16/12/2019

Einmal öko reicht nicht

In Eisenerz soll ein Supermarkt mit direktem Zugang von der Bundesstraße errichtet werden.
Die Folge: Das Grundstück zwischen zwei Straßen muss meterhoch aufgeschüttet werden.

Ortsbildschutz für die historischen Nachbargebäude scheint nebensächlich.

Ein Besuch.

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Der Artikel von Karin Tschavgova erschien erstmals am 16.11.2019 im SPECTRUM der Tageszeitung Die Presse.

16/12/2019

Bergmannplatz, der historische Hauptplatz von Eisenerz. Im Hintergrund das mehr als 400 Jahre alte, denkmalgeschützte Ensemble einer Anrainerin, die Einsprüche gegen den neuen Billa erhebt – auch aus Ortsbildschutzgründen. Bild siehe Link > wikimedia.org

©: Wikimedia Commons

Forumbau mit historischem Nachbarn: Ein Schandfleck aus den 1960ern soll ersetzt werden durch einen neuen aus 2019. Laut Plan soll für die Rampe nun eine Stützmauer mit einer Höhe von 7,40 m direkt angebaut werden.

©: Karin Tschavgova

Lufbild: Das Forum-Gebäude im Bild (Pfeil). Bald abgerissen und durch den Billamarkt, hochgesetzt, mit Rampenanlage ersetzt.

©: GIS Steiermark

In Eisenerz soll ein Supermarkt mit direktem Zugang von der Bundesstraße errichtet werden. Die Folge: Das Grundstück zwischen zwei Straßen muss meterhoch aufgeschüttet werden. Ortsbildschutz für die historischen Nachbargebäude scheint nebensächlich. Ein Besuch.

Dies ist eine Erzählung, die noch kein Ende hat. Es besteht die Chance, sie zu einem guten Abschluss zu bringen – gut für alle Beteiligten und schonend für die Umwelt. Ihr Inhalt ist ein Bauvorhaben, bei dem die Bauherrenschaft von Beginn an Vorgaben machte, die wenig Spielraum für Kreativität ließen. Doch der Reihe nach.

2016 reichte Billa einen Plan für einen neuen Supermarkt in Eisenerz ein. Dieser sollte knapp an der Bundesstraße stehen und die beiden bestehenden Filialen, eine im Ortskern und eine nahe einer früher bedeutenden Bergarbeitersiedlung, ersetzen. So weit, so gut: Eisenerz setzt auf mehr Tourismus, Billa auch auf den Durchzugsverkehr. Das Grundstück, ursprünglich ein Hang zwischen zwei Straßen mit beträchtlichem Höhenunterschied, ist noch bebaut mit einem Gebäude, das um 1960 eines der ersten Großkaufhäuser der Region war. Es lag nahe der Ortsmitte, von der tiefer gelegenen Zufahrtsstraße aus erschlossen und direkt angebaut an ein jetzt unter Denkmalschutz stehendes Ensemble. Heute liegt das „Forum“ in der Zone des Ortsbildschutzes, der 1980 verordnet wurde, und ist ein Gegenüber von Sgraffito geschmückten Wohnhäusern, die sich die geneigte Straße entlang reihen wie auf einer Perlenkette.
Billa legte den Plan eines Baumeisters vor. Das leer stehende Bauwerk soll zur Gänze abgetragen und der dadurch entstehende Bauplatz bis zu neuneinhalb Meter hoch aufgeschüttet werden, um darüber das neue Gebäude niveaugleich mit der Bundesstraße zu errichten. Ein Billa-Markt auf dem Tablett, die Sichtbarkeit von der Bundesstraße als oberste Maxime – und alles mit weitreichenden Folgen. Zur tiefer liegenden Straße und zu den historischen Nachbarhäusern hin war eine ebenso hohe Stützmauer geplant, zum natürlichen Niveau des Nachbargartens Böschung, Stützmauer und Zaun. Der beigezogene Ortsbildsachverständige lehnte das Vorhaben in dieser Form ab und erteilte Auflagen, was die Höhenlage des Gebäudes, seine ungegliederte Masse und die monströsen Stützmauern betraf. Minimale Änderungen folgten – nichts, was substanziell Verbesserung und avancierte Architekturqualität gebracht hätte. Aus der Stützmauer wurde ein 160 Meter langes, im Zickzack verlaufendes Rampenbauwerk, das nun den Zugang vom Ortszentrum darstellt. Die unnatürliche Höhenlage blieb unverändert. Neu war, dass ein von der Gemeinde beauftragter zweiter Gutachter nunmehr grünes Licht für die um keinen Deut bessere Variante gab. Wie und womit er begründete, dass die Empfehlungen des Erstgutachtens nun erfüllt seien, ist haarsträubend. Es könnte zum Lehrbeispiel für unzureichende Gutachten und Gutachter werden. Wer nun glaubt, dass dagegen von der Baubehörde, der Gemeinde oder der Ortsbildkommission, die informiert war, Einspruch erhoben wurde, der irrt.

