bei Gesprächen mit Ärzten anwesend zu sein (http://www.profil.at/articles/0937/560/250905/oebb-datenskandal-system-k... , 12.09.2009). Wohin soll das führen? – Auf die Straße, um Sprit zu verbrennen.

Verfasser/in:
Eine Polemik von Wenzel Mracek
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