Neben der unter Denkmalschutz stehenden Villa Luginsland, 1905-06 vom Architekt Adalbert Pasdirek-Coreno als Sommerresidenz im Kurort Laßnitzhöhe errichtet, entsteht – statt der Revitalisierung ihrer historischen Parkanlage, die ursprünglich ebenfalls vom Architekten konzipiert wurde – eine Wohnhausanlage mit 38 Wohneinheiten. Dazu gehören ein 3-geschossiges Punkthaus an der Landeshauptstraße und zwei Terrassenhauszeilen, 2- bis 4-geschossig, die sich über die Gesamtbreite des Hanggrundstücks erstrecken. Entlang der östlichen Grundstücksgrenze wird eine Zufahrtsstraße mit Stützmauer für eine Parkebene mit 62 Pkw-Abstellplätzen errichtet. Hinzu kommen weitere 14 Pkw-Abstellflächen im Freien. Die hohe Anzahl an Stellplätzen ist dem von der Gemeinde vorgegebenen Pkw-Schlüssel von 2 Pkw pro Wohneinheit geschuldet, trotz Lage im Ortszentrum mit hervorragender Infrastrukturanbindung. Die Gesamtlänge der Stützmauern, die am Grundstück errichtet werden, so erfährt man aus der Kundmachung, beläuft sich auf 104,10 m [sic]. Die ursprüngliche Parkanlage reduziert sich dadurch auf die lt. Baugesetz vorgeschriebenen Grenzabstände plus 200 m² Kinderspielplatz im „westlichen Bauplatzeckbereich“.
Bereits mit dem zweimaligen Weiterverkauf der Villa Luginsland und der bestehenden Flächenplanwidmung zeichnete sich diese Immobilienentwicklung ab. Im Frühjahr 2023 lag hierzu der erste Entwurf vor, der jetzt lediglich mit der Herabsetzung der Geschoßanzahl von drei auf zwei Geschoße im Bereich der Villa eingereicht wurde. Diese Veränderung entstand durch die Urgenz des Bundesdenkmalamtes (BDA), um dem Namen der Villa "mit Blickbezug zur Landschaft" zumindest in den Obergeschoßen noch gerecht zu werden. Das BDA forderte auch ein Ortsbildgutachten lt. §43 Baugesetz ein. Dem Paragraphen zufolge hat ein „Bauwerk derart geplant und ausgeführt“ zu „werden, dass es in seiner gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht wird. Hierbei ist auf Denkmäler und hervorragende Naturgebilde Rücksicht zu nehmen.“ Dementsprechend wäre bei jedem Bauvorhaben vorab ein Ortsbildgutachten zu erstellen, um elementare Fragen der verträglichen Dichte, Sichtbeziehungen, Bauweise, Baustruktur, Bautypologie etc. zu klären.
Elementare (Gestaltungs-)vorgaben, die in ein Gutachten einfließen sollten, kommen maßgebend aus dem Räumlichen Leitbild bzw. aus einem Örtlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde, der Lokalen Entwicklungsstrategie der Region und vor allem aus dem Baukulturellen Leitbild „Bauen im Steirischen Zentralraum – Leitbild für die Gemeinden der Bezirke Graz-Umgebung und Voitsberg“.
Zumal die Gemeinde Laßnitzhöhe über keinen Gestaltungsbeirat und verordneten Ortsbildschutz verfügt und keine Bebauungsplanpflicht auf das betreffende Grundstück gelegt hat – wieder einmal ein großes Versäumnis der Raumplaner – ist die vorab Erstellung eines Gutachtens eine gute Möglichkeit noch steuernd in der Entwurfsphase eines Projektes einzugreifen. Sprich, das Gutachten hat in erster Linie die verträgliche Form der Bebauung aus dem Kontext heraus auszuloten bzw. mittels einer umfassenden und detaillierten Bestandsaufnahme (Befund) einzuordnen und erst in zweiter Linie den vorliegenden Entwurf aufgrund der festgestellten Parameter zu beurteilen und nicht den Entwurf zu verteidigen oder „schön zuschreiben“.