Unmut regt sich seit der Bauverhandlung in den sozialen Medien gegen die Einwände der Nachbarin, die, über die ihr zustehenden Rechte hinaus, auf der Unvereinbarkeit der vorgelegten Planung mit den Vorgaben des Ortsbildgesetzes beharrt. Tatsächlich ist viel Porzellan zerbrochen worden in der Geschichte, in der wohl die Hauptbeteiligten – Gemeinde und Billa  – nur zu ihrem Eigennutz gehandelt haben. Der Schutz des Ortsbilds wurde offensichtlich als vernachlässigbare Marginalie gesehen. Doch welche Lehre, welcher Erkenntnisgewinn lässt sich ziehen? Waren qualitätvoll gelöste Bauvorhaben immer schon eine Herausforderung, so ist die Komplexität des Bauens heute aufgrund der unumgänglichen Aufforderung zu sparsamem Ressourcen- und Energieverbrauch und umfassendem Schutz der Umwelt noch höher. Billa wäre gut beraten gewesen, das beste maßgeschneiderte Projekt über einen Architekturwettbewerb zu finden oder aus einem Pool aus exzellenten Architekten zu schöpfen, die längst bewiesen haben, dass sie Bauaufgaben in sensibler Lage wie in Eisenerz bewältigen. Unternehmen wie Sutterlüty in Vorarlberg, MPreis in Tirol und Spar mit Beispielen in der Steiermark gehen seit Jahren diesen Weg und zeigen auf, wie erfolgreich gutes Bauen in jeder Hinsicht ist.
Der jetzt eingereichte Entwurf wird nicht nur aus ökologischer, sondern könnte auch aus ökonomischer Sicht für Billa ein Misserfolg werden. Man bedenke: ein Rückbau und die kostenintensive Entsorgung des Abbruchmaterials, die enormen Mengen an Material für die Aufschüttung des Bauplatzes und die Notwendigkeit einer zeitraubenden, temporären Überschüttung mit noch mehr Gewicht, damit sich der Baugrund stabilisiert. Dazu kommt, dass ein Bauwerk mit Rampen und Stützmauern äußerste Präzision in der Konstruktion und ständige Wartung im Eisenerzer Winter verlangt.

Billa hätte für sein Bauvorhaben Hilfe und fachlichen Rat gebraucht. Die Steiermark hat laut Internet einen Baukultur-Beirat, der die Baukultur-Leitlinien zur Umsetzung bringen soll. Seit vielen Jahren gibt es einen Baukultur-Beauftragten. Doch was wird getan, um die Leitlinien zur Baukultur aus der Papierform zu holen und zumindest dort mitzugestalten, wo das Land über Gesetze und Fördermittel Mitsprache und Entscheidungsmacht hat? Eine solche hätte auch die Ortsbildkommission auf Grundlage des Ortsbildgesetzes. Warum gab es kein entschiedeneres „Nein, so nicht“, nachdem der erste Sachverständige eine substanzielle Änderung des Entwurfs empfohlen hatte und diese nicht kam? Warum keine Koordination der Beteiligten, um über Gespräche Überzeugungsarbeit für eine ortsbildverträgliche Lösung zu leisten?

