Ein eher seltenes Schauspiel fand am Morgen des 21.11.2024 im Grazer Bauamt am Europaplatz statt: Bei der Pressekonferenz mit durchaus hochkarätiger Besetzung, u.a. Vizebürgermeisterin Judith Schwentner, Stadtbaudirektor Bertram Werle und Bernhard Inninger, Leiter des Stadtplanungsamtes, ging es nicht um aktuelle, „heiße“ Themen – Stichwort Verfahrensdauer Bebauungspläne, Stichwort Rösselmühle – nein, es ging um „die Kultur des Bauens in Graz“, so der offizielle Titel.
Anlass dafür ist der Wechsel des Vorsitzes im Grazer Fachbeirat für Baukultur, welcher vor nunmehr 12 Jahren seine Arbeit aufnahm. Much Untertrifaller übergibt diesen Vorsitz nach zweimaliger jeweils fünfjähriger Amtszeit – mit dazwischenliegender Unterbrechung – an Andreas Heidl. In der lockeren Atmosphäre eines Tischgespräches betont Vizebürgermeisterin Judith Schwentner zu Beginn die qualitätssichernde Funktion des Beirates und dankt dem Engagement der Expert*innen. Weiters verweist Schwentner auf eine wesentliche Erneuerung, nämlich, dass seit der laufenden Periode mit Isolde Rajek eine Landschaftsarchitektin Mitglied im Beirat ist und so dem Grünraum in den begutachteten Projekten dieser Größenordnung (Anm.: der Fachbeirat behandelt Projekte ab einer Größe von 2000m2 BGF) die notwendige Beachtung geschenkt wird. Rajek präzisiert in ihren Aussagen plakativ: „Alles, neben der Bebauung, ist gestalteter Freiraum.“ Das Bewusstsein dafür zu schaffen sei ein großes Anliegen, welches über vielschichtige Maßnahmen – Regenwassermanagement, Begrünung, Beschattung, das Schaffen eines Mikroklimas oder Biodiversität werden als Beispiele genannt – Planungswerkzeuge entwickeln soll.
Stadtbaudirektor Bertram Werle bezeichnet den Fachbeirat als probates Mittel, um Baukultur zu stärken und bringt eine positive Auswirkung einer qualitätsvollen Baukultur für den Standortfaktor ins Spiel. Der Fachbeirat für Baukultur der Stadt Graz ist eine Serviceinstitution und ein Beratungsgremium, so Werle weiter.
Much Untertrifaller führt das außerhalb der Altstadt heterogene Erscheinungsbild als Besonderheit der Stadt Graz an. Dieses „lebt von seinen Brüchen“, verwehrt sich „allgemein gültigen Regeln als Entscheidungsgrundlage“ und dies führt zu einer notwendigen, individuellen Projektkritik, so Untertrifaller weiter. Für den scheidenden „Mann der ersten (Beirats-)Stunde“ ist nun Alfred Berger (Berger+Parkkinen Architekten, Wien und Helsinki) neu im Fachbeirat für Baukultur. Berger knüpft inhaltlich an seine*n Vorredner*innen an und betont die Verantwortung des Beirates hinsichtlich der Qualität „in der Breite. Dass es nach unten keine Ausreißer gibt“, so Berger.
Der neue Vorsitzende, Andreas Heidl, führt Architektur als „emotionales Thema“ an. Das entstehende Milieu eines Quartiers sei wesentlich im städtischen Kontext – eine wichtige Erkenntnis, die über bloßen Gestaltungswillen hinaus geht.
Elke Delugan-Meissl bündelt in ihrem Statement Schlagwörter, die des Öfteren in diesem Pressegespräch vorkommen. Sie spricht vom wesentlichen, unvoreingenommenen Blick von außen, von Austausch und Dialog mit verschiedensten Beteiligten, auch mit Stadtplanung und Stadtentwicklung, für einen „qualitätsvollen Lebensraum der Zukunft“.
So weit, so absehbar. Man spürt förmlich: Rhetorische Schulungen braucht keiner der Teilnehmenden. Es ist ein „Wohlfühltermin“ seitens der Initiator*innen. Man ist auf eine positive Bilanzierung bedacht und bedient sich der profunden Expertise der Beiratsmitglieder*innen. Was bleibt, ist die Frage nach bestimmten Verbesserungen und Nachschärfungen. Was passiert mit Projekten, die weniger als 2000m2 BGF aufweisen? Abgesehen von neuralgischen oder stadteigenen Projekten, die dem Fachbeirat zugewiesen werden können, wird diesbezüglich auf einen höheren Aufwand verwiesen, aber: „Die Diskussion ist eine, die haben wir zu führen“, so Stadtbaudirektor Bertram Werle. Weiters wird eine Ausweitung der Zuständigkeit auf Industrie- und Gewerbegebiete in Aussicht gestellt, wenngleich nicht konkretisiert. Und vor allem drängt sich die Frage auf, wie der in den Aussagen vielstrapazierte Begriff des Dialoges im Sinne der von Andreas Heidl gelobten Diskussionskultur in Graz nun tatsächlich vonstatten geht? Also: Message Control oder offene Kommunikation?