Letzteres trifft auf das für die Villa Luginsland nun vorliegende Ortsbildgutachten vom Juli 2023, erstellt durch einen in vielen steirischen Gemeinden tätigen, vom Land Steiermark in der Liste geführten Ortsbildsachverständigen, zu. Das betreffende Ortsbildgutachten ist formal korrekt, allerdings in puncto Inhalt mangelhaft:
Ganz grundsätzlich fehlt im Gutachten der Hinweis auf die derzeit laufende Revision des Flächenwidmungsplans, die z.B. in Hart bei Graz zu einer Bausperre führte, und in der, u.a. Dichte, Pkw-Schlüssel, Geländeveränderungen etc. künftig anders festgelegt werden.
Des Weiteren werden die übergeordneten räumlichen Vorgaben nicht bzw. unzureichend im Gutachten berücksichtigt. U.a. wird der für den Kurort touristisch wichtige Villenwanderweg nicht angeführt, die Villa Luginsland nicht in diesen für Gemeindeinteressen wichtigen Kontext gesetzt. Allein daraus würde der Zusammenhang der Villen und ihre Bedeutung für das Ortsbild sichtbar. Zumal die unmittelbar vis a vis liegenden Villen im Gutachten in der Betrachtung des örtlichen Umfeldes als „nicht sichtbar, weil verwachsen“ mit der Beschreibung "relativ dichten Begleitwald" nicht abgebildet werden. Dabei handelt es sich hier um keinen "Begleitwald", sondern um alten Baumbestand in den Parks der Villen, der sich mitunter aufgrund Überalterung oder Naturgewalten verändern kann – die Villen bleiben (hoffentlich). Zumal sich in erster Linie die baulichen Anlagen in das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild einzufügen haben und nicht die Bepflanzungsmaßnahmen.
Gerade für Villen ist die Umgebung, die Sichtbeziehungen und die landschaftliche Parkgestaltung sowie das Landschaftsbild bzw. der Landschaftsaspekt und die Distanz zwischen den Gebäuden wesentlich. Durch das projektierte Bauvorhaben geht die „parkartige Außenanlagengestaltung“ und der Sichtbezug (Lug in das Land), die dieser Villa immanent sind, entgegen dem Gutachten komplett verloren.
Versiegelungsgrad und Grünflächenfaktor werden im Gutachten nicht erwähnt. Rankpflanzen, heimisches Gehölz und eine Baumreihe mit Streuobstwiesencharakteristik sollen laut 7 von 11 Auflagepunkten das Bauvorhaben dennoch verträglich machen.
Das örtliche Umfeld und bestehende Bauformen werden unzureichend beschrieben und die Bautypologie, eine offene Bebauung mit Punkthäusern, schlichtweg nicht benannt. Vielmehr wird in der Analyse des geplanten Umfeldes für die „kleinteilige Bebauungsstruktur“ die Privatklinik herangezogen und damit die terrassierte neue Bebauung mit ihrer Baumassenverteilung gerechtfertigt. Allerdings handelt es sich bei der Privatklinik als Krankenhaus um eine Sondernutzung und eigenständige Bautypologie, die nicht mit der Bautypologie Wohnbau verglichen bzw. gleichgesetzt werden kann. Im Betrachtungsgebiet sind bisher keine derartigen großen Wohnbauten u.a. Terrassensiedlungen vorhanden.
Den eklatantesten Mangel des Gutachtens stellt die lapidare Feststellung dar, dass „der Flächenwidmungsplan für die gegebene steile Hanglage einen sehr hohen und problematischen Dichterahmen“ hat, ohne dies näher auszuführen bzw. zu untersuchen. Die Dichte ist mit 0,2 bis 0,8 festgelegt. Hierbei handelt es sich um einen raumplanerischen Rahmen, bei dem fälschlicherweise Bauwerber immer wieder von einem gesetzlichen Anspruch auf Ausnutzung der maximalen Dichte ausgehen. Zudem erfolgte die Einreichung noch kurz vor der Novellierung der Bebauungsdichteverordnung im Dezember 2022 und schöpfte damit eine Dichte aus, die in dieser Form jetzt nicht mehr möglich wäre. Ein Grund mehr, die Dichte kritisch zu hinterfragen, denn gerade die Auslotung der möglichen und verträglichen Dichte ist wesentlicher Kern eines Ortsbildgutachtens.