Trotz aller Versäumnisse wäre es für die Einsicht, dass man heute nicht mehr ressourcenverschleudernd bauen kann als Unternehmen, das mit Nachhaltigkeit punkten will, ein Klimaaktiv-Partner ist und mit Greenpeace kooperiert, nicht zu spät. Für eine Umkehr zurück an den Start auch nicht. Ein Gebäude, das intelligent auf dem Bestehenden aufbaut, oder eine neue, qualitativ hochstehende Architektur, die sich besser ins Ortsbild einfügt, wäre ein Gewinn für alle und könnte glaubwürdig für eine notwendige Wende im Bausektor stehen, in der unser Tun den Erfordernissen des Umweltschutzes in seiner ökologischen und ökonomischen Dimension angepasst wird. Mit Stolz bewirbt Billa eine Filiale in Perchtoldsdorf als Blue Building, das für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet wurde. Nur leider macht ein „Öko-Billa“ genauso wenig einen Sommer wie eine einzige Schwalbe.

Laukhardt

Das wunderschöne Zentrum von Eisenerz und jetzt das. Ich kenne das Projekt auch von Hilferufen aus Eisenerz und frage mich: Wenn schon eine Ortsbildkommission eine Schutzzone bzw. ein Ortsbild nicht schützen kann, wozu ist sie dann da? Stimmt es wirklich, dass der Sachverständige, der den Erstentwurf abgelehnt hatte, zurückgetreten ist - oder wurde? Was lief da ab?

Di. 17/12/2019 4:41 Permalink
Guttmann

Antwort auf von Laukhardt

Sehr geehrter Herr Laukhardt,
auf die abschließende Frage in Ihrem Kommentar darf ich Folgendes antworten: Eine erste Planung für den neuen Billa im Ortsbildschutzgebiet von Eisenerz wurde negativ begutachtet. Daraufhin gab es im Jahr 2017 eine Begehung vor Ort mit der Ortsbildkommission, dem ursprünglichen Ortsbildsachverständigen, Vertretern des Bauherrn, der Stadtgemeinde Eisenerz sowie der Planerin. Im Rahmen dieser Begehung wurden Eckpunkte für eine Umplanung besprochen. Für die daraus resultierende neue Einreichung wurde ein positives Gutachten, das das erste ersetzt, erstellt. Das negative Gutachten stammt aus 2016, das positive aus 2019. Der ursprüngliche Ortsbildsachverständige hat seine Funktion im Jahr 2018 zurückgelegt – nicht nur in Eisenerz, sondern auch in anderen Ortsbildgemeinden –, und zwar aus Altersgründen. Ein neuer Gutachter wurde bestellt. Ich kann Ihnen also versichern, dass hier nichts anders gelaufen ist, als es vom Gesetz vorgesehen ist – schon gar nicht „wurde“ jemand zurückgetreten.
Zur Rolle der Ortsbildkommission: Der Beitrag von Frau Tschavgova ist leider an mehreren Stellen missverständlich und suggeriert – wie auch von Ihnen aufgegriffen –, dass die Ortsbildkommission operativ tätig sei. Ich zitiere:
„Doch was wird getan, um die Leitlinien zur Baukultur aus der Papierform zu holen und zumindest dort mitzugestalten, wo das Land über Gesetze und Fördermittel Mitsprache und Entscheidungsmacht hat? Eine solche hätte auch die Ortsbildkommission auf Grundlage des Ortsbildgesetzes.“
Operativ tätig sind jedoch laut Ortsbildgesetz die Ortsbildsachverständigen, und nur wenn eine Gemeinde die Ortsbildkommission dazu auffordert, kann diese ein Gutachten erstellen, was strukturell auch absolut sinnvoll ist.
Auch in dieser Hinsicht gibt es keinen Grund, an der Rechtmäßigkeit der Abläufe zu zweifeln.
Eva Guttmann
Ortsbildkommissionsvorsitzende

