Lukas Vejnik zur jüngsten Publikation Architektur als Akteur? in der Reihe Materialitäten von Theresia Leuenberger.
Wir sehen etwas, das du nicht siehst und das ist ... Architektur?
Die Beschäftigung mit der Frage, wie Gebäude erfahren werden, ist mindestens so alt wie die erste Architekturtheorie. Bereits bei Vitruv wird die Perspektive der NutzerInnen anhand der Verzierungen in römischen Tempelanlagen thematisiert, die, laut dem pensionierten Architekten, so ausfallen sollten, dass sie auf alle eine ansprechende Wirkung entfalten. Eine solche universelle Perspektive auf die gebaute Umwelt zieht sich, so Theresia Leuenberger, in der Architekturgeschichte von Zehn Bücher über Architektur (Vitruv, ab 33 v. Chr.) bis zu Learning from Las Vegas (Robert Venturi, Denise Scott Brown, Steven Izenour. 1972) durch.
In ihrer empirischen Studie Architektur als Akteur? sucht die promovierte Architektin stattdessen nach den Voraussetzungen, nach denen Gebäude auf ähnliche Weise erfahren werden. Denn, so die These des Buches: PlanerInnen haben allenfalls eine vage Idee davon, wie die Reaktionen der NutzerInnen auf deren Setzungen ausfallen. „Mehrere Menschen können an einem Ort, in einem bestimmten Moment und aus ihrer Perspektive unterschiedliche Räume konstituieren, sodass eine Überlagerung verschiedener Räume entsteht. […] Menschen können Architektur jedoch als gemeinsam erfahren, wenn die Architektur für sie in der Erfahrung gleich ist.“
Dogmen der Marke Modulor (Le Corbusier, 1955) sucht man in dem Buch vergeblich. Subjekte werden, ausgehend von Chantal Mouffe, als fragmentiert und differenziert betrachtet. Mehrdeutigkeiten entstehen allein schon deshalb, weil, aufbauend auf Georg Simmel, sowohl die Produktion als auch die Rezeption von Raum Wissen hervorbringen. Architektur als Akteur? ist damit der Versuch über eine Soziologie der Architekturerfahrung, die es genauer wissen will und auf diesem Weg weder das Komplexe noch das Banale ausblendet. Das theoretische Rahmenprogramm setzt sich zusammen aus dem Raumbegriff der Raumsoziologie, den Modi der Vermittlung der Akteur-Netzwerk-Theorie und den Verknüpfungstypen der Praxistheorie.
Die dazugehörige architektursoziologische Space Odyssey lässt jeweils drei SchülerInnengruppen auf eigene Faust durch das Kunsthaus Bregenz und die Kunsthal in Rotterdam streifen und protokolliert die anschließenden Gruppendiskussionen. Der Blick durch die Architektenbrille wird überlagert mit den Erfahrungen der Jugendlichen, wobei die Gruppenmeinung nach Ralf Bohnsack nicht einfach als die Summe der Einzelmeinungen angesehen wird, sondern das Produkt kollektiver Interaktionen darstellt.
Während nach Peter Zumthor das Volumen des Kunsthauses in Bregenz zwischen den bereits vorhandenen Maßstäben der Uferbebauung und dem kleinteiligen Stadtkern vermitteln soll, kommen aus den Gruppen Anmerkungen wie, es passe nicht in die Umgebung, oder, dass der ganze Beton schon recht unfertig aussehe. Rem Koolhaas´ Idee, mit der Eingangssequenz der Kunsthal in Rotterdam einen Kontrapunkt zu gängigen Museumsportalen zu schaffen, empfindet ein Teil einer Gruppe schlicht als schräg. Der Vortragssaal wird an anderer Stelle als seltsam eingestuft, weil er sich in den oberen Reihen verengt.
Das Buch richtet sich gleichermaßen an ArchitektInnen und SoziologInnen sowie an Architektur interessierte LeserInnen, so die Autorin im Vorwort. Im Stil der Tausend Plateaus sind die LeserInnen dazu eingeladen, an beliebigen Stellen in die Materie einzutauchen. In geraffter Form werden bekannte Positionen aus Architekturtheorie und -geschichte mit neuen Querverweisen aktualisiert und akzentuiert, was teilweise neue Blickwinkel auf eine vermeintlich bekannte Materie eröffnet. ForscherInnen, die einen Einstieg in die Methode des Gruppendiskussionsverfahrens suchen, finden zudem eine detaillierte Einführung mit einer ausführlich ausgebreiteten dazugehörigen Fallstudie.
Ohne zu dramatisieren zeigt Architektur als Akteur?, wie weit die Beschreibungen der Experten von den Zuschreibungen durch die Laien oftmals entfernt liegen können und fördert stichprobenartig die feinen Unterschiede zwischen ProduzentInnen und RezipientInnen zutage.
Eine Antwort darauf könnte lauten: Differenzierte Vermittlung auf allen Ebenen!
Wer (oder was) ist der
Wer (oder was) ist der pensionierte Architekt? Vitruv? Versteh ich nicht.
Antwort auf Wer (oder was) ist der von anonym
Vitruv
Vitruv wurde von Augustus mit einer Pension ausgestattet. Daraufhin konnte er sich wohl verstärkt seiner theoretischen Arbeit widmen. Darüber berichtet er im Vorwort der 'Zehn Bücher'.
Antwort auf Vitruv von Lukas Vejnik
Danke für die
Danke für die Aufklärung/Info.