Schwerwiegend erscheint die eingebrachte subjektive Sichtweise des Gutachters, die in einem Gutachten, das den objektiven Sachverhalt abbilden soll, völlig unangebracht ist und scheinbar darauf abzieht, den vorhandenen Denkmalschutz infrage zu stellen. So attestiert der Gutachter der Villa: „Neben ihrer modernen, sachlich-schmucklosen Gestaltung der Fassaden stellt sie auch eines der ersten Gebäude mit Flachdach in der Steiermark dar, dessen ‚Einfügung‘ in die autochthone Baukultur, ungeachtet ihres baukünstlerischen Stellenwertes, auch zum damaligen Zeitpunkt zu hinterfragen ist.“
Hier zeigt sich deutlich, dass die bestehenden gesetzlichen Vorgaben unzureichend sind und der fehlende Umgebungsschutz sowie das Fehlen der Parteienstellung des BDA im baurechtlichen Verfahren zwei wesentliche Punkte sind, die auch im aktuell in der Novellierung befindlichen Denkmalschutzgesetz laut Stand Auflage Dezember 2023 nicht verbessert werden.
In Summe bescheinigt das Gutachten dem vorliegenden Bauvorhaben durch „die vorliegende Gestaltung der Fassaden, die Gestaltung der Freiräume und Außenanlagen mit den umfangreichen Bepflanzungsmaßnahmen von Fassadenbegrünungen und Baumpflanzungen“ ein „hohes Maß an landschaftlicher Einbindung und Einfügungswillen in das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild.“
Nach Lektüre des Gutachtens ist man geneigt zu fragen: Handelt es sich dabei um ein „Gefälligkeitsgutachten“, welches ein Bauvorhaben legalisiert? Der Bauwerber bezahlt das Gutachten und wer bestellt, schafft an? Wie viele ähnlich gelagerte Fälle in diesem Graubereich gibt es? Warum greifen trotz Wissen über den Inhalt dieses Gutachtens Expert_innen, Landesbedienstete und Politiker_innen nicht rechtzeitig (öffentlich) ein und berufen sich auf laufendes Verfahren und Instanzenzug? Zumal es sich hier beim „öffentlichen Interesse“ lt. Steiermärkischen Baugesetz um kein Nachbarrecht handelt – wer kann letztlich überhaupt dieses Gutachten beeinspruchen?
Allgemein ist einmal mehr festzustellen, dass es in der alleinigen Verantwortung der 1. Bauinstanz der Bürgermeister_innen liegt, das öffentliche Interesse zu wahren und Baukultur zu leben. Ihnen obliegt also eine Mitverantwortung für etwaige Verschandelung unserer Land- und Ortschaften. Dies wird sich nur ändern, wenn sich der Instanzenzug ändert. Dazu braucht es einmal mehr Druck aus der Bevölkerung, von Architekt_innen und ihrer Standesvertretung sowie vor allem die Übernahme der politischen gesellschaftlichen Verantwortung.
In diesem Sinne:
Bauverhandlung
30. Jänner 2024, um 15:30 Uhr
Villa Luginsland, Hauptstraße 122, 8301 Laßnitzhöhe
neues Ortsbildgesetz - Anwalt
Es gehört dringlichst der Altstadtanwalt des Grazer Altstadtschutzgesetzes im neuen Ortsbildschutzgesetz verankert und seine Kompetenz über die gesamte Steiermark ausgerollt! Das Altstadtschutzgesetz soll ja mit dem Ortsbildschutzgesetz verschmelzen.