Mi. 18/12/2019 4:30 Permalink
Karin Tschavgova

Geehrter Herr Laukardt,
wenn auch mein Artikel - wie Frau Guttmann als Vorsitzende der Ortsbildkommission behauptet, "leider an mehreren Stellen missverständlich ist und suggeriert, dass die Ortsbildkommission operativ tätig sei“, so kann ich Sie beruhigen mit dem folgenden Paragrafen im Ortsbildschutzgesetz.
Ich zitiere:
§ 10a Ortsbildbesichtigungen
(1) In höchstens fünfjährigen Abständen nach Inkrafttreten einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 1 hat die Gemeinde unter Beiziehung des Ortsbildsachverständigen und der Ortsbildkommission eine Besichtigung des Schutzgebietes vorzunehmen. Dabei ist zu überprüfen, ob das Schutzgebiet den Bestimmungen dieses Gesetzes und dem Ortsbildkonzept entspricht. Allfällige Beeinträchtigungen sind in einem Mängelkatalog festzuhalten.
(2) Die Ortsbildkommission kann der Gemeinde Empfehlungen für die Behebung der festgestellten Mängel erstatten.
Sie sehen also, dass die Ortsbildkommission sehr wohl tätig wird, auch wenn Frau Guttmann erstaunlicherweise betont, dass ihre Aufgabe nicht ist, operativ tätig zu sein. Sie können dann sicher, in ein paar Jahren, erfahren, was die Ortsbildkommission der Gemeinde Eisenerz für Empfehlungen gibt zur Behebung der festgestellten Mängel an Bauqualität und Baukultur am neuen Billamarkt.
Es sei denn, das nun beauftragte dritte Gutachten stellte fest (konjunktiv), dass der Markt doch nicht in der vorliegenden Planung gebaut werden kann, folgt man den eigentlich ganz konkreten Vorgaben im Ortsbildgesetz in Bezug auf Einfügung, Gliederung, Verhalten zur Nachbarschaft ect.
Würde dies geschehen und ein neuer, besserer Entwurf realisiert werden, die Chance besteht ja noch, so können Sie davon ausgehen, dass sich die Ortsbildkommission – operativ tätig oder nicht tätig in dieser Angelegenheit – dies als ihren Erfolg oder Lorbeer an die Brust heften würde.
Dass zwei der Anrainer die einzigen waren, die anhaltend ausdauernd (und unglücklich darüber, was man ihnen da vor die Nase setzt) ihre Ablehnung immer damit begründet haben, dass im vorliegenden Projekt der Ortsbildschutz negiert wurde, wird dann vergessen sein. Auch der Shitstorm in den sozialen Medien gegen Gerhild Illmaier (ja, sie ist die Schwester des so früh verstorbenen Architekten Herwig Illmaier), die als eine der beiden sich kritisch äußernden Anrainer und Mitbesitzerin eines dort an die geplante neue Stützmauer direkt angrenzenden, mehr als 450 Jahre alten, denkmalgeschützten Hauses „ja gar nichts mitzureden hat beim Thema Ortsbildschutz, da keine Parteienstellung“, wird vergessen sein, auch die Unterstellung, dass sie jeden Billamarkt verhindern wolle an dieser Stelle, dass sie Arbeitsplätze gefährde, Eigennutz vor Gemeinwohl stelle ect.
Und sollte der neue Billamarkt doch noch zu einem vorzeigbaren Stück Baukultur im historischen Ortsbild von Eisenerz werden durch eine rigorose und rigoros gute Neuplanung, woran ich nach diesem Verfahrensablauf nicht mehr glaube, so wird dieser sicher Aufnahme finden in der Zweitauflage jenes Buches, das die Ortsbildkommission am 22. Jänner 2020 als Neuerscheinung/1.Auflage im HDA präsentieren wird.
Sein Titel: Erhalten und gestalten. Ortsbildschutz in der Steiermark. Grundlagen. Beispiele. Perspektiven. HerausgeberIn: Eva Guttmann und Ortsbildkommission für Steiermark.
PS: Dank an Eva Guttmann an dieser Stelle, dass sie meinem Beitrag und mir nun nur mehr unterstellt, an mehreren Stellen missverständlich und suggerierend zu sein. Im direkten Gespräch nach der Veröffentlichung lautete ihr Vorwurf noch, in meinem Artikel sei manches richtig, aber auch einiges falsch ... dargestellt.

Fr. 20/12/2019 1:43 Permalink
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